Die Zahlen stehen alle nebeneinander. Nichts funktioniert, keine Logik. Es quietscht und kracht an allen Ecken und Enden. Die Dinge sind hanebüchen.
Und das war die Entscheidungsgrundlage für das Kabinett. Das ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dabei ist die grundlegende Annahme, wir werden demnächst viel weniger Studenten haben. Herr Lange hatte letztes Mal Herrn Bullerjahn gefragt, er hat auf die CHE-Studie verwiesen und hat gesagt, viel weniger. Da haben wir nachgeguckt, die CHE-Studie sagt genau das Gegenteil aus, nämlich dass die Studentenzahlen für die nächsten Jahre im Wesentlichen stabil bleiben werden.
Jetzt haben wir in dieser Kabinettsvorlage, die zur Debatte steht, eine ganz wesentliche Grundlage: Wir können in den Hochschulen einsparen, weil wir permanent weniger Studenten in den nächsten Jahren haben werden. Diese Annahme stimmt nicht, es sei denn, man steuert bewusst gegen und will sie bewusst nicht hier haben.
Dann lesen wir auf einmal, am Dienstag hat die Fraktion der SPD einen Beschluss gefasst, dauerhaft 55 000 Studenten als Planungsgrundlage. Wer stimmt zu? Der Kollege Bullerjahn. Der Kollege Bullerjahn hat damit ganz wesentlich die eigentliche Grundlage des Kabinettsbeschlusses zu diesem Ministerium gerade wieder wegbeschlossen.
Wissen Sie, und das bereden wir alles, ohne dass im Juni - denn erst im Juni soll es vorliegen - die von der Landesregierung in Auftrag gegebene Evaluierung der Wissenschafts- und Hochschullandschaft überhaupt vorliegt. Wir beschließen schon einmal, was wir und wie viel wir kürzen können und wissen noch nicht einmal, was der Wissenschaftsrat zu all den Dingen sagt, und zwar im Auftrag der Landesregierung.
Dazu sage ich Ihnen noch einmal ganz klar: Offensichtlich stört die Sachkenntnis und die Sachlogik einer Frau Wolff, offensichtlich stört die Sachlogik und die Sachkenntnis eines Wissenschaftsrates die politische Logik dieses Kabinetts.
Aber ich sage Ihnen aus der Erfahrung der Geschichte: Eine politische Logik, die sich der Sachkenntnis entzieht, wird irgendwann scheitern, und zwar brachial, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich komme zum Ende. Ich habe mich bei der Kabinettsvorlage nur auf einen ganz kleinen Bereich konzentriert. In den anderen Bereichen sieht es vermutlich nicht anders aus.
Diese Kabinettsvorlage ist Ausdruck falscher Politikziele und eines falschen Politikverständnisses. Sie gefährdet substanzielle Entwicklungen in diesem Land. Deswegen muss sie Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte und auch Gegenstand des gesellschaftlichen Widerstands werden. Wenn dies in dieser Koalition nicht mehr möglich ist, dann muss sich dieser Widerstand gegen diese Koalition richten. - Danke.
Vielen Dank, Herr Kollege Gallert. - Als Nächster spricht für die Landesregierung der Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Aktuelle Debatte ist eine Chance, eine Position der Landesregierung zu vertreten, die in allen grundsätzlichen Positionen, die derzeit formulierbar sind, mit den Koalitionsfraktionen abgestimmt ist, und auch, um rüberzubringen, dass wir in einem Prozess sind, der läuft und der mit verschiedenen Zwischenschritten, über die Haushaltsklausur, über die Steuerschätzung sowie über weitere Abstimmungen in Landesregierung und Koalition, zu einem im Landtag vorlegbaren Haushaltsplanentwurf führen wird, der dann in aller Zuständigkeit in diesem Landtag zu behandeln ist.
Das ist erst einmal die aktuelle Situation. Ich möchte kurz etwas dazu sagen, wie die Situation aus der Sicht des Kabinetts und der Landesregierung, der ich vorstehe, derzeit zu bewerten ist.
Wir haben zum ersten Mal eine Befundlage zur Situation in unserem Land, die in dieser Differenziertheit noch nie vorgelegen hat, sowohl im Hinblick auf die Analyse der Vergangenheit, auf die Konsequenzen daraus, auf den Ist-Stand von Einnahmen und Ausgaben als auch im Hinblick auf die zu erwartenden Prognosen.
Herr Gallert, in diesem Zusammenhang sind alle Eventualitäten, auch im Sinne dessen, dass man sich im Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland über die dann zuständige und durch den Wähler legitimierte Bundesregierung sicherlich verschiedene Variationsbreiten vorstellen kann, berücksichtigt, sogar Parteiprogramme von konkurrierenden Parteien, die im Bundestagswahlkampf im Wettbewerb stehen.
Trotzdem kommen wir an einer Feststellung nicht vorbei: Wir sind das Land, das in Deutschland derzeit am meisten pro Einwohner ausgibt.
