Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Ich habe schon von der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter gesprochen. Natürlich ist viel Selbstausbeutung mit dabei. Gerade Promovierende berichten darüber, dass sie die Lehre aufrechterhielten, weil Dauerstellen nicht besetzt seien, dass die Forschung im Wesentlichen durch sie betrieben werde, weil der Professor den nächsten Drittmittelantrag schreiben müsse, und dass das alles weit über das hinausgehe, was in den Arbeitsverträgen stehe.

Ein wesentliches Druckmittel dabei ist die permanente Befristung. Die Mehrzahl der Stellen an den Hochschulen oder, besser gesagt, an den Universitäten - an den Fachhochschulen sieht das anders aus - ist befristet. Dieser Druck wirkt, wie immer wieder berichtet wird. Die Personen, die das betrifft, befinden sich in einer permanenten Abhängigkeit vom Professor. Diese Bedingungen sorgen auch dafür, dass sich junge Leute oft schon gegen eine wissenschaftliche Karriere entscheiden, was unserem Wissenschaftsstandort langfristig schadet.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem hat die Große Anfrage ergeben, dass von diesen Bedingungen überwiegend Frauen betroffen sind. Lag der Anteil der teilzeitbeschäftigten Männer bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern im Jahr 2006 noch bei 21 %, so ist er bis zum Jahr 2011 auf 25 % gestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen von 25 % auf 37 %. Gleichbleibend hoch ist der Anteil der Befristungen: 56 % der Männer und 76 % der Frauen hatten im Jahr 2011 ein befristetes Arbeitsverhältnis.

Meine Damen und Herren! Auch an staatlichen Einrichtungen wie den Hochschulen nimmt prekäre Beschäftigung zu. Sie trifft insbesondere Frauen.

Es ist ein Skandal, dass sich der Staat an diesem gesamtgesellschaftlichen Trend beteiligt.

(Beifall bei der LINKEN)

Prekäre Beschäftigung ist längst kein Phänomen der schlecht Ausgebildeten mehr. Sie kommt zunehmend bei den gut Ausgebildeten an. Der Staat ist hierfür Wegbereiter. Das muss sich ändern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Warum auch der Anteil der befristet Beschäftigten an den Fachhochschulen zunimmt, wird von der Landesregierung nicht weiter erläutert. Es könnte sein, dass mit den Mitteln aus dem Hochschulpakt zunehmend befristete Stellen finanziert wurden, um die Überlast in der Lehre zu kompensieren. Das ist zu diesem Zeitpunkt aber Spekulation, die zu hinterfragen wäre.

Im Hochschulbereich gibt es mit Ausnahme der Professoren eine große und steigende Zahl problematischer Arbeitsverhältnisse. Das ist auch Ausweis dafür, dass ein starker wissenschaftlicher Mittelbau fehlt und dass wissenschaftliche Arbeit fast ausschließlich im Zusammenhang mit der akademischen Gratifikation geleistet oder als temporäre Projektarbeit verstanden wird, nicht aber als längerfristige Profession. Auch die Aufgaben in der Lehre werden so bewältigt.

In dieser Frage nimmt Deutschland eine spezifische Stellung ein, die sehr unterschiedlich bewertet wird. Das hat auch im Landtag schon öfter eine Rolle gespielt. Es muss eine Debatte über die personelle Struktur des Hochschulsystems und über die Entwicklung neuer akademischer Karrierewege geführt werden.

Meine Damen und Herren! Eine Folge des derzeitigen Umbaus ist, dass sich die Betreuungsrelationen bezogen auf Dauerstellen verschlechtert haben. Noch gravierender ist aber die Tatsache, dass die Hochschulen ihr finanzielles Defizit dadurch kompensieren, dass sie hauptberufliches wissenschaftliches Personal durch Lehrbeauftragte ersetzen.

(Zustimmung von Herrn Wagner, DIE LIN- KE)

Nun haben Lehraufträge durchaus ihre Berechtigung. Es können Spitzen abgefangen und kurzzeitige Vertretungen für vakante Stellen in der Lehre abgesichert werden, bei den Fachhochschulen kann eine praxisnahe Ausbildung mit in Nebentätigkeit Lehrenden aus der Wirtschaft angestrebt werden.

Die Landesregierung antwortet aber, dass 13,5 Millionen € nötig wären, um die Pflichtangebote nicht durch Lehraufträge, sondern mit hauptberuflichem wissenschaftlichen Personal abzusichern. Nach § 50 des Landeshochschulgesetzes sollen Lehr

aufträge das Pflichtangebot aber lediglich ergänzen. Eine Hochschule in unserem Land outet sich, indem sie ausdrücklich auf den nicht ausfinanzierten Stellenplan hinweist und damit die hohe Zahl der Lehraufträge begründet.

Meine Damen und Herren! Lehrbeauftragte sind oft Menschen, die einen Lehrauftrag nach dem anderen annehmen und dafür äußert schlecht bezahlt werden. Manchmal treibt das Blüten bis dahin, dass Privatdozenten kostenlos lehren, um ihre anerkannte Lehrbefähigung nicht zu verlieren; denn dann gäbe es keine Chance mehr auf eine Professur.

Meine Damen und Herren! Das ist Ausbeutung auf höchstem Niveau. Das muss sich ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Zahl der Promotionen hat zugenommen. Das ist ein gutes Zeichen. Es gibt auch einige kooperative Promotionsverfahren mit den Fachhochschulen. Wir sollten aber gerade bei dieser Kooperation mehr erwarten. Insbesondere die Universitäten sind gefordert, ihre Promotionsordnungen entsprechend anzupassen.

Weitere Aussagen zur Beschäftigung der Doktorandinnen fallen schwer. Auf den Zahlensalat der Landesregierung komme ich aber noch zu sprechen.

