Es ist ein Thema, das uns alle gleichermaßen angeht. Dass dieser Tagesordnungspunkt gleich zu Beginn der heutigen Sitzung behandelt wird, zeigt mir jedenfalls, dass der Gleichstellungspolitik in diesem Land zukünftig mehr Bedeutung beigemessen werden soll.
Deshalb begrüße ich prinzipiell auch den Antrag der LINKEN, will aber an dieser Stelle deutlich sagen, dass die SPD-Fraktion als Schlussfolgerung der Beantwortung ihrer Anfrage zur Beschäftigungssituation von Frauen und Sachsen-Anhalt bereits im Jahr 2009 einen ähnlichen, fast gleichlautenden Antrag schon einmal formuliert hatte. Dieser Antrag hatte zum Ziel, sicherzustellen, dass Aufsichtsräte, Beiräte und weitere Gremien, in die das Land Vertreterinnen und Vertreter entsendet und die nicht an ein Regierungsamt gebunden sind, mit einem Anteil von mindestens 40 % mit Frauen zu besetzen sind.
Denn wir haben von der Landesregierung in der Beantwortung der Anfrage mitgeteilt bekommen, dass ein Anteil von 63 % der Leitungsfunktionen des Landes in Männerhand ist und dass bei der Besetzung von Posten in Aufsichträten und anderen Gremien, in die das Land Vertreter entsendet, ebenfalls wiederum die Frauen unterrepräsentiert sind; gerade einmal 25 % der 480 Posten sind von Frauen besetzt.
Es sollten nach unserer Auffassung Strategien und Maßnahmen entwickelt werden, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst und an den Universitäten zu erhöhen. Leider - das muss ich sagen - war eine Einigung zu den Eckpunkten unseres Antrages mit dem Koalitionspartner zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Deshalb ist dieser Antrag auch nicht ins Plenum gekommen. Das habe ich damals sehr bedauert. Ich freue mich aber, dass unser Koalitionspartner heute weiter ist und sich die doch sehr zähen Diskussionen nunmehr positiv auszahlen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was nicht ist, das kann ja noch werden. Die Fraktion DIE LINKE sollte mal nicht so laut lachen. Gleich drei Frauen von Ihnen sind Mitglied in dem Ausschuss.
(Herr Borgwardt, CDU: Wir wiegen das wie- der auf! - Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Grundgesetz sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Doch wir alle wissen, dass dieser Anspruch für viele Frauen in Sachsen-Anhalt noch Wunschdenken und lange noch nicht Realität ist.
Wir haben es gehört: Frauen haben zwar bessere Bildungsabschlüsse als Männer, sie können davon in der Arbeitswelt aber noch nicht ausreichend profitieren. Sie haben bei gleicher Qualifikation für die gleiche Tätigkeit durchschnittlich weniger Lohn am Monatsende in der Lohntüte. Sie sind überdurchschnittlich häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt. Das heißt, Minijobs, Leiharbeit, befristete Beschäftigung und Niedriglöhne prägen zunehmend die Arbeitswelt von Frauen auch in Sachsen-Anhalt. Das hat - das kann man nachlesen - die Antwort auf unsere Große Anfrage bestätigt.
Wir haben von allen Vorrednern gehört, dass die Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben nicht nur ungerecht ist; sie ist auch wirtschaftlich unvernünftig. Denn mehr Gleichstellung trägt dazu bei, die Fachkräftebasis zu sichern und den Erfolg von Unternehmen zu steigern. Das sind die unbestrittenen Fakten.
Sie sehen, es ist ein langer Weg bis zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitwelt. Ich bin sicher, dass dieses Thema bei Professor Dr. Kolb als zuständiger Ministerin für Justiz und Gleichstellung in guten Händen ist und wir sie aus dem Plenum heraus aktiv bei ihrer Arbeit unterstützen werden, die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserem Land voranzubringen.
den zuständigen Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung für gut und ausreichend. - Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hampel. - Zum Abschluss der Debatte hätte die Einbringerin noch einmal die Möglichkeit zu sprechen. - Sie verzichtet darauf.
Damit kommen wir zum Abstimmungsverfahren über diesen Antrag. Es ist eine Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt worden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Wenn das nur eine Starre im Unterarmgelenk ist, dann war das keine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist der Antrag einstimmig in den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen worden und wir können diesen Tagesordnungspunkt abschließen.
