Die SPD-Fraktion - das will ich für meine Fraktion sagen - hätte sich gewünscht, dass dieser Widerspruch im Bereich der Suchtbekämpfung bereits mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag insgesamt aufgelöst wird.
Mir ist aber auch wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass die Ministerpräsidenten den Handlungsdruck bei den Verhandlungen in Bezug auf die Spielhallen erkannt haben. Diese Aussage trifft auf die beiden letzten Bundeswirtschaftsminister so nicht zu; denn Brüderle und jetzt auch Rösler setzen auf eine Selbstverpflichtung der Automatenwirtschaft.
Darauf wird man sicherlich sehr lange warten können, wenn man die Äußerungen eines Automatenkönigs in ganzseitigen Zeitungsinterviews in den letzten Tagen betrachtet; denn er setzt offensicht
lich auf Prozesse gegen die Länder und nicht auf die Suchtbekämpfung. Im Gegenteil: Seiner Meinung nach gibt es das Problem der Automatenspielsucht gar nicht.
Deswegen müssen die Länder - aber auch der Bund - nun im gesetzgeberischen Detail ran. Eben solche Aufträge werden der Landesregierung mit dem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen erteilt.
Hierbei sollen nicht etwa bestehende Spielhallen mit einem Spielhallengesetz plattgemacht werden, doch zusätzlichen Beschränkungen wird man sich allein schon wegen des Glücksspielstaatsvertrags unterwerfen müssen.
Für neu konzessionierte Spielhallen müssen zukünftig aus meiner Sicht klare Regeln gelten. Es kann nicht sein, dass mit mehreren Konzessionen in einem Gebäude auf dieselbe Person Zulassungen erteilt werden. Auch muss die maximale Anzahl der Geldspielgeräte pro Spielhalle beschränkt werden.
Schließlich muss die Suchtbekämpfung - wie in jeder Lottoannahmestelle auch - Schwerpunkt der Ausbildung von Aufsichtspersonal in Spielhallen und für die Eignung von Betreibern sein.
Die Landesregierung soll - das ist mir wichtig - auf Bundesebene hinsichtlich der Verschärfung der Spieleverordnung initiativ werden. Rösler sollte seine Selbstverpflichtung am besten „in die Tonne kloppen“ und die Spieleverordnung entsprechend dem Rechtsstand des Jahres 2006 wieder verschärfen. Dazu gehört die Erhöhung der notwendigen Quadratmeterzahl pro Spielgerät, ebenso die Forderung, dass ein Spieler nicht mehr so viel Geld in so kurzer Zeit gewinnen oder - vor allem - verlieren kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles ist vor allem aus der Sicht meiner Fraktion parallel zum Ratifizierungsprozess des neuen Glücksspielstaatsvertrags zu klären und abzuarbeiten. Nur dann können die Bedenken, die wir gegenüber dem aktuellen Entwurf haben, ausgeräumt werden. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Erben, das Thema Glücksspiel ist nicht neu; wir haben mehrfach darüber diskutiert. Ich habe zwei Fragen.
Erstens. Sie sagten eben, in den Lottoannahmestellen würde Glücksspielsuchtbekämpfung betrieben. Wie sieht diese aus? Ich habe noch nie gesehen, dass in einer Lottoannahmestelle Glücksspielsuchtprävention betrieben wird. Ich würde gern wissen, was da gemacht wird.
Zweitens. Eine der großen offenen Fragen haben Sie nicht angesprochen - vielleicht hätten wir einen Änderungsantrag stellen sollen -, und zwar die des zunehmenden Internetglücksspiels. Dieses nimmt zu und ist noch schwerer zu kontrollieren als das Glücksspiel in den Automatenhallen. Welche Vorstellungen haben Sie, wie künftig bezüglich dieser Thematik verfahren werden soll?
Frau Dr. Klein, ich beantworte beide Fragen sehr gern, hoffe jedoch, es auf das Wesentlichste beschränken zu können, zumal dies mit dem Antrag nur indirekt zu tun hat.
Erstens zum Thema Lotto. Ich weiß, dass Lotto Sachsen-Anhalt sehr umfängliche Aufwendungen im Bereich der Glücksspielsuchtbekämpfung tätigt. Dabei geht es um die Werbung, also darum, dass die Werbung nicht so ausgestaltet werden darf, dass Menschen unnötigerweise ihr Geld für das Glücksspiel ausgeben.
Es geht aber auch um unangemeldete Kontrollen beispielsweise im Bereich des Jugendschutzes. Das bekommen Sie natürlich nicht mit; das ist der Sinn solcher Kontrollen. Alle Annahmestellen werden jährlich von - ich bezeichne es einmal so - verdeckten Ermittlern im jugendlichen Alter kontrolliert.
