Protokoll der Sitzung vom 22.03.2013

- Wunderbar. - Dann stimmen wir jetzt ab. Ich nenne die einzelnen Punkte. Wer Punkt 1 des geänderten Antrages zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist das gesamte Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit ist Punkt 1 beschlossen worden.

Wer stimmt Punkt 2 zu? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist Punkt 2 beschlossen worden.

Wer stimmt Punkt 3 zu? - Das ist wieder das gesamte Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit ist Punkt 3 beschlossen worden.

Wer stimmt Punkt 4 zu? - Das ist wieder das gesamte Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Punkt 4 wurde beschlossen.

Wer stimmt Punkt 5 zu? - Auch diesmal ist es wieder das gesamte Haus. Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Punkt 5 wurde beschlossen. Damit ist dem Antrag in der geänderten Fassung mehrheitlich zugestimmt worden. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 15 abgearbeitet.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Erste Beratung

Nichtschülerprüfungen zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum staatlich anerkannten Erzieher

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1890

Einbringerin ist Frau Hohmann. Sie hat das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Personen, die nicht mehr Schülerin oder Schüler einer allgemeinbildenden oder einer berufsbildenden Schule bzw. einer Abendklasse sind, können durch eine sogenannte Nichtschülerprüfung einen staatlichen Abschluss erwerben.

Bei der Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum staatlich anerkannten Erzieher darf nur an einer Fachschule eine solche Prüfung abgenommen werden. Darauf bereiten zum Beispiel Bildungsträger ihre Kursteilnehmerinnen vor. Um dann das geforderte Abschlusszeugnis der berufsbildenden Schule zu erhalten, müssen drei schriftliche und bis zu elf mündliche Prüfungen abgelegt werden.

In Sachsen-Anhalt haben wir seit zwei Jahren bei dieser Art von Prüfung einen sehr hohen Anteil von Nichtschülerinnen, die durchfallen. Fast jede zweite Teilnehmerin schafft die Prüfung nicht. Schaut man sich dagegen das Ergebnis im Jahr 2010 an, als noch 93 % der Teilnehmerinnen die Prüfung meisterten, kann man sich wohl fragen, warum wir in den Jahren 2011 und 2012 einen so starken Einbruch verzeichnen. Dieser Frage sind wir nachgegangen. Wir haben mit den beteiligten Akteurinnen gesprochen.

Aus der Sicht der berufsbildenden Schulen ist eine erhöhte Anzahl an Nichtschülerinnen, welche zum Teil die erforderlichen Voraussetzungen nicht mitbringen, eine Ursache. Spricht man dagegen mit den Bildungsträgern, die auf die Nichtschülerprüfung vorbereiten, so kritisieren sie das Prüfungsverfahren.

Man muss wissen, dass es seit zwei Jahren eine Veränderung bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben gibt. Vorher mussten die Lehrerinnen Prüfungsaufgaben erarbeiten; im Erwartungshorizont notierten sie lediglich Stichpunkte der möglichen Antworten. Nun wurde dieses Verfahren seitens des Landesschulamts verändert. Das heißt, der Erwartungshorizont muss präziser und klar ausformuliert sein.

Das Ganze paart sich nun offenbar oft mit einer recht formalistischen Anwendung. Passt die Antwort des Prüflings nicht genau in das Raster, ist nicht deckungsgleich mit dem formulierten Erwartungshorizont, gibt es keinen Punkt.

Des Weiteren beklagen Bildungsträger, dass die Lehrerinnen in den berufsbildenden Schulen nur ungern die Prüfungen abnehmen, da sie hierfür keine ausreichenden Abminderungsstunden erhalten und die erforderlichen Mehraufwendungen während ihrer Arbeitszeit erledigen müssen.

Außerdem hat sich vor zwei Jahren sowohl personell als auch lokal ein Wechsel der Zuständigkeit im Landesschulamt bzw. im Landesverwaltungsamt vollzogen. Zuständig für diesen Bereich ist nicht mehr die Stelle in Magdeburg, sondern die Stelle in Halle.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht das Szenario der Guten und der Bösen aufmachen. Uns liegt vielmehr daran, diesen Konflikt aufzubrechen und mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen.

Gerade im Hinblick auf die Einführung des neuen Kinderförderungsgesetzes haben wir hierfür eine hohe Verantwortung. Nach unseren Berechnungen werden wir zumindest bis zum Jahr 2016 in eine erhebliche Mangelsituation bei den Fachkräften geraten.