(Frau Feußner, CDU: Nein - Herr Borgwardt, CDU: Das ist in dem Schwall untergegan- gen, Herr Präsident!)
- Dann bedanke ich mich für die Richtigstellung. Um es für das Protokoll klar zu sagen: Wir haben den Antrag einstimmig in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen.
Zunächst hat die Abgeordnete Frau Lüddemann als Einbringerin das Wort. Danach wird es eine Fünfminutendebatte mit der Reihenfolge CDU, DIE LINKE, SPD und GRÜNE geben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es fast schade, dass ich heute hier stehen und diesen Antrag einbringen muss; denn als ich jung war, ging es mir so, wie es Frau Ministerin Kolb vorhin beschrieben hat. Ich habe gedacht, alles ist wunderbar und im 21. Jahrhundert wird Geschlechtergerechtigkeit eine Selbstverständlichkeit sein.
Aber das Leben hat mich eines Besseren bzw. in diesem Fall eines Schlechteren belehrt. Denn uns geht es nicht nur um gleiche Möglichkeiten und gleiche Chancen für Mädchen und Jungen, für Frauen und Männer. Uns geht es um tatsächlich gleiche Teilhabe in allen Lebensbereichen.
Die Theorie - das sage ich durchaus mit Stolz -, also die gesetzlichen Grundlagen in unserem Land, sind durchaus vorbildlich. Aber wenn man sich die Praxis anguckt, dann stellt man fest, dass es so viele Ungerechtigkeiten und so viele Ungereimtheiten gibt, dass ich mir Sorgen mache und dafür plädiere, die Einhaltung der Gesetze stärker zu befördern.
Ich möchte darauf noch näher eingehen. Das Grundgesetz besagt in Artikel 3 ziemlich deutlich - ich darf zitieren -:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Die Landesverfassung - Herr Borgwardt hat daraus heute schon zitiert - wird in Artikel 34 noch deutlicher. Darin wird nicht mehr nur von Gleichberechtigung gesprochen, sondern von Gleichstellung. Sie wird zum Staatsziel erhoben und mit einer konkreten Verpflichtung verbunden. Es ist so schön, darum sage ich es noch einmal:
„Das Land und die Kommunen sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft durch geeignete Maßnahmen zu fördern.“
Nichts anderes meint unser Antrag. Insofern könnte ich mit einem Appell enden, die Gesetze doch besser einzuhalten, und alles wäre gut.
Aber, meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass das Leben und die Politik so nicht funktionieren. Wenn wir uns nämlich die Praxis anschauen - heute sind schon zahlreiche Beispiele genannt worden -, dann stellen wir fest, dass so viele Chancen vertan, so viele Potenziale verschenkt und vor allem so viele Hoffnungen von jungen Frauen vertan, vergeben und enttäuscht werden. Das dürfen wir nicht länger zulassen.
Ich denke, wir haben diesbezüglich nicht nur die rechtliche, sondern auch die moralische Pflicht, uns dieses Problems anzunehmen. Das sind im Konkreten vielleicht Einzelfälle, aber insgesamt ist es ein Schaden, der auch unserem Land nicht gut zu Gesicht steht.
und des Landes an dieser Stelle einzubringen und gegenzusteuern. Wir müssen den Umsetzungsdruck erhöhen, damit die gesetzlichen Grundlagen endlich eingehalten und Realität in diesem Land werden. Denn wir haben gute gesetzliche Grundlagen, auf die wir alle zusammen stolz sein können.
Ich möchte den bisher genannten Beispielen noch ein einige hinzufügen, um diesen Handlungsdruck näher zu erläutern. Es wurde schon gesagt, dass wir zu wenige Professorinnen haben; es sind nur 17 % in Sachsen-Anhalt. 85 % aller Alleinerziehenden sind Frauen. Knapp die Hälfte davon lebt von Hartz IV. Die Selbständigenquote beträgt 30 %. Das ist aus unserer Sicht auch wirtschaftlich verschenktes Potenzial.
Die fünf typischen Frauenberufe, die es trotz tendenzieller Änderungen leider Gottes noch immer gibt, gehören zu den am niedrigsten bezahlten Berufen in der Bundesrepublik. Alle haben dabei sicherlich eine Verkäuferin oder eine Arzthelferin vor Augen, die das deutlich macht. Es gibt auch nur 17 % Polizistinnen in diesem Land. Das alles sind Zustände, die wir so nicht länger hinnehmen können.