Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Auch in die Erneuerung des Landesdatennetzes investieren wir. In diesem Zusammenhang soll jede Schule einen leistungsfähigen Breitbandanschluss erhalten. Zugleich wird die Breitbandinitiative der Landesregierung fortgesetzt. Ging es in der ersten Phase um eine flächendeckende Grundversorgung, die wir mittlerweile bis auf wenige Ausnahmen erreicht haben, geht es nun um die Versorgung mit höheren Bandbreiten, auch in Gebieten, wo diese derzeit noch nicht angeboten werden.

Auch die Wirtschaftsförderung wird auf hohem Niveau fortgeführt. Hier legen wir vor allem Wert auf innovative Unternehmen, die ordentliche Löhne zahlen. Und nicht zuletzt investieren wir weiter in unsere Hochschulen. Am Geisteswissenschaftlichen Zentrum der Universität Halle, einem der derzeit größten Neubauprojekte an deutschen Universitäten, wird mit Hochdruck gearbeitet.

(Zustimmung bei der CDU)

Gerade ist der neu gestaltete Textilbereich der Burg Giebichenstein übergeben worden. Die Arbeiten an der Bibliothek haben begonnen. Und wir werden mit der Beseitigung der dortigen Flutschäden nicht zögern.

Angesichts dessen wünsche ich mir mehr Ehrlichkeit im Umgang miteinander und mehr Anerkennung für all das, was geschehen ist und noch immer geschieht.

Natürlich ist hierbei auch das neue Kinderförderungsgesetz zu nennen. Mit der Rückkehr zum Ganztagsanspruch für alle Kinder, mit Entlastungen für Mehrkindfamilien und mit einer Verbesserung der Betreuung investieren wir für unsere Kinder und in unsere Kinder und damit in die Zukunft; denn die Begabungsreserven unserer Kinder sind der wichtigste Rohstoff, den wir haben. Es geht uns hierbei um weit mehr als nur um Betreuung. Wichtig ist die Förderung der Kleinsten, das heißt ein noch besserer Übergang vom Kinder

garten in die Grundschule, also die frühkindliche Bildung.

Erwähnt sei auch, dass wir uns erfolgreich dafür eingesetzt haben, dass die Mittel nach dem Entflechtungsgesetz des Bundes für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Kommunen bis 2019 weiterhin zur Verfügung stehen. Diese Summe betrug bisher 52 Millionen € jährlich. Auch bei den Landesstraßen werden wir für ausreichende Unterhaltungsmaßnahmen sorgen.

Dies alles zeigt, dass von einem Kaputtsparen in Sachsen-Anhalt keine Rede sein kann.

(Beifall bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Wenn wir allerdings die Anstrengungen, die jetzt notwendig sind, unterlassen und uns weiter verschulden, dann wird schon in wenigen Jahren kein Geld für Investitionen da sein. Niemand bilde sich ein, dass zum Beispiel der Deichbau irgendwann ein für allemal beendet sein wird. Das ist und bleibt eine Daueraufgabe. Auch die gestrigen Gespräche mit der Kommissarin für Umwelt in Brüssel haben gezeigt, dass wir - gerade wir hier in Mitteldeutschland - uns in den nächsten Jahrzehnten dieser Daueraufgabe ständig zu widmen haben werden.

Wer heute nicht handelt, muss dies in Zukunft umso härter tun. Es gibt hierbei nichts mehr zu beschönigen oder zu vertagen. Wenn wir dies aber gemeinsam beherzigen, wenn wir den moderaten Kurs - ich sage das bewusst auch mit Blick auf das Haushaltsjahr 2014 und auf das, was wir in der mittelfristigen Finanzplanung vorhaben -, den wir erfolgreich begonnen haben, fortsetzen und nicht auf halbem Wege umkehren, dann hat SachsenAnhalt eine gute Zukunft. Dann kann unser Land im Jahr 2020 wirklich auf eigenen Füßen stehen und wird aufgrund einer gut gefüllten Steuerschwankungsreserve nicht von jeder Konjunkturkrise umgepustet werden.

Dann ist es künftig zum Beispiel sogar möglich, Schulden jährlich verlässlich und in bedeutsamen Größenordnungen zu tilgen. Mit einem Stellenbestand, der dem anderer Bundesländer entspricht, haben wir dann die Möglichkeit, jährlich rund 800 junge Menschen in den Landesdienst einzustellen, vor allem an den Schulen und auch bei der Polizei.

Die Mehrheit der Kommunen könnte schuldenfrei sein. Strukturreformen bei der Polizei, den Hochschulen und der Justiz könnten abgeschlossen und Schulen und Kitas saniert sein. Der Investitionsrückstau bei den Universitätskliniken könnte abgebaut werden und es könnte eine bessere Vernetzung mit den akademischen Lehrkrankenhäusern erreicht werden. Wir könnten den Blick frei nach vorn richten und müssten uns nicht mehr mit Lasten aus der Vergangenheit herumplagen. Wir

könnten weiter in die gesicherte Zukunft unseres Landes investieren.