Nach dem Zahlenmaterial des Ministeriums brauchen die Kitas zur Umsetzung des neuen KiFöG im Jahr 2016 fast 1 400 Erzieherinnen und Erzieher mehr als heute. Mehr als 600 Kolleginnen werden bis dahin aus Altersgründen ausscheiden.

Legt man neben diese Zahlen die voraussichtlichen Absolventenzahlen der Fachschulen - und zwar ohne die Nichtschüler -, dann stellt man fest, dass ein Mangel von deutlich mehr als 600 Fachkräften entstehen wird. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger werden also dringend gebraucht.

Die Arbeitsagenturen und die Jobcenter haben reagiert. Für das Jahr 2013 wurden in ihrer Bildungszielplanung mehr als 200 Erzieherstellen mit Bildungsgutscheinen beworben.

Zum Vergleich: In den Jahren 2004 bis 2012 gab es in Sachsen-Anhalt rund 150 Personen aus den Rechtskreisen der Sozialgesetzbücher II und III, die an den Vorbereitungslehrgängen teilgenommen haben. Wenn ich nun an den großen Anteil derer denke, die die Prüfung nach zwei Jahren intensiver Vorbereitung nicht schaffen, dann muss ich sagen: Das ist kein gutes Startsignal für diese Bewerberinnen.

Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu: die Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Nichtschülerprüfung. Die Verordnung über die berufsbildenden Schulen, konkret der darin enthaltene § 28 regelt, wer zugelassen wird und wer nicht. Wenn dann zum Beispiel bei den Jobcentern von Magdeburg und im Jerichower Land zu lesen ist, wer sich eignet - ich zitiere: „alle Berufsgruppen bei persönlicher und gesundheitlicher Eignung und regionaler Mobilität“ -, handelt es sich hierbei aus unserer Sicht um ein Vortäuschen falscher Tatsachen oder schlichtweg um Unkenntnis. Es gilt, diesbezüglich schnellstmöglich Klarheit zu schaffen.

Diese Klarheit nützt den Migranten und Migrantinnen in dem ESF-geförderten Projekt „Yes, you

can!“, die auf die Nichtschülerprüfung zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum staatlich anerkannten Erzieher vorbereitet wurden, leider nicht mehr. Von acht diplomierten Teilnehmerinnen wurden in diesem Jahr nur zwei zu den Prüfungen zugelassen. Im letzten Jahr war es ähnlich. Wenn man sich die Quote derer, die die Prüfung in den letzten zwei Jahren bestanden haben, ansieht, bekommt das Ganze einen bitteren Beigeschmack.

Übrigens wurden für den Vorbereitungslehrgang auf die Abschlussprüfung für jede Teilnehmerin Mittel in Höhe von ca. 10 000 € aus dem ESF bereitgestellt.

Unter den nicht zugelassenen Teilnehmerinnen waren auch Lehrerinnen und Erzieherinnen. Das Projekt lief vom 1. September 2010 bis zum 28. Februar 2013 und richtete sich an Migrantinnen und Migranten mit einem ausländischen akademischen Abschluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte anhand weiterer Beispiele, die uns zur Verfügung gestellt wurden, aufzeigen, wie Verwaltungshandeln bei der Zulassung zur Nichtschülerprüfung greift.

Das erste Beispiel: Eine Diplomlehrerin mit dreijähriger Berufserfahrung als Grundschullehrerin erhielt eine Absage mit der Begründung, die Lehrertätigkeit werde nicht als pädagogische Tätigkeit anerkannt,

(Frau Mittendorf, SPD, lacht)

da Lehrer einen Bildungsauftrag und keinen Erziehungsauftrag hätten.

Ein zweites Beispiel: Eine Teilnehmerin mit Fachhochschulreife und einjähriger beruflicher Tätigkeit als Praktikantin in einer privaten Kindereinrichtung, in einer Tagespflege, bekam eine Absage mit der Begründung, eine private Kindereinrichtung sei nicht mit einem Kindergarten nach dem KiFöG gleichzusetzen.

Ein drittes Beispiel: Eine Teilnehmerin mit einem Realschulabschluss, die mehrere Jahre bei einem privaten Bildungsträger in der Berufsorientierung mit Schülerinnen und Schülern der 6. und 7. Klasse gearbeitet hat, wurde eine Absage mit der Begründung erteilt, Tätigkeiten mit Schülern seien keine pädagogischen Arbeiten.

