Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Darüber hinaus gibt es umfangreiche Einzelprojekte der Ressorts. Ich will nur eines nennen, weil man sich manchmal fragt, wie zum Beispiel im Verkehrsministerium die Gleichstellung stattfindet.

Man wird es sich kaum vorstellen können, aber es ist so: Auch dort findet das Gender-MainstreamingProjekt in Verbindung mit dem Rahmenplan „Intelligente Verkehrssysteme“ Einzug. Das ist ein Bespiel dafür, wie breit gefächert das Ganze ist. - Ich will es dabei bewenden lassen. Meine Redezeit ist schon abgelaufen.

Ich wollte deutlich machen: Ihr Antrag ist vom Grunde her gut, aber inzwischen in vielen Teilen überholt. Wir werden ihm nicht zustimmen, weil die Landesregierung an diesem Thema bereits seit Monaten arbeitet. Nur das ist der Grund, aus dem wir den Änderungsantrag der LINKEN ablehnen.

Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Finanzminister Bullerjahn. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst das Wichtigste: Es wird niemanden überraschen, dass wir gegen die Vorschläge der Koalitionsfraktionen - das sage ich ausdrücklich für das gesamte Kabinett - überhaupt keine Einwände haben. Das ist ein Thema, das uns seit längerer Zeit beschäftigt.

In Bezug auf den Antrag der LINKEN hat meine Vorrednerin vieles gesagt. Darin ist manches überholt. Ich will mich nicht weiter in die parlamentarische Diskussion einbringen.

Ich will ganz klar sagen - diesbezüglich haben die Deutschen sicherlich insgesamt Nachholbedarf; das ist auch das, was gerade angesprochen wurde -, dass die EU-Verordnungsentwürfe, die EU insgesamt dieses Thema sehr stringent von uns fordert, mit Blick auf die Förderperiode 2014 bis 2020 erst recht mit klar vorgegebenen Zielen. Dieses Ziel wird bereits in der laufenden Förderperiode von uns berücksichtigt.

Politisch wächst in Deutschland eine Grundhaltung über viele Politikfelder hinaus. Es wird nicht nur als ein Politikfeld, sondern als ein übergreifendes Politikfeld gesehen und wird durch so etwas wie die EU-Programmierung - deshalb stehe ich auch hier vorn - gefordert und gefördert, und das in einem Maße, in dem es in einem Bundesprogramm gar nicht vorstellbar wäre. Darin sind spezifische Gleichstellungsmaßnahmen auf der einen Seite und Gender-Mainstreaming-Maßnahmen auf der anderen Seite enthalten.

Auch ich - das wissen Sie - bin mit diesem Thema schon seit einiger Zeit aus mehreren Gründen beschäftigt, und zwar aufgrund von mehreren Anträgen der LINKEN, der SPD und anderer. Es ist nicht mehr ein Thema, das man wie vor Jahren weggepackt hat. Man tut sich etwas schwer, weil die Erwartungshaltung jetzt höher ist. Aber diesbezüglich bewegt sich etwas.

(Zuruf von der LINKEN)

Das kann ich aus dem Kreis der Finanzministerinnen und -minister sagen. Gerade in Bezug auf Gender-Budgeting ist man auf dem Weg. Es muss jedoch immer mit den Themen entwickelt werden, die den Aufwand rechtfertigen und mit dem Ziel der Konsolidierung in Einklang stehen.

Nun haben wir wieder Probleme mit der Flut, dann eine Finanzkrise. Das Ganze wird dann immer ein bisschen zur Seite gedrängt. Es ist ganz klar, die EU fordert das. Auch wenn es übrigens im ELER und EFRE keine oder kaum solche spezifischen Gleichstellungsmaßnahmen gibt, werden diese Fördermaßnahmen trotzdem auch in diesem Bereich auf die wirksame Gleichstellung hin geprüft. Das gilt letztlich für alle Bereiche.

In diesem Zusammenhang wird derzeit auch im Auftrag der Landesregierung ein Leitfaden zur Prüfung der Gender-Relevanz der künftigen Förderperiode von den dafür zuständigen Fachressorts erstellt. Übrigens arbeiten wir selbst an einem Führungsinformationssystem, das in den nächsten Jahren entwickelt werden soll. Auch dieses wird dieses Thema beinhalten. Das ist völlig klar. Dabei wird auch die Wirkung der Gelder mittel- und langfristig mit Blick auf diesen Ansatz geprüft.

Die zentralen Gleichstellungsziele der EU und der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 sind folgende und schnell gesagt: Abbau geschlechterspezifischer Unterschiede in den Bereichen Beschäftigung und Sozialschutz, Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Erwerbsleben, Abbau der spezifischen Segmentierung des Arbeitsmarktes, gleiches Entgelt für Männer und Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit,

(Zustimmung von Frau Dr. Pähle, SPD)

Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben von Männern und Frauen.