Wir wollen im Jahr 2020 ein Land sein, in dem sich Menschen, jung und alt, gern engagieren, sich in die politische und gesellschaftliche Gestaltung vielfältig einbringen und in dem wir nicht erst alle paar Jahre durch eine Katastrophe daran erinnert werden müssen, dass wir zusammengehören und dass einer bereitwillig des anderen Last trage, ein Land also, in dem wir solidarisch miteinander umgehen und Leistungen anderer freudig und stolz anerkennen.

Ein Land, das sich so den Herausforderungen stellt, das finanziell auf festem Boden steht, jedem eine gute Ausbildung ermöglicht und in dem die Arbeitslosigkeit weiter zurückgegangen ist, ist auch für junge Menschen attraktiv. Dazu trägt auch unsere heute vorbildliche Kinderbetreuung bei, die beste Chancen dafür bietet, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Dann kann auch die Abwanderung gestoppt werden und es werden aus dem Ausland mehr Menschen zu uns kommen, als unser Land verlassen.

Das sind Perspektiven, die sich unserem Land bieten. Sie sind realistisch, aber nur dann, wenn wir jetzt etwas dafür tun und unsere Strukturen in Ordnung bringen. Willy Brandt bezeichnete es einst als Naturgesetz und sagte: Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen - also nicht in einem Jahr, in zwei oder in fünf, sondern jetzt.

Die enorme Verschuldung steht in eklatantem Widerspruch zur Generationengerechtigkeit. Sie schränkt den Gestaltungsspielraum künftiger Politik ein und bürdet die Kosten unseres Wohlstands späteren Generationen auf. Wir müssen über Legislaturperioden hinaus denken und beherzigen, was wir schon heute über die Zukunft wissen. Unsere Entscheidungen wären verantwortungslos, wenn sie das Wohl und die Interessen künftiger Generationen nicht berücksichtigten.

Nachhaltigkeit - ich sage bewusst: Nachhaltigkeit - ist nicht nur ein Begriff aus der Ökologie. Um Nachhaltigkeit geht es auch in der Haushaltspolitik. Eine verantwortungsbewusste Politik wird keine weiteren Schuldenberge auftürmen und wird nicht die Möglichkeiten unserer Kinder und Enkel unter Zins- und Tilgungsverpflichtungen ersticken, sondern ihnen eigene Gestaltungsspielräume ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Lassen Sie mich abschließend Folgendes zusammenfassen: Wer Sachsen-Anhalt und seine Geschichte kennt, der weiß: Hier war immer ein Stück Deutschland, ob in der Wirtschaft, in der Wissenschaft oder in der Bildung, und zwar ein starkes

Stück Deutschland. Hier wurden Spitzenleistungen vollbracht, und genau dahin wollen wir wieder kommen. Hier ist Welterbe zuhause und genau darauf kann Zukunft gebaut werden.

Sachsen-Anhalt ist ein familienfreundliches Land, und das wird es auch bleiben. Wir sind ein Land, das von den Innovationen, vom Engagement und von der Solidarität seiner Menschen lebt. Staatliche Hilfen sind ein wichtiger Stützpfeiler unserer Gesellschaft, aber beileibe nicht die einzige Säule. Sachsen-Anhalt lebt durch seine selbstbestimmten Bürgerinnen und Bürger; das haben die letzten Wochen wieder einmal gezeigt.

Setzen wir uns also in den nächsten Wochen und Monaten zusammen und schauen wir gemeinsam, wie wir unser Land mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, gestalten. Dazu lade ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren, und alle Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter herzlich ein. Ich hoffe auf Ihre breite Unterstützung. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Es gibt zwei Anfragen. Möchten Sie die Anfragen beantworten?

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Viel- leicht ganz zum Schluss!)

- Jetzt nicht. - Dann fahren wir fort.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1 b:

Aussprache zur Regierungserklärung

Im Ältestenrat wurde die Redezeitstruktur F vereinbart. Es beginnt für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Gallert.

Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Herr Scheurell, CDU: Guten Morgen, Herr Gallert! - Zurufe von der CDU: Guten Mor- gen! - Frau Budde, SPD: Da kommt der Leh- rer durch, mein Lieber!)

- Jawohl. Ich freue mich, dass hier jetzt Leben hineinkommt.

(Herr Scheurell, CDU: Wir sind schon wach!)

