Protokoll der Sitzung vom 22.02.2013

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Landtag sollte sich dazu bekennen und eine Richtungsänderung einschlagen. Deshalb haben wir den Antrag in Bezug auf den Ausstieg aus der Agro-Gentechnik in Sachsen-Anhalt gestellt.

Es wird immer wieder propagiert, dass gentechnisch veränderte Pflanzen eine Möglichkeit zur Bekämpfung des Welthungers seien. In einer Kleinen Anfrage erwähnt die Bundesregierung eine Studie, die angeblich Erfolge der Gentechnik für Kleinbauern in Mali belegen soll.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Diese Studie ist eine reine Computersimulation. In Mali hat es nie GVO-Anbau gegeben.

Gentechnik ist der falsche Weg, um das Ernährungsproblem anzugehen. 80 % der Lebensmittel auf der Welt werden von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern produziert. 50 % der Hungernden in der Welt sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Die Agro-Gentechnik stellt für viele arme Menschen allein schon finanziell keine Option dar. Auch Entwicklungshilfeverbände sprechen sich gegen die Gentechnik aus.

Die Menschen brauchen gutes Essen; sie brauchen genug zu essen. Beides wäre ohne Problem bereits jetzt zu gewährleisten. Es wird genug produziert, vielfach jedoch das Falsche von den Falschen und für die Falschen.

(Herr Rosmeisl, CDU: Was? - Zurufe: Ach! - Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist kein Zufall, sondern wurde durch einen brutalen Verdrängungswettbewerb, mitunter auch durch Armeen, Milizen und gebeugtes Recht erzwungen.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

- Herr Scheurell, schauen Sie sich einmal in Brasilien um. Dort werden Sie das sehen. Die Menschen hungern, weil sie von ihrem Land vertrieben wurden.

(Zuruf: Stimmt nicht!)

Jetzt werden auf ihrem Land Treibstoffe und gentechnisch veränderte Futtermittel angebaut. Bitte

erklären Sie mir, wie unter solchen Umständen die Gentechnik helfen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Pflanzen sind gentechnisch so verändert worden, dass sie gegen Herbizide tolerant sind. Es kann also gespritzt werden, ohne dass die Gen-Nutzpflanzen dadurch Schaden nehmen. Angeblich soll das den Pestizideinsatz mindern, weil eine gezieltere Bekämpfung zum optimalen Zeitpunkt möglich sei.

Wie die Erfahrungen aus den USA und vor allen Dingen aus Südamerika zeigen, ist das Gegenteil der Fall. Es haben sich herbizidtolerante Superunkräuter entwickelt, sodass jetzt noch mehr Gift auf die Felder muss. Krebserkrankungen, Fehlgeburten und Missbildungen nehmen bei den Anwohnerinnen und Anwohnern zu.

Ebenso verhält es sich bei den sogenannten BtPflanzen, in die Gene von Bakterien eingebracht wurden, damit diese ein Insektengift produzieren. Die Folge ist: Es gibt einen hohen Selektionsdruck auf Resistenzentwicklungen und aktuell eine immer stärkere Verbreitung resistenter Schadinsekten in den USA, in Indien und anderswo, zum Beispiel auch in China. Der Einsatz von Insektiziden steigt auch dort erheblich an.

Wenn man sich diese Entwicklung so anschaut, dann drängt sich einem der Verdacht auf, dass Gentechnik nie die Umwelt schützen oder der Landwirtschaft helfen sollte, sondern eher das Saatgut unter Kontrolle bringen sollte, um die lukrativen Chemikalien loszuwerden. Gentechnik sollte nicht Spritzmittel einsparen, sondern deren Absatz steigern.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Das ist aber auch eine sehr gewagte Aussage!)

- Das ist eine klare Aussage, Herr Borgwardt.

(Herr Borgwardt, CDU: „Gewagt“ habe ich gesagt, nicht „klar“!)

- Ach so! - Diese klare Aussage hat aber der ehemalige Landtagsabgeordnete Uwe Schrader gemacht, der auch seit Langem Spitzenfunktionär bei InnoPlanta ist. Er hat selbst erklärt, warum so viele auf gentechnische Veränderungen setzen. Ich zitiere aus einem Strategiepapier zur Pflanzentechnologie. Darin schreibt Herr Schrader - Zitat -:

„Die Aussicht, in dem stagnierenden Pflanzenschutzmittelmarkt durch Anwendung der Pflanzenbiotechnologie Positionsverbesserungen zu erzielen, erklärt die für das Marktvolumen und die Profitabilität der Branche unerwartet hohe interne und externe FuEIntensität.“

(Zuruf von der CDU: Wo ist das Problem jetzt? - Zuruf von den GRÜNEN: Das ist ei- ne Grundsatzfrage! - Unruhe)

Das Zitat belegt, dass der Pflanzenschutzmittelmarkt durch die Gentechnik profitieren sollte, dass also immer mehr Pflanzenschutzmittel, immer mehr Pestizide eingesetzt werden sollen; das ist der Kern dieses Zitates.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der CDU)

Durch Gentechnik sollen angeblich hitze-, salz und trockenresistente Pflanzensorten geschaffen werden können, die sogar Wüsten fruchtbar machen. Auch diese Leistung konnte bis heute nicht realisiert werden, da sich deren Umsetzung als enorm schwierig erweist; denn die genetische Struktur der entsprechenden Pflanzen hat sich als viel zu komplex erwiesen und die Eigenschaften, die ich beschrieben habe, also Hitze-, Salz- und Trockenresistenz, sind multigenetisch angelegt, also auf vielen Genen kodiert. Man müsste bis zu 75 Gene einbauen. Das ist viel zu schwierig, viel zu komplex. Das ist eine große Herausforderung. Das ist etwas, was in der Praxis tatsächlich nicht funktioniert.

