Seit elf Jahren trägt in diesem Land ein CDUMinisterpräsident die Verantwortung, die Verantwortung dafür, dass wir keine echte Strukturdebatte führen, keine echte inhaltliche Auseinandersetzung darüber führen, was wir uns in Zukunft in unserem Land leisten wollen und leisten können. Dem setzen Sie jetzt die Krönung auf: Statt einer Strukturdebatte, die zu beginnen dringend notwendig ist, haben wir nun eine Weihestunde des Rotstifts erlebt.
Frau Budde, zu der Ehrlichkeit, die heute notwendig ist, gehört auch, dass die SPD diese Verantwortung seit sieben Jahren mitträgt. Ich wäre sehr froh, wenn die heutige Rede von Ihnen ein Auftakt dazu wäre, dass Sie uns in unseren Bemühungen unterstützen, in allen Politikbereichen endlich zu einer vernünftigen inhaltlichen Strukturdebatte zu kommen, bei der wir, so wie Sie es heute dargelegt haben, über Qualität sprechen, über das, was wir für das Land brauchen, was wir für das Land wollen. Danach schauen wir, was das kostet, und erst danach geht es darum, wie wir das gestemmt bekommen und wie wir das finanzpolitisch darstellen.
Sozialpolitik. Seit vier Jahren gibt es in diesem Land eine intensive Debatte zur Neustrukturierung der Beratungslandschaft. Noch eine Woche vor der Kabinettsklausur haben die Kolleginnen im Sozialausschuss nach dem neuesten Stand der Neustrukturierung der Beratungslandschaft gefragt und haben keine Antwort bekommen.
Eine Woche später erfahren sie dann per Pressemitteilung aus der Kabinettsklausur: Jugendpauschale - Kürzung und im Jahr 2015 streichen; Fachkräftezuweisung - dabei geht es um so etwas wie Streetworker, Beratungsstellen - ebenfalls im Jahr 2015 streichen. Das ist ein Paradebeispiel für Pseudobeteiligung und dafür, dass man die beteiligten Träger nicht ernst nimmt.
Aber das ist nicht das einzige Beispiel für Pseudobeteiligung in unserem Land. Ich nenne nur ein Stichwort: Kulturkonvent.
Diese Landesregierung wollte einen Kulturkonvent haben. Eines der zentralen Argumente für den Kulturkonvent war, dass die Theater- und Orchesterverträge Ende dieses Jahres auslaufen und dass man deswegen dringend einen Kulturkonvent brauche, damit dieser uns hilft, uns diesbezüglich neu aufzustellen.
Der Kulturkonvent hat sich diesem Thema intensiv gewidmet und Vorschläge gemacht. Ich fasse die Vorschläge verkürzt zusammen. Der Vorschlag lautet: Gebt der Theater- und Orchesterlandschaft zehn Jahre Zeit - ein Moratorium -; in dieser Zeit kann es gelingen, die Theater- und Orchesterlandschaft neu zu strukturieren.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung das ernst nimmt, die Träger und die Intendanten an einen Tisch holt und einen Prozess generiert, um zu sagen, wie wir uns aufstellen können, damit alle Theater und Orchester ihre Stärken einbringen können, damit wir nationale Spitzenleistungen an einigen Stellen im Land haben, damit wir eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Theater- und Orchesterleistungen im ganzen Land haben.
Was ist der Politikansatz der Landesregierung? - Sie verkündet ex cathedra den Trägern der Theater und Orchester eine Kürzung von 7 Millionen €. Das ist das Aus für das Theater in Eisleben und die Gefährdung ganzer Sparten in den anderen Kultureinrichtungen. Das ist keine Gestaltung der Zukunft. Das ist wieder ein Beispiel für Pseudobeteiligung.
Stichwort Schulen. Herr Ministerpräsident, das ist doch unglaublich: Sie haben eben Ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass wir am Ende mehr Lehrer haben könnten, als wir uns leisten können und als wir brauchen. Ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben. Wir laufen auf einen massiven Lehrermangel zu. Das ist die Situation im Lande.
Durch die sogenannte vorgezogene Mehreinstellung von Lehrern werden wir es vermutlich schaffen, im nächsten Schuljahr gerade so die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Wenn Sie danach den Neueinstellungskorridor nicht öffnen, werden wir massive Unterrichtsausfälle haben. Das ist die Sorge bei uns im Land.
Und die Zahlen, die Sie diesbezüglich vorgeben, sind völlig realitätsfern. Wenn Sie schon über die Lehrer-Schüler-Relation reden - wir sind im Augenblick bei 1 : 11,6 -, dann wäre es ein riesiger Schritt, der riesige Umbaumaßnahmen in der Schulstruktur verlangen würde, wenn wir in einem absehbaren Zeitraum auf eine Lehrer-SchülerRelation von 1 : 12,5 kommen würden. Sie stellen hier einen Wert von 13,5 in den Raum, von dem ich nicht weiß, was Sie sich darunter vorstellen und welche Schulstrukturveränderung dahinter steht. Aber das wäre wieder eine Qualitätsdebatte und die führen Sie ja nicht.
Lassen Sie mich zu dem Thema Hochschulen kommen. Die Hochschulen, das sind doch die Kronjuwelen unseres Landes. Die muss man doch polieren und nicht amputieren.
Die Hochschulen in unserem Land ziehen gut ausgebildete junge Menschen ins Land, die wir dringend brauchen, und dämpfen so den leider immer noch negativen Wanderungssaldo. Unsere Hochschulen sind regionale Wirtschaftsfaktoren; denn sie schaffen Arbeitsplätze in der Region. Unsere Hochschulen stärken die Wirtschaft, weil sie nämlich zusammen mit der Wirtschaft anwendungsbezogene Forschung betreiben, was in unserer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur die Unternehmen häufig nicht selber leisten können. Unsere Hochschulen wirken dem Fachkräftemangel entgegen.