Wenn Sie Oddset spielen wollen, dann brauchen Sie seit zwei Jahren dafür einen Spielerausweis. Das heißt, das anonyme Spielen, dass man überall sein Geld „hinknallt“, ist im Bereich von Oddset nicht mehr zulässig. - Also, Lotto Sachsen-Anhalt und die staatlichen Lottogesellschaften haben diesbezüglich sehr viel getan.
Zweitens. Das Internetglücksspiel ist eine besondere Problematik, die vor allem technisch schwierig zu lösen ist. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass man die illegalen Anbieter, die international über das Internet operieren, nur in ihrem Tun einschränken kann, indem man die Finanzströme trockenlegt. Man kann nicht Seiten sperren, Seiten löschen oder einen Cyberkrieg zu beginnen; Sie können das nur über die Finanzströme tun.
Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Für die Landesregierung spricht Frau Professor Dr. Wolff.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Das gewerbliche Spielrecht ist Teil des Wirtschaftsrechts und unterliegt daher nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 des Grundgesetzes grundsätzlich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes.
Durch die Änderung des Grundgesetzes infolge der Ergebnisse der Föderalismusreform I ist das Recht der Spielhallen- oder Automatenkasinos, wie es so schön heißt, seit dem 6. September 2006 in den Zuständigkeitsbereich der Länder gefallen. Die Gesetzgebungszuständigkeit für dieses Thema liegt also nunmehr bei uns.
Zwar ist das Recht der Spielhallen derzeit bundesgesetzlich noch in § 33i der Gewerbeordnung geregelt, die Übertragung der diesbezüglichen Kompetenz auf die Länder erlaubt es diesen jedoch jetzt, für Spielhallen konkret spielhallenbezogene Regelungen vorzunehmen. Die Länder können aufgrund der neuen Kompetenz personen- und ortsgebundene Anforderungen für die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis regeln.
Damit ist eine Mitgestaltung des Spielhallenbetriebs grundsätzlich möglich. Dabei müssen die Maßnahmen einen örtlichen Regelbezug aufweisen; im juristischen Fachjargon heißt das „lokal radiziert sein“.
Dem Landesgesetzgeber steht eine Reihe von Gestaltungsvariablen zur Verfügung, zum Beispiel ein Verbot von Mehrfachkonzessionen, Abstandsregelungen von Spielstätten zueinander, die Ausgestaltung der Werbung in den Spielhallen selbst, Vorgaben bezüglich des Personals - zum Beispiel Zuverlässigkeitsvoraussetzungen, fachliche Schulungen usw. - und Vorgaben zu Öffnungs- bzw. Sperrzeiten.
Bei der öffentlichen Diskussion zum Glücksspiel wird insbesondere die Zunahme der Zahl der Spielhallen und ähnlichen Unternehmen in Deutschland thematisiert.
Wie sieht die Lage in Sachsen-Anhalt konkret aus? - Hierzu hat unser Ministerium das Landesverwaltungsamt am 18. Mai 2011 gebeten, die aktuellen Zahlen der Spielhallenstandorte, der vergebenen Konzessionen und die Spielgerätezahl bezogen auf Landkreise und kreisfreie Städte zu übermitteln. Diese Zahlen liegen leider noch nicht vor; wir erwarten sie bis Ende Juni 2011.
Unabhängig davon hatte das Landesverwaltungsamt bereits im Januar 2011 im Rahmen der Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Glücksspiel in Sachsen-Anhalt - diese liegt in der Drs. 5/7237 vor - berichtet.
Aufgrund der Kürze der Frist erfolgten die Rückmeldungen der Landkreise und der kreisfreien Städte damals unvollständig und uneinheitlich. Zahlen aus dem Landkreis Wittenberg fehlten. Dennoch lässt sich daraus eine Tendenz ablesen.
Mit 322 Spielhallen im Jahr 2000 und 289 im Jahr 2009 ergibt sich ein rückläufiger Trend. Den gleichen rückläufigen Trend bei der Anzahl der Spielhallen zeigt für das Land Sachsen-Anhalt auch die Studie des Arbeitskreises gegen Spielsucht e. V. vom Juli 2010 zur Angebotsstruktur der Spielhallen und der Geldspielgeräte in Deutschland auf. Das war der Stand vom 1. Januar 2010.
