Protokoll der Sitzung vom 10.06.2011

Aber die CDU-Fraktion will sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken und ist bereit, die damals vorgestellte Konzeption der Landesregierung mitzutragen, die ihrerseits daran weiterarbeiten und sicherlich neue Aspekte aufnehmen wird. So sieht es auch der Landtagsbeschluss vom Februar dieses Jahres vor.

Unser Ziel ist es, noch mehr Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf die Möglichkeit zu eröffnen, einen Hauptschulabschluss oder sogar einen Realschulabschluss zu erlangen. Ich denke, das wäre ein schöner Erfolg. Wir sollten uns aber auch der Tatsache bewusst sein, dass ein solches Unterfangen nicht zum Nulltarif zu haben sein wird. Es verlangt insbesondere von den Lehrkräften eine gute Ausbildung. Wir dürfen und wir werden sie dabei nicht im Stich lassen.

Die CDU-Fraktion wird es nicht zulassen, dass Eltern gezwungen werden, ihre Kinder in den gemeinsamen Unterricht zu geben. Die Eltern wissen am besten, was ihrem Kind gut tut.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Elternwille korrespondiert mit unserer Vorstellung, dass die Förderschulen in ihrer Existenz nicht gefährdet werden dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten so ehrlich sein zu bekennen, dass eine individuelle Beschulung und Förderung eines Kindes nicht zwangsläufig zu gemeinsamem Unterricht führt. Die individuelle Förderung eines Kindes bedeutet, dass ich auch das nichtbehinderte Kind mit der gleichzeitigen Beschulung von behinderten Kindern überfordern, das heißt benachteiligen, kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen versuchen, dies durch eine verstärkte Qualifizierung des Lehrpersonals an den Schulen auszugleichen. Frau Bull hat geschildert, dass sich diesbezüglich schon einiges getan hat.

Selbst der Beauftragte der Bundesregierung für die UN-Konvention für Kinderrechte, in der übrigens auch geschrieben steht, dass das Wohl des Kindes über allem steht, hat in einer Lehrerfort- und -weiterbildung gesagt: Inklusion bedeutet nicht zwangsläufig die Auflösung von Förderschulen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Meinung möchte ich schließen und bitte um Zustimmung zum Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der auf eine erneute Berichterstattung der Landesregierung im Ausschuss für Bildung und Kultur hinausläuft. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Keindorf. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Professor Dr. Dalbert.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Inklusion von Kindern und Jugendlichen in unseren Schulen - das ist auch für uns ein hohes Gut. Ich freue mich, dass sich dieses Hohes Haus schon in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gemacht hat, das Land Sachsen-Anhalt in eine bessere Situation zu bringen.

Sachsen-Anhalt gehört zu den Bundesländern, die sich dadurch auszeichnen, dass sie an der Stelle im Schulgesetz schon immer eine sehr fortschrittliche Gesetzgebung gehabt haben. Im Schulgesetz steht, dass eine gemeinsame Beschulung einen hohen Stellenwert hat. Aber unsere tatsächliche schulische Situation - die Zahlen wurden vorgetragen - steht dem deutlich nach.

Ich verstehe den Antrag der Fraktion DIE LINKE so, dass sie den Beschluss, der in der letzten Legislaturperiode gefasst wurde, weiter untersetzen möchte, um deutlichere und bessere Zielmarken

zu geben, damit wir in größeren Schritten endlich an das Ziel kommen. Das kann die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur begrüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Dennoch kommen mir, wenn ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE lese, an der einen oder anderen Stelle Fragen. Ich will zwei oder drei dieser Fragen aufgreifen.

Unter Punkt 4 schreiben Sie - Sie haben das in Ihrer Rede eben begründet, Frau Bull -, dass Sie regionale Plattformen schaffen wollen, um Best Practice vorzustellen. Den dahinter stehenden Gedanken sehen wir mit großer Sympathie. Ich würde mir an der Stelle aber wünschen, dass Sie klarer machen, wie Sie eine solche neue Institution in die bereits bestehenden Institutionen einordnen.

Ich bin immer ein wenig vorsichtig, wenn man etwas Neues gründet. Ich möchte gern wissen: Wie sollen sich diese regionalen Plattformen in Verbindung mit bereits bestehenden Förderschulzentren und mit den Frühförderstellen verhalten? - Diesbezüglich gibt es noch Ungenauigkeiten, bei denen ich mir wünschen würde, dass sie besser ausdifferenziert werden.

