Ich finde den zweiten Weg, den Sachsen-Anhalt in den letzten zwei Jahren gegangen ist, deutlich interessanter. Das ist das Modell der integrativen Klassen an den Grundschulen. Das hatte damals einen sehr schwierigen Beginn. Also willkommen war es an den Schulen nicht wirklich; es ist damals ausgeschrieben worden. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Erfahrungen mittlerweile ein Stück weit gewandelt haben.
Man kann mit Blick auf die Habenseite durchaus sagen, meine Damen und Herren, dass die Ressourcen auf die beteiligten Schulen sehr verlässlich verteilt worden sind. Es hängt nicht mehr davon ab, ob es ein oder zwei Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Klasse gibt und ob zwei oder vier Lehrerwochenstunden angesetzt werden. Stattdessen gibt es eine verbindliche Größe.
Gut finde ich auch die Umsetzung des Zwei-Pädagogen-Prinzips. Das ist zumindest halbwegs umgesetzt worden. Es gibt Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie Grundschullehrkräfte.
Sehr interessant war auch, dass es effektive Fortbildungsmöglichkeiten für beide Professionen gab. Genau diese Mischung hat es gemacht und hat nach der Auskunft der Betroffenen interessante Wirkungen hinterlassen, bis dahin, dass man sich in seinem pädagogischen Tun auch ein Stück weit hinterfragt, neue Wege geht bzw. zumindest für neue Wege offen ist.
Auf der Sollseite - das sage ich auch relativ ungeschminkt - steht allerdings das gegliederte Schulsystem selbst; denn die Philosophie, eine optimale Förderung ginge nur bei gleichen Lernvoraussetzungen, begründet zum Beispiel die Schwierigkeiten in der Sekundarschule.
Hierzu muss man sagen, dass die 22 Modellschulen die kritische Masse nicht erreicht haben. Ich finde es im Übrigen auch schade, dass es von den Betroffenen nicht einmal eine klare Ansage dazu gibt, wie jetzt weiter verfahren wird. Aber ich vermute, der Kultusminister wird sich dazu äußern.
Ein weiterer Punkt ist auch immer die Frage der Auskömmlichkeit der Ressourcen. Darüber wird auch sehr kontrovers diskutiert. Ich will an dieser Stelle ehrlich bekennen, dass bei der Frage der Auskömmlichkeit der Ressourcen immer auch problematische Allianzen eine Rolle spielen.
Auf der einen Seite gibt es bei dem Ruf nach mehr Ressourcen ab und zu die eine oder andere große Krokodilsträne von Beteiligten, die das Vorhaben eigentlich ablehnen. Auf der anderen Seite muss man hierbei auch vorsichtig sein; denn das Modell der inklusiven Schule kann keine Low-Budget-Variante sein und ist als solche auch nicht zu haben.
Ein weiteres grundlegendes Problem ist die mangelnde Qualifikation, didaktisch mit Heterogenität umzugehen. Hierzu sind die Angebote an den Unis eher mangelhaft. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich wiederum die Frage nach den Ressourcen.
Aber, meine Damen und Herren, die wichtigste Stellschraube bei dieser Frage ist aus meiner Sicht immer noch der Aspekt der inneren Haltung, nämlich die innere Haltung, alle Kinder mit ihrer Besonderheit und mit ihrer jeweils individuellen sozialen Lage willkommen zu heißen und diese Vielfalt auch für Lernprozesse und Lernsituationen vernünftig zu nutzen.
Hierbei geht es um eine Willkommenskultur. Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode eine Reihe von konkreten Vorschlägen dazu gemacht. Diese sind auch nicht vom Tisch. Das ist keine Frage.
Eine für uns wichtige Erfahrung haben wir in diesem Antrag dennoch neu formuliert. Mich hat es ein bisschen geärgert, dass in den Fragen an die Abgeordneten formuliert wurde - ich weiß nicht, ob es der Gemeindebund oder der Landkreistag gewesen ist -, dass gute Beispiele für eine inklusive Schule oder für das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung - so nenne ich es jetzt einmal - fehlten.
Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht wahr. Ich fände es ganz wichtig, dass die Schulen, die erfolgreich in diesem Bereich arbeiten - diese Schulen gibt es; deren Zahl ist auch nicht zu knapp -, die Chance bekommen, regionale Plattformen zu organisieren, in denen man voneinander lernen kann, sodass man nicht nach X oder Y fahren muss, einen akademischen Festvortrag zum Thema erhält, wieder nach Hause fährt und seinen Kollegen davon erzählt. Vielmehr sollte es Schulen
ermöglicht werden, mit Nachbarschulen in einen Erfahrungsaustausch einzutreten. Das wollten wir in einem Antrag festhalten.