Das Untersuchungsgebiet umfasste 1 623 Kommunen Deutschlands, von denen 1 599 erfasst und ausgewertet werden konnten. Zum Untersuchungsgebiet zählten alle Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern. In den Vergleich wurden nur Kommunen aufgenommen, die sich bereits auch 2006 und 2008 an der Untersuchung beteiligt hatten, sodass man wirklich eine Zeitreihe bekam. In SachsenAnhalt waren 36 Kommunen in die Studie einbezogen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Novellierung der Spielverordnung zu einer zahlenmäßigen Abnahme der Spielhallen, jedoch zu einer zahlenmäßigen Zunahme der Geldspielgeräte in Spielhallen geführt hat. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass im Rahmen der Novellierung der bundesgesetzlichen Spielverordnung die Nettospielfläche von 15 m² auf 12 m² pro Spielgerät gesenkt und die maximale Anzahl der Spielgeräte von zehn auf zwölf pro Konzession erhöht wurde.
Die Zahlen würde ich Ihnen, wenn Sie wollen, im Einzelnen einfach zuschicken. Ich nenne sie jetzt nicht alle. Eine E-Mail genügt, dann bekommen Sie diese.
Jedenfalls ist sowohl die Anzahl der Spielhallenkonzessionen als auch die der Spielhallenstandorte von 2006 bis 2010 gesunken. Die Anzahl der Spielhallengeräte ist jedoch deutlich gestiegen.
Die Kernaussage der Studie ist aber auch, dass in den neuen Bundesländern ansonsten bundesweit operierende Spielhallenketten nur eingeschränkt engagiert sind. Die Steigerungsquote der Spielhallenkonzessionen liegt weit unter dem Bundesdurchschnitt bzw. der Markt in Sachsen-Anhalt schrumpft sogar.
Eine Ursache hierfür wird in der im Vergleich zu den alten Bundesländern geringeren Wirtschaftskraft der neuen Bundesländer gesehen, was in diesem Fall ja ausnahmsweise auch einmal positive Seiten hat.
Der derzeitige Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages spricht in den §§ 22 bis 26 das Thema „Spielhallen“ an. Im Rahmen der stattfindenden öffentlichen politischen Debatte ist nun die mögliche Ausgestaltung der landesrechtlichen Kompetenz in Bezug auf die Spielhallen zu erörtern. Wir müssen auch klären, inwieweit nach der beschriebenen derzeitigen Sachlage weitere Restriktionen überhaupt zwingend erforderlich sind.
Wir müssen auch daran denken, dass es sowohl ein Spielhallenrecht als auch ein Spielgeräterecht gibt. Zwischen diesen beiden besteht kein normativer Zusammenhang. Beides sind eigenständige Rechtsgebiete und als abtrennbare Regelungsbereiche des gewerblichen Gewinnspiels nebeneinander zu qualifizieren. Zur Normierung von Vorschriften zu Spielhallengeräten besitzt der Landesgesetzgeber keine Kompetenz.
Wie sehen nun wichtige Regelungstatbestände im Land aus? - Ein Beispiel: Den Gestaltungsspielraum bei den Öffnungszeiten bzw. Sperrzeiten nutzt das Land schon dezidiert. Die Sperrzeiten für Spielhallen in Sachsen-Anhalt sind bundesweit die restriktivsten. Sie beginnen um 22 Uhr und enden um 7 Uhr. Mit neun Stunden geht die Sperrzeit weit über die im Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages geforderten drei Stunden hinaus.
Bei der Prüfung landeseigener Regelungen zum Betrieb von Spielhallen sollte gerade unter dem Aspekt der Suchtprävention und dabei geforderter zusätzlicher rechtlicher Restriktionen auch beherzigt werden, dass gut gemeint nicht zwangsläufig gut gemacht sein muss. Bei zu restriktiven Maßnahmen für Spielhallen besteht vielmehr die Gefahr, dass pathologische Spieler nicht vom Spielen abgehalten werden, sondern lediglich in Gaststätten oder sonst wohin, zum Beispiel ins Internet, abgedrängt werden.
Wie sieht der Spielbetrieb in Gaststätten aus? - Derzeit dürfen in Schank- und Speisewirtschaften bis zu drei Geld- oder Warenspielgeräte aufgestellt werden. Gerade für Schank- und Speisewirtschaften gilt in Sachsen-Anhalt keine Sperrzeit, sondern nur die so genannte Putzstunde von 5 bis 6 Uhr.
Im Internet können Sie ohnehin rund um die Uhr machen, was Sie wollen. Man kann also, wenn man es wirklich will, die restriktiven Sperrzeiten von Spielhallen munter unterlaufen und rund um die Uhr zocken.
Darüber hinaus werden wir zu diskutieren haben, dass dem Grundgesetz wie auch Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 das Modell einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung zugrunde liegt. Egal, wie man grundsätzlich zum Glücksspiel steht, ob man es mag oder nicht - das gewerbsmäßige Aufstellen von Geldspielgeräten stellt nach der Rechtsprechung gemäß Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes eine grundrechtlich geschützte wirtschaftliche Betätigung dar.