Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Die Weltbevölkerung hat im vergangenen Oktober die Marke von sieben Milliarden Menschen überschritten. Annähernd eine Milliarde Menschen leiden weltweit an Hunger. Bis 2050 wird ein Anstieg der Weltbevölkerung auf über neun Milliarden Menschen erwartet. Um eine Unterversorgung der Menschheit zu verhindern, so die UN-Ernährungsorganisation FAO, müsste die landwirtschaftliche Produktion weltweit verdoppelt werden.

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen bin ich froh, dass unsere Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt stark, leistungsfähig und nachhaltig ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Der Agrarsektor bei uns in Sachsen-Anhalt hat sich seit der Wende hervorragend entwickelt. An dieser Stelle danke ich den Bäuerinnen und Bauern für ihre harte, engagierte und erfolgreiche Arbeit.

Ein Landwirt in Deutschland ernährt heute ca. 130 Menschen. Im Jahr 1950 waren es nur zehn. Das zeigt, welch enormen Produktivitätssprung der Sektor vollzogen hat.

Die deutsche Land- und Forstwirtschaft und die Fischerei schufen im Jahr 2011 einen Produktionswert von 53 Milliarden €. Damit übertrafen sie unter anderem die pharmazeutische Industrie.

2,6 % der Bruttowertschöpfung Sachsen-Anhalts - wir werden an dieser Stelle noch von Mecklenburg-Vorpommern übertroffen - entfielen im Jahr 2012 auf die Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei. In einigen Kreisen wie Salzwedel, Bördekreis und Stendal sind es sogar über 10 %.

Wir haben Dörfer und Regionen, in denen neben der Land- und Forstwirtschaft kein anderes Unternehmen wirtschaftet. Land- und Forstwirtschaft entfalten in Sachsen-Anhalt ein bedeutendes Arbeitsplatzpotenzial. Mehr als 25 000 Arbeitsplätze zählt die Landwirtschaft in unserem Bundesland.

Hinzu kommen Beschäftigte aus den vor- und nachgelagerten Bereichen. Allein in der Nahrungsmittelindustrie sind es mehr als 20 000 Arbeitsplätze. Mit einem landwirtschaftlichen Arbeitsplatz sind sieben weitere in den vor- und nachgelagerten Bereichen verbunden.

Die Clusterstudie „Forst und Holz Sachsen-Anhalt“ ermittelte 18 000 Beschäftigte im Cluster Forst. Auch deswegen lohnt es sich, wenn wir uns gemeinsam für eine weitere Stärkung unserer Land- und Forstwirtschaft einsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall im ganzen Hause)

86 % der Landesfläche werden durch Land- und Forstwirte bewirtschaftet. Damit übernehmen sie

eine besondere Verantwortung für unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Land- und Forstwirtschaft sind prägend für unser Land.

Ich begrüße es, wenn im Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion Aspekte der Gesundheit, des Umweltschutzes und des verantwortungsvollen Umgangs mit der Schöpfung verstärkt beachtet werden.

Heutzutage kann der Verbraucher auf eine ungeheuere Produktvielfalt zurückgreifen. Er kann Ökoprodukte kaufen. Er kann Milchprodukte, Fleisch- und Wurstwaren kaufen, die von Tieren stammen, die besonders artgerecht gehalten wurden. Er kann Produkte aus der Region kaufen.

Doch leider ist für die Mehrheit der Konsumenten immer noch der Preis das ausschlaggebende Kaufkriterium. Nur 11,5 % der Verbraucherausgaben fließen in Nahrungsmittel. Auch aus diesem Grund wünsche ich mir für diese Diskussion neben den sicher verständlichen Emotionen die erforderliche Ehrlichkeit.

Auch die Forstwirtschaft steht in einem Spannungsfeld. Sie muss in langfristigen Zeitspannen agieren und trotzdem kurzfristig reagieren. Wald war und ist kein statischer Zustand. Leider wird das Wirtschaften im Wald von Einzelnen gelegentlich auch als störend empfunden. Auch an dieser Stelle ist das Wissen um fachliche Zusammenhänge eine wichtige Grundlage der öffentlichen Diskussion.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei uns in Sachsen-Anhalt wird der Wald nachhaltig bewirtschaftet. Das heißt, wir schlagen deutlich weniger Holz ein als nachwächst. Die Waldfläche in Sachsen-Anhalt hat sich seit der Wende um mehr als 20 000 ha erhöht. Im Mai wird der fünfhunderttausendste Hektar gepflanzt. Auch den Forstwirten danke ich ausdrücklich für ihre nicht immer einfache Arbeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wir haben verantwortungsbewusste Land- und Forstwirte, die den Spagat zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedürfnissen bewältigen.