Und unsere Hochschulen - das können wir der Kabinettsvorlage des Finanzministers entnehmen - wirtschaften gut. Wir geben weniger Geld pro Studienplatz als der Bundesdurchschnitt aus. Auch die Medizinstudienplätze sind billiger als in den Vergleichsländern. Insofern sind die Hochschulen echte Kronjuwelen.
Aber auch in diesem Fall müssen wir endlich die überfällige Strukturdebatte führen und sagen, was zukunftsfeste Strukturen sein können, die wir uns auch in zehn, 15 Jahren leisten können, die so sind, dass sich die Akteure darauf verlassen können und endlich wieder in Ruhe ihrer Kernarbeit, nämlich der Forschung und Lehre an den Hochschulen, nachgehen können.
Dazu brauchen wir einen geordneten Prozess. Wir müssen das Gutachten des Wissenschaftsrates abwarten. Dann müssen wir mit allen Akteuren, den Hochschulen, der Regierung, aber auch dem Parlament und seinen Ausschüssen, darüber beraten, was eine gute Struktur sein kann. Eine gute Struktur heißt für mich: eine Struktur, in der die Hochschulen profiliert sind, in der die Hochschulen
attraktiv für Forscherinnen und Forscher sind, in der die Hochschulen attraktiv für Studentinnen und Studenten sind.
Erst wenn wir uns darauf geeinigt haben, dann können wir ein Preisschild dranmachen und sagen, was es kostet. Dann müssen wir schauen, wie wir das im Haushalt gestemmt bekommen. Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Für mich, für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gilt dabei: Schwerpunktsetzung, nicht Eckwerte.
Nun kann man natürlich fragen - Sie entwerfen ja stets negative Szenarien; auch heute haben Sie wieder den Begriff der Schuldenflut in den Mund genommen -: Haben wir denn überhaupt die Zeit? Wir haben jetzt schon elf Jahre hinter uns und haben nichts getan; vielleicht müssen wir ganz schnell die Axt an unser Land anlegen, weil die Schuldenflut kommt. - Das ist doch Unsinn, Herr Ministerpräsident.
Wenn wir uns die Haushaltssituation im Jahr 2014 ansehen, dann sehen wir: Was die Steuern, den Länderfinanzausgleich, die Zuweisungen des Bundes betrifft, werden wir 310 Millionen € mehr haben als im Jahr 2013, also nicht weniger. Das löst auf lange Sicht nicht unser Finanzproblem, aber es ist doch nicht so, als ob morgen der Schuldenkeller aufgemacht würde und wir dort hineinfielen.
Wir haben durch die Volkszählung auch erfahren, dass wir noch einmal 30 Millionen € extra bekommen, weil Sachsen-Anhalt weniger geschrumpft ist als andere Länder.
Die Wählerinnen und Wähler werden im September - auch das wurde heute Morgen schon gesagt - über die Einnahmensituation des Landes mit entscheiden. Wir treten dafür ein, dass starke Schultern mehr zum Gemeinwesen beitragen sollen als schwache Schultern. Mit unserer Einkommensteuerreform würde Sachsen-Anhalt Jahr für Jahr 64 Millionen € mehr einnehmen.
Deswegen sage ich: Wir haben Zeit. Wir haben Zeit, um endlich die dringend notwendige Strukturdebatte in den einzelnen Politikbereichen zu führen, um uns endlich inhaltlich dazu zu verständigen, was wir für das Land wollen, wie das aussehen muss, um am Ende tatsächlich zukunftsfeste Strukturen zu haben.
Lassen Sie mich zum Schluss zu einem Satz in Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, kommen, der in der Tat sehr richtig ist: Was nach 2019 kommt, weiß niemand ganz genau. Das ist richtig.
Wir können uns, glaube ich, auf einen Punkt einigen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es nicht mehr sein, als wir heute haben; mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es weniger sein, als wir heute haben.
Deswegen ist es gut und deswegen ist es wichtig, dass wir endlich über zukunftsfeste Strukturen sprechen, die gut für das Land sind und die wir uns auch noch in den Jahren 2020, 2025 leisten können.
Aber wir müssen durch gute Bildung die Wirtschaftskraft des Landes stärken. Wir müssen es den Hochschulen ermöglichen, Menschen in unser Land zu holen. Wir müssen durch Umweltschutz und Stärkung der Kultur die Attraktivität unseres Landes erhalten.
Wenn wir diese unsere Hausaufgaben machen, werden wir - davon bin ich überzeugt - im Jahr 2019 im Landeshaushalt mehr Geld haben, als es viele Unkenrufer heute behaupten.
Deshalb fordere ich die Landesregierung dringend auf, das Versäumte endlich nachzuholen und gemeinsam mit den Menschen zukunftsfeste Strukturen für unser Land zu entwickeln.
Herr Ministerpräsident, Zukunft spart man nicht kaputt, Zukunft muss man gestalten. Etwas anderes können wir uns gar nicht leisten.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE, von Herrn Höhn, DIE LINKE, und von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)
Danke schön, Frau Kollegin Dalbert. - Als nächster Redner spricht in der Debatte zur Regierungserklärung Herr Abgeordneter Schröder, Vorsitzender der Fraktion der CDU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute eine Regierungserklärung gehört, eine Regierungserklärung des Wofür und nicht des Wogegen. Wir haben eine Rede des Ministerpräsidenten gehört, die auch Positives anspricht,