Protokoll der Sitzung vom 22.02.2013

Als Parlamentarier habe ich allerdings Bedenken hinsichtlich Ihres Herangehens und Ihres Antrages. Auch in meiner Partei gibt es Mehrheitsbeschlüsse zum Austritt aus der Massenproduktion

bzw. aus dem Massenanbau und zur Nichtanwendung von GVO-Pflanzen.

Das Thema des zur Debatte stehenden Antrags ist, wie wir alle wissen, von großem öffentlichem Interesse. Auch das Hohe Haus zeigt das deutlich. So groß wie das Interesse scheint nach wie vor auch der Graben zwischen den Gegnerinnen und Gegnern einerseits und den Befürworterinnen und Befürwortern der Agro-Gentechnik andererseits zu sein.

Just in diesem Moment erhalten wir diese kleine nette Broschüre des „Forums Grüne Vernunft“ mit dem Titel „Erkenntnisse eines Feldzerstörers“.

(Der Redner hält eine Broschüre hoch)

Ein Schelm, wer Böses dabei denken sollte.

Es ist in Tat so, wie es der Antrag auf den Punkt bringt, dass in der Vergangenheit seitens des Landes trotz Bedenken und Ablehnung in der Bevölkerung enorm in die Entwicklung der Agro-Gentechnik investiert worden ist.

Seit Jahren hat sich Sachsen-Anhalt auf einen Weg bzw. auf einen Mitteleinsatz versteift, der im Hinblick auf seine Höhe und seine inhaltliche Ausrichtung in keinem Verhältnis zu der breiten gesellschaftlichen Ablehnung dieser - aus meiner Sicht - Risikotechnologie steht.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir wollen Wissenschaft nicht ausbremsen. Im Gegenteil, das Leben und damit auch die Gene und ihr Zusammenspiel zu erforschen, scheint mir eine für die Menschheit legitime, wenn nicht gar existenzielle Aufgabe zu sein. Hierbei unterscheide ich aber zwischen hoheitlicher Sicht und privatrechtlichem Interesse.

Doch wenn ich die vom damaligen Wirtschaftsminister Rehberger im Einvernehmen mit InnoPlanta losgetretene und bis heute nachwirkende Gentechnikoffensive Sachsen-Anhalts kritisch beleuchte, drängt sich nicht nur mir die Frage auf, was wir erreicht haben. Vor allem muss doch hinterfragt werden, was hier eigentlich geschieht.

Der ursprünglich im Landtag gefundene Kompromiss wurde durch Intransparenz und fehlende Öffentlichkeit zerstört. Die Frage lautet: Forschen wir noch oder testen wir schon?

Im Herzen der Bundesrepublik und im Herzen Europas lässt es sich ohne Hunger leicht diskutieren. Fragen wir einmal einen Reisbauern in Indien, der seine Familie satt bekommen muss und nur das „Angebot“ von Monsanto und Co. erhält und sich damit in eine Falle der Abhängigkeit begibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn der Hunger soll nicht beseitigt werden. Das ist - sehen Sie mir das bitte nach - dem Kapitalismus nicht innewohnend.

Das Land Sachsen-Anhalt gentechnikfrei! Dazu stellt sich mir die Frage: Was bedeutet es im europäischen Kontext, wenn wir diese Insellösung anstreben, wie sie zum Beispiel auch Österreich angestrebt hat? Dort wird mit gentechnikfreien Lebensmitteln geworben.

Die Reihenfolge der Aspekte in Ihrem Antrag sorgt für Bedenken auch in meiner Fraktion. Über die Auswirkungen für die Betroffenen wird nicht erst gesprochen, sondern es wird gleich ein Ausstiegsszenario dargestellt. Ich werbe für eine Überweisung des Antrages in den Agrarausschuss, wie es Kollegin Frederking beantragt hat, um den gesellschaftlichen Diskurs wieder anzuschieben und um, wie es Minister Dr. Aeikens zu Recht forderte, eine Sachdiskussion zu führen.

Allerdings kann ich mir auch eine Kritik an Ihnen, Dr. Aeikens, nicht ersparen. Wenn das ohne Polemik war, würde ich den sprichwörtlichen Besen essen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schon ein Problem, dass 72 % aller Anwendungen bei GVO auf Herbizidresistenzen entfallen. Dabei geht es also nicht um den Hunger in der Welt, sondern es geht um die Abhängigkeit des anwendenden Landwirtes, der das Pflanzenschutzmittel ordern muss. Es geht also um das Geschäft.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wenn wir Forschung und Entwicklung fördern wollen, dann muss man auch an einer Universität keine Angst haben. Es ist schon ein wenig erschreckend, wenn Sie, Herr Dr. Aeikens, einer Professorin unterstellen, sie hätte das nicht unterschreiben sollen. Ich dachte, wir leben in Meinungsfreiheit, aber auch das kann man wohl einschränken.

Für mich ist wichtig, dass Forschung betrieben wird. Man darf diese aber auch konventionell betreiben; das ist richtig. Das dauert zwar länger, aber sie wird akzeptiert. Das ist der feine Unterschied.