Leider gibt es auch Probleme, zum Beispiel in der Nahrungsmittelproduktion. Verschiedene Vorkommnisse im Bereich der Lebens- und Futtermittel der vergangenen Monate sind uns allen noch in deutlicher Erinnerung. Wir müssen an dieser Stelle die kriminelle Spreu vom Weizen der Anständigen trennen. Schwarze Schafe dürfen nicht dazu führen, dass eine gesamte Branche in Verruf gerät.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU)

Der strafrechtliche Rahmen muss mit aller Konsequenz genutzt werden. Insbesondere Über

wachungs- und Kontrollstrukturen gegen grenzüberschreitende Kriminalität sind noch effektiver auszugestalten.

Die Agrarministerkonferenz hat sich am 12. April 2013 auf ihrer Frühjahrstagung in Bayern mit den Konsequenzen aus den Lebensmittel- und Futtermittelvorfällen befasst. Gemeinsam mit dem Kollegen Bischoff will ich auch in Sachsen-Anhalt die Empfehlung aus dieser Konferenz umsetzen, insbesondere die Kontrolle überregional tätiger Lebens- und Futtermittelunternehmen weiter zu verbessern.

Sorge bereitet mir, wie über die Ausrichtung unserer Land- und Forstwirtschaft stark vereinfachend und polarisierend diskutiert wird. Klein ist gut und groß ist schlecht. Gerade bei der Tierhaltung wird der Begriff Masse in die negative Ecke gedrängt.

Aber die Frage „Was ist Masse?“ wird wahrscheinlich jeder anders beantworten. In der kleinen Schweiz ist Zürich mit 376 000 Einwohnern eine Metropole. Im großen China wäre es nicht einmal eine Provinzhauptstadt.

Auch in der Tierhaltung ist es schwierig, eine sachgerechte Definition für Größe zu finden, die allseits Akzeptanz findet. Diesbezüglich wünsche ich mir die notwendige ausgewogene Ernsthaftigkeit. Ist Größe unser Diskussionsgegenstand oder geht es nicht vielmehr um das Tierwohl, die Qualität der Produkte, die Umweltauswirkungen von Anlagen?

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

In einem staubigen, dunklen Anbindestall, in dem zehn Kühe an ihren Ketten rasseln, ganzjährig angebunden sind, kann sich das Tier nicht wohler fühlen als in einem modernen, hellen Laufstall mit 250 Kühen und viel Bewegungsfreiheit.

Das heißt, die Reduzierung der Diskussion ausschließlich auf die Größe ist der falsche Ansatz. Es wäre jedoch auch zu einfach, die gesellschaftlichen Forderungen nur mit mangelnder Sachkenntnis abzutun. Wir brauchen einen ehrlichen Dialog zwischen Erzeugern und Verbrauchern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Neben Bayern und Niedersachsen war SachsenAnhalt eines der ersten Bundesländer, das diesen gesellschaftlichen Dialog gesucht hat. Unser Forum Nutztierhaltung war dabei ein erster Schritt, um Schwachstellen zu finden und Lösungswege zu ermitteln. Unser Ziel sind gesellschaftlich akzeptierte Lösungen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben wir einen kompetenten Partner an unserer Seite. Unter anderem finanzieren wir dort ein Projekt, das helfen soll, Tierwohl messbar zu machen.

Unser Zentrum für Tierhaltung und Technik in Iden kann uns wesentliche Hilfestellungen geben. Dort bietet sich die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, neue Verfahren zu erproben und die Ergebnisse anschließend zu kommunizieren. Dort zeigen wir landwirtschaftlichen Auszubildenden, gestandenen Landwirten und der breiten Öffentlichkeit moderne Lösungsansätze. Dort bauen wir das Thema Tierwohl sinnvoll in die berufliche Erstausbildung sowie in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Landwirte und landwirtschaftliche Unternehmensberater ein. Dort sind wir mitten in der Praxis.