(Herr Borgwardt, CDU: Wieso? - Herr Dal- drup, CDU: Woher wissen Sie das? - Herr Weihrich, GRÜNE: Das ist belegt!)

- Das ist belegt.

(Zurufe von der CDU: Wo? - Wo steht denn das? - Das stimmt doch gar nicht! - Hören Sie auf!)

- Selbst Monsanto sagt das.

Es gibt bei der konventionellen Züchtung viel größere Erfolge. In den letzten Jahren sind 34 gegen Trockenheit resistente Maissorten entwickelt worden. Diese sind den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt worden. Dafür gab es eine internationale Auslobung.

Das ist genau der Punkt, nämlich dass die konventionelle Züchtung viel besser funktioniert, viel erfolgreicher ist und dass man solche Pflanzen damit schneller und billiger herstellen kann. Die Züchtungserfolge stellen sich heute viel schneller ein. Durch die Methode der DNA-Marker-gestützten Selektion funktioniert das sehr gut.

Die großen Saatgutkonzerne, allen voran Monsanto, haben es geschafft, über den klassischen Sortenschutz hinaus mit der Patentierung die Saatgutkontrolle zu verschärfen.

Nach einer massiven Werbekampagne, zum Beispiel in Indien für die Bt-Baumwolle, aber auch vor dem Hintergrund einer beinahe schon bedingungslosen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit in den USA werden genveränderte Pflanzen weltweit noch in großem Rahmen angebaut. Weltweit betrifft das 160 Millionen ha.

In Europa spielt der gentechnische Anbau auf einer Fläche von 132 000 ha im letzten Jahr kaum

eine Rolle. Das entspricht einem Anteil von 0,12 % an der europäischen Ackerfläche. Wenn man dies auf den weltweiten Anbau bezieht, dann entspricht dies nicht einmal einem Promille der weltweiten Anbaufläche an GV-Pflanzen.

Europa ist aufgewacht, weil niemand die Gentechnik haben will, weder auf dem Acker noch auf dem Teller. Das müssen wir auch für Sachsen-Anhalt anerkennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Inzwischen gibt es auch ein Erwachen, und zwar ein böses Erwachen, in Indien, in den USA, in Südamerika und in China.

In Indien gehen die Baumwollerträge zurück. Die Preise für GV-Saatgut haben sich vervielfacht. GVfreies Saatgut gibt es kaum zu kaufen, zum einen weil über Jahrzehnte hinweg keine konventionelle Züchtung vorangetrieben wurde, aber zum anderen auch weil die kleinteiligen Saatgutvertriebsstrukturen unter dem Einfluss der großen Saatgutkonzerne stehen.

In Indien ist der Baumwollaufkäufer gleichzeitig der Saatgutlieferant, der weiterhin auch das GV-Saatgut diktiert. In Brasilien gehören Landhandelsstellen direkt zu Monsanto. Eine Wahlfreiheit für die Landwirtschaft gibt es nicht mehr.

Solche Bedingungen können wir nicht wollen. Deshalb: Jetzt alle Aktivitäten zur Entwicklung und Anwendung von Agro-Gentechnik konsequent stoppen und aussteigen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sieht unser Ausstiegsprogramm Agro-Gentechnik vor. Das Land und alle zu ihm gehörenden Institutionen sollen ihre Aktivitäten zur Entwicklung und Anwendung der Gentechnik aufgeben. Das Land soll dort, wo es mitwirkt, Mitglied ist oder Einfluss hat, sein Gewicht in die gleiche Richtung einbringen. Die landeseigenen Flächen sollen nicht an Personen und Institutionen verpachtet werden, die mit der Agro-Gentechnik oder an ihrer Entwicklung arbeiten.

Gleichzeitig wollen wir aber auch einen Einstieg. Die gentechnikfreie Züchtungsforschung soll gestärkt werden mit den Zielen einer regionalen Versorgung mit Eiweißpflanzen, einer standortangepassten Sortenvielfalt und einer chemikalienarmen Landbewirtschaftung. Die Infrastruktur, die heute der Werbung für die Agro-Gentechnik dient, soll zukünftig für Schulungs- und Anschauungszwecke für eine standortgebundene Sortenvielfalt und für umweltschonende Landbewirtschaftungsverfahren genutzt werden.

Stellen Sie sich vor, der Schaugarten in Üplingen, das daneben stehende dörfliche Begegnungszentrum und das Grüne Labor in Gatersleben werden zum Anziehungspunkt für innovative, umwelt

gerechte Lösungen einer standortangepassten Landwirtschaft. Das wäre eine brauchbare Perspektive für das Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit wäre ein Ende gesetzt, ein Ende des krampfhaften Versuches, sich großen Konzernen als willenloser Dienstleister anzudienen. Und es wäre der Beginn einer Öffentlichkeitsarbeit, die dem Anspruch des führenden Züchtungsstandortes Deutschland angemessen wäre.