Ich glaube, diejenigen, die schon seit einigen Jahren in Deutschland Politik betreiben, wissen: In diesem Bereich hat sich viel bewegt. Es ist nicht einmal die Frage, ob das stimmt, sondern die Frage: Wie komme ich dahin?

Die Mehrheiten werden breiter. Man ist davon überrascht, dass selbst konservative Parteien in diesem Punkt überhaupt keine Diskussion mehr scheuen und selbst eine maßgebliche Diskussion einbringen, bei der selbst die SPD erst einmal einatmet. Das betrifft nicht diejenigen, die seit Jahren dieser Auffassung sind, sondern diejenigen, die eher einen konservativen Ansatz pflegen. Ich denke, es ist auch gut so, dass es eine breite gesellschaftliche Akzeptanz dafür gibt, dass dies jetzt zu machen ist.

Im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele können wir schon einiges nachweisen. Ich verweise insbesondere auf den Ausstattungsgrad in Kinderbetreuungseinrichtungen oder auf die hohe Be

schäftigungsquote von Frauen in Sachsen-Anhalt, was sicherlich auch einen historischen Hintergrund hat, aber - Gott sei Dank - auch beibehalten wird, also nicht im Sinne von: Das ist nicht richtig, also sollte man es ändern. Eher soll die Chance darin bestehen, das zu verstetigen und auszubauen.

Bei der Betreuung von Krippenkindern bis zu drei Jahren sind wir mit mehr als 57 % bundesweit Spitze. Im Westen beträgt diese Quote gerade einmal 22 %. Hierbei ragen Landkreise aus Sachsen-Anhalt heraus, etwa der Landkreis Jerichower Land mit einer Quote von mehr als 66 %. Das war auch überall zu lesen.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD)

- Genau, Herr Graner. - Es wurden damals 400 Landkreise miteinander verglichen.

Überhaupt gehören unseren Landkreisen in dieser Statistik von 2012 die ersten fünf Plätze. Das ist das, was wir wollen, was jedoch von der Qualität und Quantität her Geld kostet. Es war vollkommen richtig, das gemeinsam weiterzuentwickeln. Ich denke, dabei müssen wir uns von niemandem treiben lassen.

Mit dem ab dem 1. August 2013 geltenden erweiterten KiFöG werden wir diese Position bestimmt nicht verlieren, noch dazu, weil die Ganztagsbetreuung in diese Vergleiche einfließt.

Eine hohe Kinderbetreuungsquote erlaubt natürlich auch den Müttern eine gute Beteiligung am Arbeitsmarkt. Das sind diejenigen, die in den letzten Jahren in der Konsequenz zu Hause geblieben sind. Das ändert sich aber aufgrund der Elternzeit, die auch Männer in Anspruch nehmen können. Das empfinde ich als eine gute Entwicklung.

Die Beschäftigungsquote von Frauen in SachsenAnhalt ist wie in allen ostdeutschen Bundesländern - mit Ausnahme von Berlin - mit etwa 54 % tatsächlich sehr hoch. Zum Vergleich: Im Saarland liegt sie unter 44 % und im Bundesdurchschnitt bei 48 %.

Man sieht: Diesbezüglich gibt es - übrigens mit Blick auf den gesamtdeutschen Arbeitsmarkt - trotz der Diskussion um Altersstrukturen noch Bewegung; denn darin steckt noch sehr viel Potenzial, wenn man in Bezug auf das Erwerbsleben einmal das mit einrechnet, was in westdeutschen Ländern noch möglich ist, wenn man Frauen noch mehr Chancen gibt, nicht nur in Teilzeit an bestimmten Bereichen des Erwerbslebens teilzuhaben.

Wenn man die hohe Beschäftigungsquote genauer betrachtet, dann wird schnell klar, dass viel mehr Frauen als Männer - das ist übrigens etwas, das unbedingt abgestellt werden muss; das ist aber ein Problem gerade in Europa - in prekären und nicht existenzsichernden Beschäftigungsverhältnissen

arbeiten und damit erheblich häufiger ein Armutsrisiko haben.

Das wiederum ist ein Thema mit Blick auf Steuer- und Rentenfragen. Es ist ganz klar: Da die Renten auf der Erwerbstätigkeit aufbauen, liegen die Konsequenzen solcher Statistiken schnell auf der Hand.

Ein großer Teil des Zuwachses an Frauen in Arbeitsverhältnissen ist auch auf Teilzeitarbeitsverhältnisse zurückzuführen. Dazu gibt es Berichte. Deswegen ist die Gleichstellung der Geschlechter entsprechend den EU-Vorgaben im Rahmen der OP-Erstellung und Umsetzung zu verankern und nicht nur lästige Pflicht - und das aus Überzeugung.