Der dezentrale Erfahrungsaustausch ist einer der zentralen Schlüssel zum Erfolg. Das zeigt sich auch, wenn Sie mit den Schulrätinnen und Schulräten in Schleswig-Holstein ins Gespräch kommen. Es ist einer ihrer zentralen Erfahrungen, dass Schulen vor Ort miteinander ins Gespräch kommen müssen.
Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag bewusst allgemein gehalten. Man kann ein System nicht steuern, sondern nur segeln. Das hat, so glaube ich, Frau Dr. Hübner anlässlich einer Veranstaltung des DPWV am 5. Mai 2011 gesagt. Das finde ich sehr treffend. Diese Formulierung stammt von Norbert Maritzen, einem Sozialwissenschaftler.
Den gut hörbar einrastenden Kippschalter gibt es nicht. Demzufolge haben wir ihn auch nicht. Deswegen ist der Antrag als ein Angebot zu verstehen, dieses Parlament - es wird wahrscheinlich der Bildungsausschuss sein - in den schwierigen Umbau bei laufendem Betrieb einzubeziehen, sodass auch wir uns über gute und schwierige Erfahrungen austauschen, sodass auch wir als Parlament gehalten sind, zu überlegen, wie wir diesen Prozess produktiv gestaltet bekommen.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, haben wir in der Bildungspolitik nun wirklich nicht so viele Schnittmengen. Zumindest wenn ich mir die Mitte anschaue, gestaltet sich das eher schwierig. Aber bei der Frage der schulischen Integration sitzen wir alle in einem Boot. Wir dürfen diese Chance nicht vergeigen.
Ich denke, diesbezüglich sollten wir nicht nur produktiv miteinander ins Gespräch kommen, sondern im Gespräch bleiben. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Zu dem Änderungsantrag würde ich gegebenenfalls nachher noch etwas sagen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Doktortitel gebe ich gleich zurück, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.
Das Anliegen, über das wir sprechen, sollte unter allen Fraktionen und auch in der Landesregierung unstrittig sein. Das ist es auch. Ich danke aus
drücklich für die Einbringung, die noch einmal an wichtige Meilensteine in dem Bemühen um dieses Thema erinnert hat.
Insbesondere wurde an den Beschluss des Landtages der letzten Wahlperiode vom 2. Februar 2011 erinnert. Nach diesem Beschluss soll der gemeinsame Unterricht schrittweise zur bevorzugten Form der institutionellen Förderung weiterentwickelt werden, und zwar durch die Weiterentwicklung des von der Landesregierung vorgelegten Handlungskonzeptes.
Außerdem wird in dem Beschluss großer Wert auf eine qualitative Untersetzung der Entwicklung gelegt, indem die Bereitstellung der dafür notwendigen personellen, sächlichen und administrativen Ressourcen gefordert wird. Das sind die drei Säulen, auf denen es letztlich steht und an denen wir arbeiten müssen.
Hinzu kommt die zielgerichtete Intensivierung der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern sowie - auch darauf wurde bereits hingewiesen - die Erhöhung von integrationspädagogischen Anteilen in der Lehrerausbildung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat also vor ungefähr vier Monaten einen sehr weitreichenden Beschluss gefasst. In der Zwischenzeit fanden Landtagswahlen, Koalitionsverhandlungen und die Regierungsbildung statt. Die neue und die alte Landesregierung haben keinen Zweifel daran erkennen lassen, dass sie diesen Landtagsbeschluss umsetzen werden.
Aber - auch das wurde schon deutlich - das geht bei dieser komplexen Aufgabe, wie Sie verstehen werden, nicht von heute auf morgen, sondern nur schrittweise. Für ein solches Vorhaben braucht man einen langen Atem und die Bereitschaft, gründlich, mit Augenmaß und Sachverstand voranzugehen.
Wenn das alles so ist, dann muss natürlich auch die Frage erlaubt sein, worin die Substanz oder der Ertrag des vorliegenden Antrages liegt. Bei aller Wertschätzung dafür habe ich mich bei der Beschäftigung mit dem Antrag gefragt, ob hier nicht eher nach dem Lied von Reinhard Mey vorgegangen worden ist, der einmal über den Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars gesungen hat.
