Protokoll der Sitzung vom 11.07.2013

Um das vielleicht noch einmal etwas plastischer auch für die Kolleginnen und Kollegen zu machen, die nicht jeden Tag mit dem Thema zu tun haben: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, es reiche nicht, dass es eine Regelung auf der Bundesebene gibt, die besagt, dass Daten von einem Telekommunikationsanbieter herausgegeben werden müssen, sondern es bedürfe auf der anderen Seite der Tür auch noch einer Ermächtigung, dass Sicherheitsbehörden eben diese Daten abfordern dürfen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das ist ganz schnell zu machen!)

Nur deswegen diskutieren wir heute überhaupt über dieses Thema. Und nur deswegen hat sich auch der Bundesrat über einen sehr langen Zeitraum und in einem sehr zähen Verfahren damit beschäftigen müssen, um im Bereich der Strafverfolgung und für die Behörden des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr und des Verfassungsschutzes die entsprechenden Regelungen vorzunehmen.

Für uns war klar, dass bei der Änderung des SOG und im Verfassungsschutzgesetz mindestens die Schwellen eingezogen werden, die im Bundesratsverfahren auf Betreiben der rot-grünen Bundesländer, die dort die Mehrheit stellen, dafür eingezogen worden sind. - Das enthält der Gesetzentwurf nunmehr.

Für uns war auch die Klarstellung wichtig, dass weder die Polizei noch der Verfassungsschutz neue Befugnisse bekommen, Befugnisse, die sie nicht bereits am 30. Juni 2013 hatten. Das ist an dieser Stelle unsere wichtige Anforderung gewesen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Im Polizeibereich ist das klar. Hinsichtlich des Verfassungsschutzes hat es der Minister klargestellt. Wir stellen in unserem Änderungsantrag, der Ihnen heute bereits vorliegt, zusätzlich klar, dass wir in der Phase, in der über die Zukunft des Verfassungsschutzes und über die Frage diskutiert wird, welche Konsequenzen man aus der NSU-Problematik und welche Konsequenzen man aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Anti-Terror-Datei zieht, natürlich nicht so einfach eine neue Befugnis installieren können.

Im Gegenteil, mit dem Änderungsantrag, der Ihnen von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde, heben wir die Eingriffsschwelle sogar zusätzlich an, indem wir das Ganze nämlich insbesondere hinsichtlich der Abfrage von bestimmten Merkmalen an die Anforderungen des G10-Gesetzes knüpfen. Das bedeutet mehr Schutz von Bürgerrechten als vor dem 30. Juni 2013, nicht weniger. Darauf lege ich großen Wert.

(Beifall bei der SPD)

Es ist sicherlich jedem klar geworden, dass die Rückwirkung nicht wirklich eine ernsthafte Option ist. Wir werden während des Gesetzgebungsverfahrens damit leben müssen, dass Polizei und Verfassungsschutz bestimmte Befugnisse nicht haben werden.

Deswegen ist es auch konsequent - wir haben mit unserem Änderungsantrag die entsprechende Konsequenz gezogen -, dass wir den Gesetzentwurf selbstverständlich erst am Tag der Verkündung in Kraft treten lassen. Damit können wir uns

auch eine Diskussion in der in der nächsten Woche stattfindenden Sitzung des Innenausschusses zum Inkrafttreten ersparen.

Ich werbe dafür, dass wir über das Ganze zügig beraten, damit uns in der nächsten Landtagssitzung eine Beschlussempfehlung zu diesem Gesetzentwurf erreicht; denn die Sicherheitsbehörden brauchen die entsprechenden Befugnisse.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Deswegen sollten wir sie auch nicht lange auf eben diese Befugnisse warten lassen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Der Redner begibt sich zu seinem Platz)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. Herr Kollege, wir wissen, dass Sie ein Langstreckenläufer sind. Aber der Kollege Striegel möchte Sie zum Halten animieren, indem er Ihnen eine Frage stellt.

Aber gern.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herzlichen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage beantworten. Es geht um zwei Dinge, erstens eine Anmerkung und zweitens eine Frage.

Ich komme zu der Anmerkung. Vielleicht haben Sie es nicht mitbekommen, aber ich habe sehr wohl unterschieden zwischen Verfassungsschutz, also Geheimdienst, und Polizei. Ich glaube, es ist unstreitig, dass die Polizei unter eng umgrenzten Voraussetzungen auf solche Daten zugreifen dürfen soll. Ganz wichtig ist uns dabei ein echter Richtervorbehalt. Es muss also vorher eine klare Möglichkeit für eine Überprüfung geben. - Das war der erste Punkt, also die Anmerkung.