Iden hat sich in der Fachwelt national und inzwischen auch international einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, dass ich den dort tätigen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich für ihre hervorragende Arbeit herzlich danke.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung bei der LINKEN)

Für unser Ziel, mit beispielhaften Baulösungen in den überbetrieblichen Ausbildungsstätten Demonstrationsobjekte zu schaffen, die dem Stand der Technik entsprechen, werden wir allerdings auch Geld in die Hand nehmen müssen.

Wir wollen unseren tierhaltenden Betrieben auf dem Weg zu mehr Tierwohl helfen. SachsenAnhalt stärkt neben der Grundförderung investive Maßnahmen für besonders tiergerechte Haltung. In der nächsten Förderperiode wollen wir besonders tiergerechte Haltungsformen zusätzlich im Rahmen der markt- und standortangepassten Landwirtschaft unterstützen.

Es reicht aber nicht, nur etwas für das Tierwohl zu tun. Wir müssen dies auch aktiv kommunizieren und wir müssen die Verbraucher dabei mitnehmen.

Ein Schlüsselbegriff ist für mich dabei Transparenz - nicht nur beim Produkt, sondern auch beim Prozess. Verbraucher müssen sich bei ihrer Kaufentscheidung darauf verlassen können, dass in einem Lebensmittel das drin ist, was drauf steht.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! An einer ehrlichen und umfassenden Transparenz müssen wir alle arbeiten - Politik, Verwaltung, Medien, Erzeuger und Handel. Fakt ist auch: Fortschritte bei der Tierhaltung erreichen wir vor allem, wenn wir die Menschen im ländlichen Raum an unserer Seite haben. An dieser Stelle ist auch der Berufsstand als Motor und Impulsgeber gefragt.

Von daher begrüße ich es, dass der Deutsche Bauernverband ein Leitbild Nutztierhaltung erarbeitet hat und dieses Leitbild im Sommer auf seinem Bauerntag beschließen will.

Wir müssen uns alle selbstkritisch fragen, ob zum Beispiel bei Geflügel nicht zu lange auf die Anpassung der Tiere an die Haltungsbedingungen gesetzt wurde oder warum der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung in Deutschland so hoch ist. Das wirft ein schlechtes Bild auf den Agrarsektor. Ein „Weiter so!“ findet keine gesellschaftliche Akzeptanz. Deshalb wurde und wird weiter wissenschaftlich und in der Folge gesetzgeberisch gehandelt werden müssen.

Moderne Haltungssysteme sichern Tieren artgerechtes Leben und Verbrauchern hochwertige Produkte. Sie entsprechen hohen Umweltstandards und sichern damit den Anwohnern ein intaktes Wohnumfeld. Daran muss sich zeitgemäße Agrarpolitik in Zukunft orientieren.

Wir haben in Sachsen-Anhalt im Jahr 2011 eine strengere und konsequentere Anwendung der geltenden Immissionsschutzvorschriften vorgegeben. In Abhängigkeit von der Anlagengröße und den konkreten Standortbedingungen sind den Betreibern von den Genehmigungsbehörden zusätzliche Emissionsminderungsmaßnahmen vorzuschreiben.

Praktisch hat sich dies in den vergangenen Jahren so ausgewirkt, dass vermehrt Anlagen mit Abluftreinigung ausgerüstet wurden. Die Auswirkungen der Tierhaltung auf unsere Umwelt und Anwohner wollen wir weiter konsequent reduzieren.

Lassen Sie mich zu einem grundlegenden Produktionsfaktor in der Landwirtschaft kommen, nämlich dem Boden. In Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen sucht Kapital einen sicheren Hafen. Angesichts der Aussicht auf stabile Renditen und Wertsteigerung wurde gerade der Bodenmarkt zum Zufluchtsort für Finanzinvestoren.

Allerdings hat der Boden eine ganz besondere Bedeutung. Er ist nicht vermehrbar und nur mit ihm können wir unser tägliches Brot produzieren. Im Osten Deutschlands haben wir dabei großräumige Strukturen und ein im Vergleich zum Westen geringeres Preisniveau. Dies sorgt dafür, dass wir verglichen mit den alten Bundesländern besonders attraktive Anlagebedingungen am Bodenmarkt haben.