Zu den wenigen neuen Aspekten des Antrages gehört die Fristsetzung zur Berichterstattung. Auch hierin stimmen wir im Grundsatz überein, dass wir berichten wollen, dass wir auf diese Weise dieses Thema wach halten wollen und dass wir darüber im Gespräch bleiben wollen. Wir müssen sehen,
ob uns das gelingt, wo nachzusteuern ist und an welchen Stellen wir überlegen müssen, ob wir einige Dinge nicht noch besser machen können.
Die Landesregierung soll nach dem vorliegenden Antrag erstmals zu Beginn des kommenden Schuljahres über die Umsetzung des Februar-Beschlusses berichten. Nun ist es so, dass zu Beginn eines Schuljahres erfahrensgemäß viele Daten, die uns aber interessieren müssen, noch nicht vorliegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hinzu kommt ein weiterer Punkt. Ich habe mit Beginn meiner Amtszeit veranlasst, dass zu einigen wichtigen Vorhaben Arbeitsgruppen gebildet werden. Dazu gehört auch die Arbeitsgruppe „Gemeinsamer Unterricht“.
In einer Pressemitteilung haben wir bereits darauf hingewiesen, dass es diese Arbeitsgruppe geben wird. Neben dem Sachverstand des Ministeriums werden wir sowohl Vertreter der Lehrerverbände als auch die kommunalen Spitzenverbände und die Eltern einbeziehen. All das wird zeitnah passieren. Die Einladungen gehen in den nächsten Tagen an die zu beteiligenden Akteure.
Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden Auswirkungen auf die Umsetzung der Beschlüsse und die künftige Konzeption haben, sodass wir gemeinsam mit den Betroffenen an den entsprechenden Stellen nachsteuern können.
Ich unterstütze den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der eine Berichterstattung zum Ende des Jahres fordert. Damit haben wir erstens einen realistischen Diskussionsverlauf in dieser Arbeitsgruppe und wissen genauer, wo die Punkte sind, auf die wir zu schauen haben. Wir haben außerdem Daten vorliegen, die wir dann auswerten können. Ich glaube, dass das dem Ausschuss einen größeren Erkenntnisgewinn bringt als zu Beginn eines Schuljahres.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den Beitritt Deutschlands zur UN-Behindertenrechtskonvention ist dieser Prozess nicht nur stärker in das öffentliche Interesse gerückt, sondern auch zu einem wichtigen Aufgabenfeld im Bildungsbereich, insbesondere in den Schulen, geworden.
Im laufenden Schuljahr beträgt der prozentuale Anteil der im gemeinsamen Unterricht beschulten Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf 16,6 %. Frau Bull hat es in Ihrer Einbringungsrede bereits gesagt. Wenn wir den Blick nach vorn richten, dann können wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass wir im kommenden Schuljahr die 20%-Marke erreichen und damit im bundesdeutschen Durchschnitt liegen werden. Ich sage aber auch, dass uns das vor dem Hintergrund nicht nur der nationalen, son
Ich weiß, dass dieser Prozess vor Ort sowohl bei Eltern und Schülern als auch bei den Lehrkräften mit Verunsicherung und Herausforderungen verbunden ist. Es geht nicht alles glatt, wenn man an einer solchen Stelle umsteuert. Wir müssen es vor dem Hintergrund der Notwendigkeit dieses Prozesses schaffen - denn daran gibt es keinen Zweifel -, auch in den Köpfen der damit Befassten und Betroffenen ein Verständnis zu erzeugen, das den Blick auf die Chancen der Inklusion öffnet.
Zweifelsohne braucht es dazu entsprechende Rahmenbedingungen. Diese müssen wir verbessern. Daran sollten wir gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren in diesem Haus arbeiten. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Kultusminister. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Keindorf. Auch Ihnen wünschen wir viel Erfolg im Haus!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorreder haben bereits über den Landtagsbeschluss vor ca. vier Monaten berichtet. Ich möchte es deshalb an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Ich könnte es mir leicht machen und sagen, dass seitdem keine wesentlich neuen Aspekte zu berücksichtigen sind. Das ist - ganz objektiv betrachtet - auch der Fall.
Aber die CDU-Fraktion will sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken und ist bereit, die damals vorgestellte Konzeption der Landesregierung mitzutragen, die ihrerseits daran weiterarbeiten und sicherlich neue Aspekte aufnehmen wird. So sieht es auch der Landtagsbeschluss vom Februar dieses Jahres vor.