Hinsichtlich des Verfassungsschutzes sehen wir das allerdings ganz klar nicht so und diesbezüglich sehen wir auch einen Verstoß gegen das Trennungsgebot.

Ich komme zum zweiten Punkt. Ich freue mich sehr auf die Befassung im Innenausschuss. Ich möchte Sie aber fragen: Sind Sie bereit, über den Gesetzentwurf mit der notwendigen Sorgfalt zu debattieren? Das soll heißen: Sind Sie dazu bereit, den Gesetzentwurf in der Septembersitzung in zweiter Lesung zu behandeln?

Niemand hat ein Interesse an Verzögerungen. Aber es sollte so sein, dass wir uns das Gesetz vernünftig ansehen können und eine Anhörung dazu durchführen können, möglicherweise eine schriftliche, damit wir uns wirklich umfassend in

formieren können und nicht ein Schnellverfahren machen nach dem Motto: nächste Woche Innenausschuss und dann geht es wieder ins Parlament. - Das wäre meine Frage an Sie.

(Herr Bommersbach, CDU: Das haben wir noch nie gemacht, Herr Striegel!)

Sie haben zwei oder drei Fragen gestellt. Erstens. Wir haben auch im Bereich der Gefahrenabwehr einen Richtervorbehalt eingefügt. Wir haben den Richtervorbehalt so ausgestaltet, wie ihn im Übrigen auch die rot-grün regierten Bundesländer im Bundesrat in der StPO ausgestaltet haben.

Mir fällt jetzt zum Thema Richtervorbehalt nicht mehr ein. Denn dass dieser Richtervorbehalt unter bestimmten Voraussetzungen ins Leere läuft, ist klar, das wissen wir. Aber das ist keine Besonderheit im Bereich der Bestandsdatenauskunft.

Beim Verfassungsschutz haben wir heute eine Aufgabenverteilung. Es ist festgelegt, was der Verfassungsschutz macht. Wenn der Verfassungsschutz diese Aufgaben behält, dann muss man ihm auch die entsprechenden Befugnisse geben.

Zu der Frage der Behandlung im Innenausschuss: Ich bin diesbezüglich völlig offen. Wir können in der nächsten Woche meinetwegen auch bis Mitternacht tagen. Ich möchte nur, dass dieser Gesetzentwurf spätestens im September 2013 wieder im Plenum ankommt und dass wir dann auch eine klare Rechtslage für die Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt haben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Quade. Bitte schön, Frau Quade.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Minister, Herr Erben, wissen Sie, mit den Erwartungshaltungen, die sich erfüllen oder nicht erfüllen, ist das manchmal so eine Sache. Sie tragen hier vor: Im Grunde ist das gar kein großer Aufreger; es geht um nichts; wir lassen uns nur das legitimieren, was wir in der Vergangenheit ohnehin getan haben bzw. was woanders auch getan wird.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen: Politik als Aushandlungsprozess von Interessenunterschieden kann sich so auch ad absurdum führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir beraten den vorliegenden Gesetzentwurf in einer Zeit - auch wenn Herr Erben sagt, das hat

nichts damit zu tun - des allgemeinen Aufschreis und der Empörung - mit Ausnahme der CDU und ihrer Kanzlerin -

(Beifall bei der LINKEN - Herr Striegel, GRÜ- NE: Sie ist Teil der Überwachung!)

über die Überwachung von Kommunikationsverbindungen aller Art durch zumindest die amerikanischen und britischen Geheimdienste. Wer wann wovon wusste, wie weit die Beteiligung anderer Geheimdienste reichte, lässt sich im Moment nicht klar sagen. Klar ist allerdings, dass über die Themen Datenerfassung und -speicherung, Überwachung von Kommunikation, Möglichkeiten und Grenzen des Datenschutzes und seine Notwendigkeit im Moment im politischen wie im gesellschaftlichen Raum intensiv diskutiert wird.

Nun könnte man mit einem sehr oberflächlichen Blick auf den Titel des Gesetzentwurfs und mit sehr viel gutem Willen meinen, die Landesregierung wäre besonders schnell und würde das aufgreifen und auf die aktuelle Situation reagieren. - Doch weit gefehlt: Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Landesregierung knüpft vielmehr an die bereits mit dem SOG eingeschlagene Richtung an, nämlich die Unschuldsvermutung als zentrales rechtsstaatliches Prinzip im Grunde zugunsten einer mehr oder weniger abstrakten Gefahrenabwehr auszuhebeln und damit über weite Teile unwirksam zu machen.