Man hat sich bei den ersten Programmierungen damit etwas schwer getan. Wir haben uns mit der Evaluierung beschäftigt, wir haben uns mit den Anmeldungen beschäftigt. Herr Haseloff war jetzt in Brüssel. Dort ist das ganz klar politische Aufgabe und Alltag. Das überträgt sich nunmehr auch auf deutsche Länder und deutsche Politik.

Gerade hierzulande steht man im Zusammenhang mit dem Thema Wachstum und Beschäftigung vor dem Problem des Rückgangs des Erwerbspotenzials. Das ist das, was ich bei dem Thema Frau/ Mann/Teilzeit angedeutet habe, was aber auch bei der Diskussion über ein verändertes Erwerbsleben eine Rolle spielt. Der Werdegang „einmal Schule, Ausbildung und dann bis zur Rente“ ist heute nicht mehr das, was Lebensläufe prägt.

Wir müssen die Wirtschaft, die Hochschulen usw. überzeugen, im eigenen Interesse tätig zu werden und das Potenzial, das ich für die allgemeine Politik aufgezeigt habe, zu nutzen. Eine besonders hohe gleichstellungspolitische Relevanz haben dabei, wie in der Begründung zum Antrag genannt, die thematischen Ziele Forschung, Entwicklung, Innovation, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU, Förderung von Beschäftigung und Unterstützung von Mobilität der Arbeitskräfte und die Investition in Bildung sowie lebenslanges Lernen.

Hierbei spielt der Gender-Ansatz, Mann und Frau gleich zu betrachten, eine Rolle. Da wir, was die Jungs anbetrifft, schlechter abschneiden, ist das nicht, wie manche unterstellen, ein reines Frauenförderprogramm. Hierbei geht es vor allen Dingen darum, Potenziale bei den Jungen und den Männern zu akquirieren. Das soll an dieser Stelle einmal gesagt sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Ergebnisse dieser Evaluierung in den Förderbereichen sollen spätestens vor Ablauf der Halbzeit der Förderperiode vorliegen, also vor 2017, damit wir die Möglichkeit haben, gegebenenfalls entsprechend nachzusteuern. Sie wissen, man

kann einmal, wenn der Programmierung in Brüssel zugestimmt wurde, das Ganze nur noch zur Halbzeit verändern.

Man muss auch wissen - das ist gerade für uns wichtig -: Das ist die letzte Förderperiode mit solchen finanziellen Möglichkeiten. Sicherlich wird es immer eine Möglichkeit geben, aber das befindet sich dann ab 2020 auf einem gänzlich anderen Niveau.

Ich denke, nach dem Jahr 2020 wird man diese Mittel wie in anderen westdeutschen Ländern auch eher zugunsten der wirtschaftsnahen Infrastruktur verwenden, also in den Fonds insgesamt, weil wir diese sehr gute Ausstattung des ESF in dieser Höhe überhaupt nicht mehr halten oder bekommen werden.

Laut den Verordnungsentwürfen für die kommende Förderperiode ist das Land nicht verpflichtet, eine Halbzeitevaluierung durchzuführen. Aber wir werden diese Diskussion vor uns haben. Ich denke, wir werden das trotzdem machen und begleitend mit Ihnen diskutieren.

Ich weiß selbst, dass das Thema EU-Fonds uns mindestens einmal im Quartal beschäftigt. Das ist auch richtig so. Das betrifft allein die Diskussion über die EU-Zielführung. Sie kennen das mit den acht Zielen der Europa-2020-Strategie. Das wurde abgelöst. Dabei ist die Verzahnung der Landes- und Bundespolitik sehr wichtig, und zwar nicht nur aufgrund von fördertechnischen Fragen, sondern aus der politischen Absicherung heraus. Es stellen sich hierbei die Fragen: Was will man eigentlich? Was will man in dem jeweiligen Land umsetzen?

Es ist wichtig, alle Beteiligten in diesem Prozess an das Gender-Wissen heranzuführen und Kompetenzen zu entwickeln. Das gilt für alle Bereiche, die sich damit befassen, also auch für die Verwaltung und für das Parlament, aber auch für die Sozialpartner. Es gibt gute Gremien, in denen das immer wieder eingebracht und auch abgefordert wird.

Wir haben mit dem Ministerium für Justiz und Gleichstellung, das in diesem Punkt eine viel größere Kompetenz hat - aber die Zuordnung bei den Fonds ist nun einmal so, wie sie ist -, ein entsprechendes Handlungsfeld im künftigen operationellen Programm des ESF verankert.

Ich denke, das, was hier gefordert wird, ist Grundanliegen der Landesregierung und kann gemeinsam weiterentwickelt werden. Einiges wird sicherlich an die Ausschüsse gehen, anderes kann beschlossen werden und wiederum anderes hat sich schon erledigt. - Schönen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. Die Landesregierung hat doppelt so lange gesprochen wie vereinbart.

(Minister Herr Bullerjahn: Eine Ausnahme!)