Wir haben es bei der heutigen Debatte unter dem ersten Tagesordnungspunkt nicht nur mit der Haushaltspolitik für das Haushaltsjahr 2014 und die folgenden Jahre zu tun, sondern wir haben es mit einer Strategie für die Entwicklung unseres

Landes insgesamt zu tun. Wir haben über diese Dinge in ähnlicher Weise vor etwa fünf Wochen schon einmal diskutiert. Damals ging es allerdings darum, dass wir es mit einer sehr spektakulären Ministerinnenentlassung zu tun hatten. Das überdeckte etwas das Thema der Debatte. Wir haben es auch dieses Mal nicht ganz leicht, zum Kern der Debatte vorzustoßen, weil wir alle noch immer unter dem Eindruck der Hochwasserkatastrophe stehen.

Trotz alledem: Die Auseinandersetzungen um die Perspektive der Landesregierung auf dieses Land haben an Schärfe und Konkretheit zugenommen, wie auch die Vorschläge der Landesregierung zur Kürzungspolitik an Schärfe und Klarheit zugenommen haben.

Ich möchte in dieser Rede jedoch nicht bereits am Anfang auf einzelne Probleme, über die derzeit öffentlich diskutiert wird, eingehen, sondern ich möchte auf ganz grundsätzliche Differenzen im Politikverständnis zwischen der Landesregierung auf der einen Seite und meiner Fraktion auf der anderen Seite eingehen. Es ist wichtig, diese Differenzen offenzulegen, weil erst dadurch transparent wird, warum wir in vielen, vielen Einzelfragen zu gänzlich anderen Schlüssen kommen.

Dazu analysieren wir einmal die Kabinettsvorlage, die Ende Mai 2013 die Grundlage für die Entscheidungen gewesen ist, die das Kabinett danach verkündet hat. Das ist wie immer ein dicker Stapel Papier. Ich würde die Abgeordneten dieses Landtages aber bitten, einfach nur die ersten vier Seiten zu lesen. Darin wird die Prämisse für die Haushaltspolitik der Landesregierung beschrieben und daher kommen im Grunde genommen die Intentionen, die Herr Haseloff diesem Parlament eben so eindrucksvoll dargelegt hat. Ich werde sie im Folgenden auflisten.

Punkt 1. Der zentrale Satz in dieser Vorlage lautet: Dieses Land Sachsen-Anhalt muss im Jahr 2020 mit 2,3 Milliarden € weniger auskommen. Das ist die zentrale Aussage in dieser Kabinettsvorlage. Alle anderen Punkte ordnen sich diesen Dingen unter. Es ist wichtig zu analysieren, wie man zu dieser Aussage kommt, die im Deubel-Gutachten zwar auch enthalten ist, darin aber sehr viel differenzierter dargestellt wird.

Man geht davon aus, dass man Zuschüsse in Höhe von etwa 1,8 Milliarden € verliert - Herr Haseloff hat die Dinge im Einzelnen aufgezählt - und dass man Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich in Höhe von etwa 500 Millionen € verliert. Man geht aber nicht davon aus - das ist ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der Herangehensweise der Landesregierung und unserer -, dass die öffentliche Daseinsvorsorge, dass öffentlich finanzierte Kultur und dass soziale Standards in dieser Bundesrepublik Deutschland besser finanziert wer

den müssen als bisher. Das wollen wir in unsere Überlegungen einbeziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die LINKE ist das keine neue Erkenntnis, Kollege Bullerjahn, aber für die SPD und die Grünen, die bei der Bundestagswahl nämlich genau wie wir - allerdings nicht so deutlich - mit einem politischen Programm antreten, das genau diese Aussage zum Kern hat.

Wir haben es zurzeit mit einer Unterfinanzierung der öffentlichen Ausgaben, der öffentlichen Daseinsvorsorge, der sozialen Standards, der Kultur und der Bildung zu tun. Bei dieser Bundestagswahl kämpfen drei Parteien dafür, diese Basis auch für das Land Sachsen-Anhalt zu verbessern. Zwei Parteien kämpfen dafür, dass das nicht passiert, nämlich CDU und FDP.

Diese Kabinettsvorlage nimmt die Position von CDU und FDP ein. Dahinter steht offensichtlich die Hoffnung, dass diese Koalition weiterregiert. Wir hoffen das nicht. Wir hoffen, dass in dieser Bundesrepublik Parteien regieren, die eine bessere Ausfinanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, der Bildung und der Kultur realisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Herr Graner, SPD: Dann müssen Sie die SPD wählen, Herr Gallert! - Zuruf von Minis- ter Herrn Bullerjahn)

Punkt 2. Sie sagen - und das ist tatsächlich ein Offenbarungseid -, dieses Defizit in Höhe von 2,3 Milliarden € würde nur dann entstehen, wenn weder in Sachsen-Anhalt noch in der gesamten Bundesrepublik in irgendeiner Art und Weise ein reales Wirtschaftswachstum existierte.

(Zuruf von der CDU: So etwas wollt ihr doch gar nicht! - Zuruf von Minister Herrn Buller- jahn)