Ja, fairerweise muss man zugeben, dass sie damit nicht allein steht. Natürlich ist es die Umsetzung bundesgesetzlicher Neuregelungen in das Landesrecht, die dank der Kolleginnen und Kollegen der SPD im Bundesrat eben nicht gestoppt wurde. Natürlich gibt es entsprechende Regelungen auch in anderen Bundesländern.

Hiermit werden nun auch in Sachsen-Anhalt die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Bestandsdatenabfrage erfolgen kann und damit hochsensible Daten wie Kommunikationsverbindungen, Standorte, Datenmengen, Kommunikationszeiten, Internetprotokolle bis hin zu Speichermedienzugängen wie PINs und PUKs und damit Inhalten von Kommunikation dem Zugriff der Behörden preisgegeben werden.

Das stellt einen massiven und unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre und damit in einen grundgesetzlich geschützten Bereich dar, bevor irgendeine Straftat passiert ist. Meiner Fraktion würde allein das für die Ablehnung dieses Gesetzentwurfs genügen.

Der Gesetzentwurf sieht aber auch eine Kompetenzerweiterung für die Polizei und auch für den Verfassungsschutz des Landes vor. Nun haben Sie das mit dem Änderungsantrag ein Stück weit präzisiert, allerdings nur insoweit, als Ihnen offenkundig die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit

des ursprünglichen Gesetzentwurfs deutlich wurde. Am Grundproblem, nämlich der Ausstattung des Geheimdienstes mit Instrumenten der Gefahrenabwehr, ändert das nichts.

Dieses Vorhaben zeigt auch - das finde ich noch viel problematischer -, dass Sie aus dem nicht abreißenden Offenbarwerden des Versagens der Geheimdienste bei der Verhinderung der Mordserie eines Neonazi-Netzwerkes und bei seiner Aufklärung nicht die notwendigen substanziellen Konsequenzen ziehen, sondern lediglich oberflächliche Kosmetik und Imagekampagnen betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun kann man sagen: Es ist nicht überraschend, dass Geheimdienste abhören. Das stimmt. Eine neue Qualität und vielmehr eine neue Problemebene ist es allerdings, wenn eine Landesregierung ernsthaft erwägt, eben jener Behörde, deren Versagen im Kernbereich der ihr zugewiesenen Aufgaben erwiesen und deren Unkontrollierbarkeit noch immer jeden Tag aufs Neue belegt wird, noch weiter gehende Kompetenzen und Befugnisse für massive Grundrechtseingriffe zu geben, die den Kernbereich der privaten Lebensführung betreffen und deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit zweifelhaft ist.

Unkontrollierbarer staatlicher Schnüffelei werden damit Tür und Tor noch weiter geöffnet und es werden Bürgerrechte zur Disposition gestellt. Vor dem Hintergrund des Versagens der Sicherheitsbehörden und der daraus resultierenden Legitimationskrise sowie des aktuellen Überwachungsskandals durch eine noch nicht zu beziffernde Zahl von Geheimdiensten bleibt mit Blick auf den vorgelegten Gesetzentwurf zu sagen: Nichts gelernt!

(Beifall bei der LINKEN)

Statt der Ausweitung der Speicherung und der Erleichterung der Preisgabe von Daten wäre eine grundsätzliche Stärkung des Datenschutzes, die Infragestellung der Speicherung und Weitergabe von Daten, die Infragestellung von Kompetenzen von Sicherheitsbehörden und letztlich die Auflösung des VS angezeigt.

Ich möchte abschließend noch einen Blick auf das Verfahren werfen. Das Gesetz sollte rückwirkend in Kraft treten. Das juristische Problem ist Ihnen offenbar und eingängig geworden. Das ist gut. Das damit verbundene Problem löst sich keineswegs. Es ist ein Problem, das wir sehr oft an dieser Stelle haben: Die Zeitverzögerung bei der Einbringung von Gesetzentwürfen ist stets mit einem enormen Zeitdruck in der parlamentarischen Beratung verbunden. Auch hierbei steht zu befürchten - das ist eben angesprochen worden -, dass dieser Gesetzentwurf den Landtag ohne eine Anhörung und ohne eine formelle und materielle Wür