Das ist die Konsequenz aus 23 Jahren. Das ist die Konsequenz aus einer besonderen Situation, die wir im Lande Sachsen-Anhalt hatten. Ich habe früher andere Tätigkeiten wahrgenommen und habe existenziell erleben können, an welchen Stellen auch die Unterschiede zu anderen Bundesländern, die 1990 der Bundesrepublik beigetreten sind, liegen. Wir hatten den schwierigsten Anfang. Jede Landesregierung - dabei bin ich ganz fair - hatte seit 1990 ganz harte Herausforderungen zu bewältigen und Entscheidungen zu treffen.
Die jeweilige Landesregierung hat vieles versucht, hat an verschiedenen Stellen auch viel Misserfolg einstecken müssen. Wir haben erstmalig versucht, einen Transformationsprozess zu organisieren. Aber der Blick - das gestehe ich jeder Konstellation zu, die seitdem regiert hat - war stets darauf gerichtet, wie wir diesen Prozess für die Menschen so erträglich wie möglich gestalten können, wie wir Beschäftigung sichern können und wie wir das Land so aufbauen können, dass Sachsen-Anhalt eine Zukunft hat und aufschließt auf die Länder, die 1990 grundsätzlich bessere Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Infrastruktur hatten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Demzufolge finden wir in den Haushalten nicht nur viele Sonderposten wieder, die andere nicht in dieser Form brauchen oder auf die sie durch bewusste politische Entscheidungen verzichtet haben. Es sind auch Dinge dabei, die unabweisbar waren, die aber heute zu einem insgesamt existenten Schuldenstand in Höhe von rund 21 Milliarden € führen. Damit sind wir bezüglich der vergleichbaren Flä
chenländer und der prognostizierbaren und aktuellen Einnahmesituation in einem einzigartigen Dilemma, das uns am Anfang dieser Legislaturperiode in der Koalition auch beim Verhandeln des Koalitionsvertrages wohl bewusst war.
Wir haben uns damals vorgenommen, dass wir dieses Problem dahin gehend auflösen, dass wir auf der einen Seite trotzdem Politik gestalten wollen, uns nicht in die Defensive drängen lassen wollen, nicht depressiv werden, weil die Spielräume deutlich geringer sind als anderswo, und uns trotzdem auf der anderen Seite klar auf einen Konsolidierungskurs verständigen, der unabweisbar ist, damit wir selber weiterhin Politik gestalten können.
Folgendes muss ich im Hinblick auf die bisher zugrunde gelegten Daten für die Kabinettsbeschlüsse und den aktuellen Kabinettsbeschluss sagen: Nach wie vor ist das eine Schön-Wetter-Variante, die eingebucht wurde, in der Hoffnung, dass uns die Gesamtentwicklung nicht die Zinsen nach oben treibt, obwohl das aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung durchaus der Fall sein könnte, dass keine weitere Rezession oder Ähnliches die Einnahmen verhagelt und dass wir insgesamt in der Lage sind, das, was wir einnahmeseitig prognostiziert haben, auch sukzessive zu erhalten.
Trotzdem sind wir ein Konsolidierungsland und erhalten Konsolidierungshilfen in Höhe von 80 Millionen € vom Bund und von anderen Ländern mit der klaren Auflage, weil wir in der schwierigsten Situation aller Bundesländer sind, dass wir unsere Strukturanpassungen mit dieser Förderung offensiv betreiben. Das haben wir vor, sehr geehrte Damen und Herren.
Mit Augenmaß haben wir 40 Punkte beschlossen, auf welchen Wegen wir auf der einen Seite prüfen, aber auf der anderen Seite auch handeln wollen. Es gibt Felder, bei denen wir im Benchmarking mit anderen Ländern und vor allem im Vergleich zu den Vergleichsbundesländern - das sind Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und die ostdeutschen Bundesländer - deutlich drüber liegen.
Ich möchte die Faktenlage mit drei Angaben deutlich machen. Ich möchte nicht zu viel Statistik anführen; denn bestimmte Dinge werde ich in einer Regierungserklärung im Juni noch deutlicher ausführen. Wir sind derzeit bei einem Ausgabenniveau von 130 % der alten Bundesländer. Das Ausgabenniveau der anderen vergleichbaren ostdeutschen Länder liegt zwischen 110 % und 115 % der alten Bundesländer. Somit sind die vergleichbaren ostdeutschen Länder im Konsolidierungskurs weit vorangeschritten.
Wir haben bis 2019 eine Schere im Haushalt einzufangen, die sich nur für unseren Landeshaushalt auf eine Größe von 1,6 Milliarden € erstreckt. Zu
Ich sage Ihnen, das ist nicht so einfach zu machen und nicht fünf Minuten vor der Angst zu realisieren; denn bestimmte Prozesse müssen Schritt für Schritt und Kalenderjahr für Kalenderjahr durchgeführt werden. Die Weichen müssen frühzeitig gestellt werden. Viele, auch der Präsident des Landesrechnungshofes, sagen, Sachsen-Anhalt sei zu spät. Das ist so. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir überhaupt nicht rangehen. Wir werden rangehen.
