Das müsste ich Ihnen jetzt erst in mehreren Sätzen erklären. Aber ich glaube, das interessierte Publikum hat mitbekommen, wovon ich rede.
Gender-Mainstreaming war auch schon in anderen Debatten hier Thema. Insoweit ist das Thema nicht neu. Und jetzt geht es um die konkreten Inhalte. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Kolb. - Bevor wir in der Debatte mit dem Kollegen Borgwardt fortfahren, dürfen wir ganz herzlich Gäste auf der Besuchertribüne begrüßen. Es sind Damen und Herren der Bildungsgesellschaft Magdeburg. Herzlich willkommen im Haus!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert ein sich auf alle Fachpolitikbereiche des Landes beziehendes rahmengebendes Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes SachsenAnhalt.
Durch den Koalitionsvertrag haben sich - ich bin in dem vorhergehenden Redebeitrag schon darauf eingegangen - die Koalitionspartner aus ihrem Selbstverständnis heraus verpflichtet, die Geschlechtergerechtigkeit unter Berücksichtigung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes zu fördern, nicht nur für die CDU, sondern auch für andere. Das bedeutet, Geschlechtergerechtigkeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Das kann man wirklich mit weniger als zehn Sätzen sagen, Frau Ministerin.
Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff hat jüngst in seiner Regierungserklärung angekündigt, dass die Gründung eines Beirates zur Förderung von Frauen in Führungspositionen in die Wege zu leiten ist. Wir unterstützen die Landesregierung hierbei und fordern diese Unterstützung auch von allen anderen Fraktionen des Hohen Hauses ein.
Einen zeitlichen Umsetzungsplan hierfür lassen wir uns von Ihnen jedoch nicht vorgeben, da zunächst sicherlich ein Dialogverfahren - die Frau Ministerin ging darauf ein - der Ressorts unter Beachtung der voraussichtlichen Personalentscheidungen und Entwicklungen im Land erfolgen muss.
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN scheint sich jedoch mangels Gesetzgebungskompetenz des Landes nicht nur auf die Förderung des Gender-Mainstream-Ansatzes in der Wirtschaft zu beziehen.
Frau Ministerin Kolb hat zu ihrem Vorhaben der Einführung einer starren gesetzlichen Frauenquote über den Bundesrat umfassend Stellung genommen. Die CDU-Fraktion wirbt auch aktiv für das Vorhaben der Bundesregierung zur Einführung eines Stufenplans für mehr Frauen in Führungspositionen.
Ob nun die starre Quote oder die Flexiquote, eines steht fest: Wir sehen jedenfalls die Notwendigkeit konkreter Zielvorgaben für Unternehmen, um die Anzahl der Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten signifikant zu erhöhen. Wir sind hierbei auf einem guten Weg, meine Damen und Herren. Hierzu habe ich bereits in meinem vorhergehenden Redebeitrag mit zahlreichen Statistiken auf die Erhebungen hingewiesen.
Sehr geehrte Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wir stimmen Ihrem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu.
Vielen Dank, Kollege Borgwardt. - Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Bull.
Jede politische Frage ist zum einen Teil eine Frauenfrage und zum anderen Teil eine Männerfrage, einfach deshalb, weil unterschiedliche Erwartungen an Frauen und an Männer gerichtet werden, Rollenbilder.
Es ist eben so, dass das Gebären von Kindern in der Tat biologisch bedingt ist, das Anwerfen der Spülmaschine hingegen schon weniger.
Das zentrale Problem ist aber nach wie vor, dass diese geschlechtertypische Arbeitsteilung noch immer dazu führt, dass auf der einen Seite der Zugang zu Ressourcen wie Zeit, Geld, Arbeit und Macht - meist über Erwerbsarbeit - höchst unter
schiedlich gestaltet ist, und zwar in aller Regel zuungunsten von Frauen, und dass auf der anderen Seite - das gehört zur Wahrheit dazu - der Zugang zu Familienarbeit, zu Verantwortung für soziale Beziehungen und Reproduktionsarbeiten ebenso ungerecht gestaltet ist, und zwar zuungunsten von Männern. Das Geschlecht ist neben anderen sozialen „Markenzeichen“ ein sehr starker sozialer Platzanweiser.
Ich möchte die Konsequenzen anhand einer typischen Bildungsbiografie ganz kurz illustrieren. Wir haben hier schon sehr oft darüber diskutiert. Die Jungen haben - diesbezüglich sprechen die Zahlen eine klare Sprache - schlechtere Schulabschlüsse, respektive die Mädchen die besseren. Die Jungen drohen also zu so genannten Bildungsverlierern zu werden, respektive die Mädchen zu so genannten Bildungsgewinnerinnen. Darüber muss man in der Bildungspolitik reden; das ist wohl wahr. Aber: Es scheint nur so, als würden die Mädchen zu den Gewinnern zählen.