Diese Beispiele sollen verdeutlichen, wie Verwaltungshandeln umgesetzt wird. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber wo steht denn, bitte schön, geschrieben, dass die geforderte einjährige sozialpädagogische Tätigkeit in einer sozialpädagogischen Einrichtung nur in Deutschland und nur mit Kleinstkindern erbracht werden kann? Unter Umständen muss darüber nachgedacht werden, ob die Verordnung über berufsbildende Schulen, die die Kriterien bestimmt, noch zeitgemäß und genügend flexibel ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zusammenfassend können wir feststellen, dass das Thema der Nichtschülerprüfungen zur staatlich anerkannten Erzieherin/zum staatlich anerkannten Erzieher äußerst brisant ist. Dieser Sachverhalt ist auch in anderen Bundesländern nicht neu. Doch diese Länder haben sich auf den Weg gemacht, um Lösungen zu finden. Ein erster Schritt war die Einberufung eines Treffens aller am Prozess Beteiligten.

Die Ergebnisse der letzten zwei Jahre hier im Land müssen gemeinsam analysiert werden. Was hat zu der deutlich angestiegenen Misserfolgsquote beigetragen?

Ich möchte hier nochmals betonen: Wir wollen niemandem einseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Wir möchten unseren Antrag auch nicht dahin gehend missverstanden wissen, dass wir eine Reduzierung qualitativer Standards befürworteten.

Wir halten es angesichts des Fachkräftebedarfs vor allem in den Kindertagesstätten für dringend geboten, die Regelungen für die sogenannten Nichtschülerprüfungen zu überprüfen und zu überarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ergebnisse und die Schlussfolgerungen der gemeinsamen Beratungen sollen den Ausschüssen für Bildung und Kultur sowie für Arbeit und Soziales noch im ersten Halbjahr 2013 vorgelegt werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung des Antrags, Frau Hohmann. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dorgerloh das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der Anmeldungen zur Nichtschülerprüfung - was für ein schönes Wort in diesem Kontext - für den Erwerb des Abschlusses „Staatlich anerkannte Erzieherin/Staatlich anerkannter Erzieher“ hat aufgrund des gesetzlich verankerten Rechtsanspruchs auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung erheblich zugenommen. Das haben wir eben schon gehört. Das sei hier noch einmal bestätigt.

Die Nichtschülerprüfung ist eine externe Prüfung und gilt in der Regel als Ausnahmefall, sofern eine Ausbildung auf dem regulären Weg nicht möglich ist. Auch das sollten wir uns in Erinnerung rufen, wenn wir über dieses Thema sprechen.

(Zustimmung von Frau Gorr, CDU)

Nichtschülerprüfungen gibt es sowohl für den Erwerb von allgemeinbildenden Abschlüssen als auch für den Erwerb von beruflichen Abschlüssen. Die Teilnehmenden besuchen also keinen Bildungsgang in einer Schule, sondern die Vorbereitung auf die Prüfung obliegt ihnen selbst, zum Beispiel durch Selbststudium oder durch den Besuch eines Vorbereitungskurses.

Die Kurse zur Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung zum Erwerb des Abschlusses „Staatlich anerkannte Erzieherin/Staatlich anerkannter Erzieher“ werden derzeit bei freien Trägern durchgeführt und aufgrund des Fachkräftebedarfs durch die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen durch die Vergabe von Bildungsgutscheinen intensiv gefördert. Das heißt, wir haben freie Träger am Start, die sich dieser Aufgabe widmen.

Das Kultusministerium hat keinen Einfluss darauf, wie und in welchem Umfang sich die Bewerberinnen und Bewerber auf die Nichtschülerprüfung vorbereiten, und auch nicht auf die bei den freien Trägern in den jeweiligen Vorbereitungskursen vermittelten Inhalte. Das heißt, wir haben es nicht mit zertifizierten Kursen oder Angeboten zu tun. Es findet auch keine Qualitätssicherung seitens des Ministeriums statt. Wenn man ganz tief hineinschauen will, dann müsste man sich natürlich auch solche Bereiche anschauen, wenn man das überhaupt kann und will.

(Zustimmung von Frau Gorr, CDU)