Tenure-Track-Optionen gibt es kaum. Auch darüber haben wir hier schon debattiert. Die sklavische Abhängigkeit vom Professor bis zur Habilitation ist ein System, das sich international längst überholt hat. Es wird Zeit, diese Reform auch in Deutschland durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist auch, dass ein erheblicher Teil derjenigen, die sich qualifizieren, auf Drittmittelstellen sitzt. Zwar ist es erfreulich, dass diese Wissenschaftlerinnen wenigstens eine Stelle haben, aber oftmals bekommen sie nur kurzzeitige Arbeitsverträge.

Aus der Sicht der Landesregierung steht dem wichtigen Ziel, Arbeitsverträge über die Gesamtlaufzeit eines Projektes abzuschließen, oftmals der Haushaltvorbehalt entgegen. Hierbei kann aber gehandelt werden. Darauf zielt unser Antrag ab, über den wir nachher noch sprechen werden.

Lassen Sie mich jedoch bei aller Freude über eingeworbene Drittmittel auch etwas Kritisches zu dieser Umsteuerung im Hochschulsystem sagen. Die zunehmende Abhängigkeit von der Projektförderung schafft eine Kurzatmigkeit im System. Darunter leidet oftmals die Grundlagenforschung, die nun einmal die Basis für die anwendungsorientierte Forschung ist. Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die davor warnen, dass dadurch die Innova

tionsfähigkeit des Landes mittelfristig massiv geschädigt werde. Es braucht eine aufgabengerechte Grundfinanzierung der Hochschulen, damit die Drittmittel entsprechend eingeworben werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Altersstruktur an den Hochschulen zeigt, dass in den nächsten Jahren sehr viele Professuren neu besetzt werden müssen. Das eröffnet große Chancen. Zum einen kann die Hochschulstruktur im Sinne einer intelligenten Profilierung angepasst werden, zum anderen kann endlich der Anteil der Frauen bei den Professuren erhöht werden.

Die Situation birgt aber auch große Gefahren. Bei dem angekündigten Maß an Kürzungen wird den Hochschulen nur übrigbleiben, freie Stellen nicht wiederzubesetzen. Dann findet keine Profilierung, sondern eine Kürzung mit dem Rasenmäher statt. Das muss unbedingt verhindert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

In Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt die Analyse, dass Frauen in Führungspositionen fehlen und dass die gläserne Decke, die homosoziale Kooptation, weiterhin ein Problem ist und auch als Problem begriffen werden muss. Darüber haben wir im Landtag schon ausführlich diskutiert.

Meine Damen und Herren! Die Einschätzungen der Landesregierung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz teilen wir ausdrücklich nicht. Die alltägliche Anwendung dieses Gesetzes schafft einen ungeheuren bürokratischen Aufwand. Das Gesetz setzt Wissenschaftlerinnen unnötig unter Druck. Solange Dauerstellen Mangelware sind, ist dieses Gesetz völlig kontraproduktiv. Zudem verstößt die Tarifsperre gegen die Tariffreiheit.

Meine Damen und Herren, gerade von der CDU, Sie wollen doch immer die Tarifparteien und deren Autonomie stärken. Fangen Sie damit doch beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz an und streichen Sie die darin verankerte Tarifsperre.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein paar abschließende Anmerkungen zur Beantwortung der Großen Anfrage. Nun ist nicht nur der Ministerpräsident nicht anwesend, sondern auch Herr Robra nicht, der die Antwort auf diese Große Anfrage unterschrieben hat. Ich frage mich allerdings, was er eigentlich unterschrieben hat. So viele Ungereimtheiten, so viele Fehler, so viel Unlogik habe ich nicht erwartet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

„Zahlensalat“ - das hat eine Gewerkschafterin völlig zu Recht gesagt.

Ich nenne ein paar gravierende Beispiele.

(Oh! bei der CDU)

- Das ist nicht schlimm, das wird sogar lustig. - Die Landesregierung behauptet, dass die beiden Universitäten und die Kunsthochschule im Jahr 2011 insgesamt 15 202 Personen beschäftigten. Das ist ein Anstieg von mehr als 1 300 Beschäftigten seit dem Jahr 2006. Meine Damen und Herren, wo sind die denn alle? Was sind denn das für Zahlen?

(Herr Leimbach, CDU: Fragen Sie uns doch nicht!)

Die Landesregierung behauptet, es gäbe 6 820 Personen als wissenschaftliches und künstlerisches Personal. Das mag vielleicht sein. Dann behauptet die Landesregierung, es wären 8 382 Personen beim verwaltungstechnischen und sonstigen Personal - 55 %. Hochschulen machen weniger Wissenschaft als Verwaltung, wäre die Botschaft. Damit ließe sich bei Kürzungen gut argumentieren.

Aber keine Angst, so ist es nicht. Ich vermute, dass die Landesregierung einfach die Beschäftigten der Unikliniken hinzugerechnet hat. Dann kommt man auf diese Zahlen. Aber das ist natürlich falsch; denn die Unikliniken sind seit dem Jahr 2006 eigenständige Einheiten.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das wäre ein Ham- mer!)

Einen Satz zur Erläuterung dessen findet man in der Antwort der Landesregierung aber natürlich nicht.

(Herr Leimbach, CDU: Und wieso wissen Sie es dann?)

Herr Möllring, glauben Sie nicht die Zahlen, die in der Antwort stehen. Sie können das noch nicht wissen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

So viel zu den falschen Zahlen, die Herr Thiel heute Morgen verwendet haben soll. In diesem Papier können Sie wirklich falsche Zahlen lesen und diese kommen aus Ihrem Ministerium.