Es wird ein Prozess sein, der sehr kooperativ im Dialog mit allen Partnern durchgeführt wird. Als Basis dafür steht ein Kabinettsbeschluss, der über Wochen und Monate auf der Grundlage dessen, was der Finanzminister erstmalig eingebracht hat, bei uns diskutiert wurde. Wir haben uns in schwierigen Anhörungsprozessen, sogar mit Unterbrechungen in der Abarbeitungsliste, darauf verständigt, dass wir die Schlussvariante in das Kabinett einbringen und uns noch einmal eine weitere Woche der Diskussion zumuten, dann aber mit einem Auftragspaket losmarschieren, das wir möglichst einstimmig beschließen.
Und wir haben es einstimmig beschlossen nach harter, intensiver Diskussion mit vielen vorgeschalteten Einzelgesprächen usw. Die Konsequenz dieses Pakets können Sie auf diesen beiden Kabinettsbänken namentlich personifiziert aufrufen.
Dort hinten sitzt Kollege Bischoff, der in den nächsten Monaten und Jahren im Bereich der Eingliederungshilfe, der ständig steigenden Sozialhilfe und bestimmter Leistungen, die wir deutlich über dem ostdeutschen und bundesdeutschen Durchschnitt an soziale Gruppen leisten, mit großen Schwierigkeiten entsprechende Korrekturen vornehmen muss, zumindest bis auf das Niveau der anderen Bundesländer.
Dort sitzt Kollege Robra, der derzeit ein politisches Versprechen von Bund und Land in Sinne der Breitbanderschließung - existenziell für unser Land - nicht finanziert sieht.
Dort sitzt Kollege Aeikens, der beim Deichbau, bei der einzelbetrieblichen Förderung in der Landwirtschaft und bei anderen Dingen Entscheidungen treffen muss, die hochproblematisch und höchst schwierig sind.
Dort setzt der Kollege Stahlknecht, der klar machen muss, dass Polizeistrukturen auch dann funktionieren, wenn wir nur mit dem Polizeibesatz arbeiten, mit dem alle anderen Bundesländer schon viele Jahre lang erfolgreich Sicherheitspolitik betreiben.
Dort sitzt Kollege Bullerjahn, der diesen ganzen Bereich Finanzen ressortübergreifend aufgrund von Daten so steuern muss, dass er mit seinen Prognosen möglichst richtig liegt. Was die letzte Steuerschätzung sowie die Einnahmen und Ausgaben betraf, lag er richtig. Er ist auf einem Kurs, der von mir gestützt wird, weil er das in meinem Auftrag macht.
Dort sitzt Kollege Möllring. Ich bitte darum, ihm eine Chance zu geben, weil es mein Vorschlag ist. Ich habe diese Entscheidung getroffen. Er ist ein guter Minister. Er hat in seinem Leben gezeigt, dass er hervorragend arbeitet und diesem Land gut tun wird.
Er muss den Wirtschaftsunternehmen sagen, dass 25 % weniger an Förderung ausgereicht werden, dass an verschiedenen Stellen bestimmte Sachen auch in der Infrastruktur, die schon fast zugesagt waren, nicht so laufen können, weil das Geld nicht vorhanden ist.
- Lassen Sie mich bitte ausreden. - Er muss sich hinstellen und sagen: Ja, wir passen das Schulsystem an das System an, das andere Länder bereits realisiert haben. Das ist schmerzhaft. Das ist mühsam. Es ist auch für die Koalitionsfraktionen und die Abgeordneten schwierig zu erläutern, dass Schulen geschlossen werden müssen. Das ist kein Pappenstiel. Es sind aber keine Alternativen vorhanden und andere haben es auch geschafft mit den gleichen finanziellen Aufwendungen, die auch wir nur zur Verfügung haben.
Dort sitzt Kollege Webel, der gerade in Sachsen sieht, dass man dort wegen einer besseren Finanzsituation, die man über viele Jahre herbeigeführt hat, ein Sonderprogramm zur Schlaglochaufarbeitung nach dem Winter auflegen kann. Davon kann Herr Webel momentan nur träumen. Bei uns müssen Brücken gesperrt werden und bestimmte andere Dinge funktionieren auch nicht mehr.
Kollegin Kolb hat Bundesfestlegungen zu Standards zu finanzieren, die vor Jahren noch gar nicht vorhersehbar waren. Trotzdem muss sie sehen, wie sie mit diesem Haushalt klarkommt.
Ich könnte das noch für viele andere Bereiche fortsetzen. Warum sage ich das? Weil wir uns alle in diesem Kabinett