Meine Damen und Herren! In der Wissenschaft hat sich der Frauenanteil in den letzten Jahren äußerst mühsam in den zweistelligen Bereich gequält. Nach wie vor gilt die Faustregel: Je höher der wissenschaftliche Status, desto geringer der Frauenanteil. Das ist im Übrigen noch sehr viel dramatischer in den so genannten MINT-Fächern. Vielleicht für Herrn Scheurell: Das sind die Fächer, die naturwissenschaftlich, technisch und informationstechnologisch geprägt sind.
Es zeigt sich also, meine Damen und Herren: Mädchen und junge Frauen können auch in Sachsen-Anhalt den schulischen Bildungserfolg eben nicht in Lebensgewinn ummünzen.
Spiegelbildlich dazu gestaltet sich eben der männliche Anteil in den oft extrem schlecht bezahlten und vor allen Dingen auch in den unbezahlten Bereichen von Beziehungs- und Familienarbeit. Es gibt also sehr wohl dringenden Handlungsbedarf. Ich möchte nur drei Beispiele kurz skizzieren.
Zum Ersten muss man die Verhältnisse überhaupt kennen und sie einer kritischen Sicht unterziehen. Das ist von meinen Vorgängerinnen mehrfach gesagt worden. Wir haben hier vor zehn Jahren bereits über die Frage der geschlechterspezifischen Datenerfassung geredet. Nun fragen Sie einmal die Landesregierung, wie viele Mädchen in den vergangenen Jahren an naturwissenschaftlichtechnischen Wahlpflichtkursen teilgenommen haben. Vor zwei Jahren lautete die Antwort: Diese Daten werden nicht erhoben. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass sich diese Reihe beliebig fortsetzen ließe.
Die letzten Projekte der Landesregierung sind viele, viele Jahre her. Wir waren hier in der Tat einmal führend. Auch wenn man beim Lesen des Sozialberichts in den Teilen zum Gender-Mainstreaming manchmal durchaus den Eindruck gewinnen könnte, wir seien Helden - das sind wir nicht.
Zweitens. In vielen Bereichen, vor allen Dingen in den so genannten frauentypischen Bereichen, hat das Land in der Tat erheblichen Einfluss. Wir sind spätestens am 8. März immer an der Stelle, wo alle Ministerinnen und Minister die schwierigen Einkommensverhältnisse von Frauen in diesen Bereichen beklagen. Aber das ist unser ursprünglicher Bereich, wo wir tatsächlich etwas tun können.
Es ist höchste Zeit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, warum die Einkommenssituation gerade in diesen Bereichen, nämlich Pflege, soziale Arbeit, Beratungsangebote, Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, also in den so genannten frauentypischen Berufen, so schlecht bezahlt werden.
Drittens. Es ist so, dass die sozialen Rollen, die Mädchen und Jungen quasi herstellen - in Anführungszeichen -, auch in den Kitas und in den Schulen herausgebildet werden.
Wir brauchen eine kritische Sicht auf die traditionellen Geschlechterrollen. Jungen sind immer noch viel zu weit weg von sozialen Handlungsfeldern und Mädchen viel zu weit weg von den Handlungsfeldern, die mit Naturwissenschaft, Technik und Informationstechnologien zu tun haben. Wichtig ist es, hier in homöopathischen Dosen vorzugehen, also einen Sensus dafür zu entwickeln.
Meine Einschätzung ist: Das Kultusministerium ist sich hierbei seit 15 Jahren treu geblieben. Man könnte auch sagen: Fest im Herrn! Viele Länder - das finde ich so schade -, beispielsweise Berlin oder Nordrhein-Westfalen, sind uns darin um Lichtjahre voraus. Man muss dort keine akademischen Festvorträge mehr darüber halten, was GenderBudgeting, Gender-Mainstreaming, Diversity und dergleichen bedeutet. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Insofern finde ich den Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sehr substanziell - das möchte ich an dieser Stelle einmal sagen -, die Forderung des Landesfrauenrates aufzunehmen. Im Übrigen ist es ein Gewinn, dass moderne Geschlechterpolitik nunmehr von einer zweiten Fraktion unterstützt wird. Wunderbar!
Die Parteien der Mitte werden unter Druck gesetzt, auch in dieser Frage nun endlich aus dem Knick zu kommen. Im Übrigen: Auch meine Partei wird zum Wettbewerb gedrängt. Das ist etwas, das bekanntlich an vielen Stellen Entwicklung bringt. Ich finde, dass der Antrag eine sehr gute Geschäftsgrundlage dafür ist. Wir plädieren für eine Direktabstimmung und würden dem Antrag auch zustimmen.