Sie geben für den geforderten Bericht Ziele an. Diese Forderung kann ich nur unterstützen, denn wenn wir weiterkommen wollen, brauchen wir klare Zielmarken und regelmäßige Berichte, damit wir sehen, wo wir stehen und wo wir nachbessern müssen.

Sie nennen drei Ziele. Ein Ziel ist, über den Einsatz, die Entwicklung sowie die Angemessenheit der personellen Ressourcen zu berichten. Die spannende Frage hierbei ist: Was ist eine angemessene personelle Ressource. Es ist keine Berichtsaufgabe, sondern eine Arbeitsaufgabe zu definieren, was angemessen ist. Wir müssen beispielsweise dazu kommen - Sie haben es angedeutet -, dass wir die Förderschullehrerinnen und lehrer dauerhaft in die Teams der Schulen integrieren und diesbezüglich nicht mit stundenweiser Zuordnung arbeiten können.

Ferner hat mich gewundert - in dem mündlichen Beitrag klang es ein wenig anders; Herr Dorgerloh hat auch in seinem Redebeitrag aufgegriffen -, dass Sie bei den Lehrkräften und pädagogischen Mitarbeitern von Fort- und Weiterbildung sprechen. Das ist gut so. Ich glaube aber, dass wir an der Stelle auch ein Ausbildungsproblem haben. Auch das haben Sie erwähnt. Das würde ich mir auch als Zielmarke wünschen.

Das Land Sachsen-Anhalt steht im Bundesvergleich nicht schlecht da, weil bei uns die Grundschullehrer und -lehrerinnen eine Pflichtausbildung in Inklusionspädagogik haben. Der Umfang ist jedoch gering und gerade diese Lehrer benötigen eigentlich mehr Stunden. Einige Stunden an Inklu

sionspädagogik wären auch für die Lehrerinnen und -lehrer wichtig, die an die Sekundarschulen und die Gymnasien gehen. Diesbezüglich würde ich mir die Aufnahme des Punktes Ausbildung wünschen.

Sie schreiben unter Nr. 5 Buchstabe c, dass Sie über „die künftig erwartete Auslastung und die Perspektive der Förderschulstandorte“ berichten lassen möchten. Hierbei stellt sich für mich die Frage - die ist auch in dem Redebeitrag von Herrn Keindorf zur Sprache gekommen -, was wir an der Stelle denn eigentlich wollen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat hierzu eine klare Zielstellung. Wir wollen, dass Förderschulen abgebaut werden. Das heißt aber nicht, Herr Keindorf, dass wir am Ende in Sachsen-Anhalt keine Förderschulen mehr haben werden. Es mag fünf oder sechs Förderschulen geben - ich will mich da nicht festlegen; es gibt Beispiele in anderen Bundesländern -, da für eine kleine Gruppe von Kindern die Förderschule der bessere Kontext sein mag.

Die politische Linie ist aber der Abbau von Förderschulen mit der von mir definierten Ausnahme. Ich denke, auch darin liegt eine politische Aufgabe. Wir haben elf verschiedene Arten von Förderschulen. Es ist wichtig zu sagen, wie wir uns den Weg vorstellen; denn bei manchen Förderschularten ist es leichter, bei manchen ist es schwieriger, sie abzubauen. Auch die Maßnahmen, die man ergreifen muss, um sie abzubauen, sind völlig unterschiedlich.

Insofern habe ich zu Ihrem Antrag an der einen oder anderen Stelle einen Nachbesserungswunsch oder einfach einen Präzisierungswunsch. Insgesamt begrüßen wir aber diesen Antrag. Der Regierungskoalition, den Fraktionen der CDU und der SPD muss ich sagen: Wissen Sie, dass man über die Aufgaben, die man übernommen hat, berichtet, das bedarf, wie ich finde, keines Antrages.

Herr Dorgerloh, der Unterschied zwischen den beiden Anträgen ist ja der, dass CDU und SPD Endes des Jahres 2011 einmal berichten wollen, die Fraktion DIE LINKE aber einen regelmäßigen Bericht einfordert. Ich finde es richtig - das ist klassische Evaluation -, dass man regelmäßig berichtet.