Herr Kollege, Ihre Redezeit!

Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident. - Ich habe in meiner Ausbildung von meinen Ausbildern gelehrt bekommen, dass ich mir diese Erde nur von meinen Nachfahren geliehen habe. Das ist für mich der nachhaltige Ansatz.

(Minister Herr Stahlknecht: Vorfahren!)

Wenn wir die Ökologie, die Ökonomie und das Soziale in ihrem Dreiklang durcheinander bringen,

dann entsteht das, was wir tatsächlich haben. Ich werbe nochmals für eine Überweisung des Antrages in den Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Czeke. - Ich darf den nächsten Landwirt ans Rednerpult bitten. Bitte schön, Herr Kollege Daldrup.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag gesehen habe, habe ich gedacht: Meine Güte, wie kann es sein, dass eine Fraktion, die sicherlich den höchsten Anteil an Akademikern aufweist - wahrscheinlich sind Sie alle Akademiker, wenn ich das richtig sehe -, einen Antrag stellt, der die Freiheit von Forschung, von Lehre und von Entwicklung auf diese Art und Weise infrage stellt? Das ist für mich nicht verständlich.

(Zustimmung bei der CDU)

Wie kann es sein, dass eine Fraktion wie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen so intoleranten Antrag stellt? Es ist intolerant, wenn man ein Szenario aufbaut, in dem anderen verboten wird, über Sachfragen zu forschen und zu lehren, über Techniken zu diskutieren und Lösungsansätze für Probleme zu suchen, die wir zweifellos haben. Wie kann das sein?

Wie kann es sein, dass eine Fraktion einen so inhumanen Antrag stellt? Fakt ist, dass der Anteil der Fläche, die für die Ernährung eines Menschen zur Verfügung steht, nicht steigt, sondern eher sinkt.

(Herr Striegel, GRÜNE: Aber dagegen hilft Gentechnik nicht!)

Dagegen hilft nicht nur Gentechnik; dagegen helfen nicht nur gentechnisch veränderte Pflanzen. Sie sind aber ein Teil der Lösung. Sie sind eine Technik, ein Werkzeug.

Als das Auto erfunden wurde, gab es auch noch keine Ampeln und keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Das heißt nichts anderes als: Wenn man eine Technik einführt, muss man anschließend Regeln finden, wie man mit dieser Technik umgeht.

Ich bin gern bereit, über diese Regeln zur Gentechnik zu diskutieren. Darüber kann man diskutieren. Es ist nicht so, dass all das aus der Luft gegriffen ist, etwa was die Abhängigkeit der Bauern von Firmen angeht usw. Das ist ein Problem, aber das hat mit der eigentlichen Frage gentechnologischer Verfahren nichts zu tun. Das ist vielmehr

eine Folge davon. Das ist natürlich eine gesellschaftliche Frage, die wir lösen könnten. Darüber kann man vernünftig diskutieren.

Es ist aber auch spannend, das Ganze in einen Gesamtkontext einzuordnen. Das bezieht sich auf die Frage, welches gesellschaftliche Bild sich hinter diesem Antrag verbirgt. Herr Weihrich hat in der gestrigen Debatte erklärt, dass seine Vorstellung von Bürgerbeteiligung darin besteht, dass man zunächst einmal Verbote und Gebote festlegt und dann die Betroffenen beteiligt.

Dazu sage ich: Das ist falsch herum. Anders herum ist es richtig. Man muss erst mit den Betroffenen reden, um ein vernünftiges, gesellschaftlich akzeptiertes und in der Gesamtheit richtig organisiertes Verfahren zu finden.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Sie sagen jedoch: Wir als GRÜNE bestimmen jetzt, was richtig ist, was man machen darf und was man nicht machen darf und in welchem Ausmaß andere in dieser Gesellschaft Freiheit genießen dürfen. Damit habe ich ein Riesenproblem.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn ich das einmal zu Ende denke und diese drei Tag Revue passieren lasse, dann heißt das nichts anderes als: Wir wollen eine grüne Wiese, auf der Parkwächter sitzen, die ein Grundgehalt beziehen, die von entrechteten Polizisten beschützt und von Besserverdienenden bezahlt werden, die es dann gar nicht mehr gibt. Das ist das, was Sie wollen.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der LINKEN und von den GRÜNEN)

Das ist ein Gesellschaftsbild, mit dem ich mich nicht einverstanden erklären kann.

An dieser Stelle befinden wir uns natürlich schon im Vorwahlkampf. Da die großen Themen der GRÜNEN bereits abgeräumt sind, müssen wir jetzt Themen suchen, die interessant sind, die emotional sind. Ansonsten hätten wir eine andere Diskussion, zum Beispiel auch zur roten Gentechnik, von den GRÜNEN erlebt.

Ich hoffe, dass möglichst viele Abgeordnete diesem Antrag nicht zustimmen, sondern ihn ablehnen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege, es gibt zwei Fragesteller. Möchten Sie darauf eingehen?

Ja. Weil das bisher alle getan haben, tue ich das auch.