Herr Dorgerloh, den Unterschied zwischen Ende des Schuljahres, wie von Ihnen gefordert - -

(Minister Herr Dorgerloh: Nein, Endes des Jahres! - Weitere Zurufe)

- Sie haben aber gesagt: Ende des Schuljahres.

(Minister Herr Dorgerloh: Nein, Endes des Jahres!)

- Gut. Dann wäre eine geringe Differenz von drei Monaten zwischen dem, was die Fraktion DIE LINKE beantragt, nämlich vor Beginn des Schuljahres,

und dem, was Sie fordern, nämlich Ende des Jahres. Ich glaube, diese Differenz ist vernachlässigbar; denn Sie können sich immer nur auf vorliegende Statistiken beziehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem heutigen Änderungsantrag wollen wir ein Signal setzen, nämlich konstruktiv an diesem Thema zu bleiben, so wie wir es bereits im Februar in diesem Hohen Hause miteinander vereinbart haben. Wenn sich das Parlament in seiner Arbeit ernst nimmt, ist es unserer Meinung nach nicht erforderlich, die Zielstellung dieses Beschlusses noch einmal zu bekräftigen. Es bedarf auch keiner neuen Beauftragung.

Es wurde festgestellt - ich denke, Frau Dalbert hat das gut formuliert -: Der politische Wille zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Förderbedarf ist im Februar 2011 zum Ausdruck gebracht worden. Das Fachministerium hat also einen klaren Auftrag, aus diesem politischen Willen sozusagen einen entsprechenden politischen Adapter dafür vorzubereiten.

Ich erinnere mich ganz gut an die emotional geführte Debatte. Darin wurde klar, dass es noch viele offene Fragen gibt. Es gab in der Tat berechtigte Kritik am Übergangsmanagement bei der Einführung des neuen Systems. Ich denke, hierbei ist es in der Tat notwendig, moderat nachzusteuern.

Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen zählen die Intensivierung der spezifischen Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeiter. Natürlich auch die Frage der Ausbildung generell.

(Unruhe)

Es ist hier etwas zu murmelig; man versteht es schwer.

Wir sind uns doch an der Stelle sicherlich einig, dass gemeinsamer Unterricht nicht bedeutet, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ganztägig exklusiv durch eine Förderschulkraft unterrichten zu lassen. Gemeinsamer Unterricht ist eine vielschichtige Aufgabe mit vielschichtigen Aufgabenfeldern. Allerdings muss man einräumen, dass die zwei Stunden, die zurzeit dafür zur Verfügung stehen, auch uns nicht befriedigen.

Also: Ich denke, es geht auch darum, systematisch Aufklärungsarbeit zu leisten, in der Öffentlichkeit, aber auch in den Schulen dafür Verständnis zu wecken, dass das System umgestellt wird mit dem Ziel, dass das Förderschulsystem generell umgestellt wird, aber es sicherlich auch in Zukunft noch Förderschulen gibt, allerdings nicht mehr in der Anzahl, wie wir es bisher auch im Vergleich für Sachsen-Anhalt als misslich erlebten.

In die Planungen der nächsten Jahre - das haben wir erfahren - wurden die Fortbildungen für Lehrkräfte aller Schulformen aufgenommen. Auch berufsbegleitende Studiengänge sind vorgesehen.

Im Hinblick auf die Zielvereinbarungen mit den Universitäten wurde auch daran gewirkt, die integrative und förderpädagogische Ausbildung als Bestandteil aufzunehmen und sie in die zweite Phase der Lehrerausbildung zu integrieren, nämlich in den Bereich der Didaktik und Methodik. Ich denke, die integrationspädagogischen Anteile sind an der Stelle außerordentlich wichtig.

Sicherlich wissen wir um die Schwachstellen. Aus einzelnen Gesprächen mit Betroffenen sind uns auch die Fälle bekannt, in denen es nicht gut läuft, wo die personellen Probleme benannt wurden und wo die Transparenz der Schüler-Lehrer-Zuweisungen kritisiert wird. Auch die Fragen der Leistungsbewertung sind noch nicht endgültig geklärt.

Für mich war an der Stelle heute die Aussage des Ministers wichtig, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wurde,