Protokoll der Sitzung vom 13.09.2013

Sie implizieren mit Ihrem Antrag, dass eine sogenannte kritische Analyse der damaligen Reform neue Erkenntnisse ans Licht bringen wird, die ihrerseits eine Reform der Reform notwendig machten. So jedenfalls muss man Ihre Begründung verstehen. Was dahintersteckt, wird nur deutlich, wenn man die Begründung heranzieht: Ihnen ist die Abiturquote zu niedrig.

(Zustimmung von Frau Dr. Klein, DIE LINKE, und von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Ergo muss man nach Ihren Vorstellungen die Erwartungen an die armen Abiturienten herunterschrauben,

(Frau Bull, DIE LINKE: Hören Sie auf! - Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Oh!)

was nichts anderes bedeutet, als die Standards abzusenken.

Gleichzeitig fordern Sie vom Kultusminister, dass er sich in der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen möge, einheitliche Standards für das Abitur zu verabschieden.

(Herr Lange, DIE LINKE: Sie haben doch auch Abitur gemacht!)

- Ja, und in kürzerer Zeit als Sie.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wir können sicherlich - davon bin ich überzeugt - davon ausgehen, dass der Kultusminister seine führende Rolle als Präsident der Kultusministerkonferenz hinreichend wahrnimmt. Es scheint Ihnen entgangen zu sein, dass die Regelungen, die Sie anmahnen, an dem Gymnasien im Land Sachsen-Anhalt bereits existieren.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Die KMK hat - wenn auch nach langem Anlauf - ihre Hausaufgaben gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit meine Ausführungen lege ich den Schluss nahe, dass

es Ihnen mit Ihrem Antrag gar nicht um die Sache geht,

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Ja! - Lachen bei und Zurufe von der LINKEN)

sondern eher um Effekthascherei

(Herr Scheurell, CDU: Hardy, das hast du gut erkannt! Jawohl! - Zurufe von der LINKEN)

und darum, ein wirksames und bewährtes Instrument wie die Oberstufenverordnung Stück für Stück zu verhackstücken.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scheurell, CDU: Jawohl! - Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜ- NE: O nee! - Zurufe von der LINKEN: Um Gottes willen! - Nein!)

Meine Damen und Herren! Noch ein kleiner Schlenker zur Abiturquote. Die Frage, wie viele Abiturienten wir brauchen, ist in den letzten beiden Wochen erneut in den Mittelpunkt der bildungspolitischen Diskussion in ganz Deutschland gerückt,

(Herr Lange, DIE LINKE: Aha!)

ausgelöst auch von einem namhaften Wissenschaftler in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 1. September 2013. Dort lautet die Überschrift des Interviews: „Wir sollten den Akademisierungswahn stoppen“.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Recht hat dieser Autor, dessen Namen ich gleich nennen werde. Vielleicht hat der eine oder andere das Interview auch gelesen.

(Frau Mittendorf, SPD: Vielleicht!)

Er führt an anderer Stelle des Interviews wie folgt aus - ich zitiere -:

„Was ich der Bildungspolitik aller Parteien - auch der SPD - vorwerfe, ist, dass sie einen Weg eingeschlagen hat, der dazu führen könnte, die einzigartige Qualität des deutschen Bildungssystems zu beschädigen oder zu zerstören -“

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

„nämlich die Herausbildung einer exzellenten Facharbeiterschaft, die alle Schichten der Gesellschaft aufnimmt.“

(Frau Budde, SPD: Sind wir beim falschen Thema, oder was?)

Ich möchte den Schleier lüften, meine Damen und Herren: Das Zitat stammt von Herrn Nida-Rümelin, seines Zeichens Philosoph, SPD-Mitglied und Kulturstaatsminister a. D.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich empfehle Ihnen die Lektüre dieses Interviews.

(Frau Bull, DIE LINKE: Na super!)

Vielleicht bleiben uns dann solche Anträge wie die beiden vorliegenden künftig erspart. Ich hoffe es.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar nicht so einfach, in diesem Nebel das Rednerpult zu finden, denn es sind wirklich Nebelkerzen, die hier geworfen werden.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Zurufe von Herrn Scheurell, CDU, und von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ich möchte einmal versuchen zu sagen, worum es eigentlich geht.

(Frau Bull, DIE LINKE: Soll ich Ihnen hel- fen? - Herr Scheurell, CDU: Die Aufklärerin!)

Wir haben in Sachsen-Anhalt die niedrigste Abiturientenquote in der ganzen Bundesrepublik Deutschland - 36,8 %. Jedes andere Land hat einen höheren Anteil an Abiturientinnen und Abiturienten. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 51 %.

Nun kann man sich fragen: Woran liegt das denn? - Vielleicht liegt es daran, dass wir schlechtere Lehrer oder dümmere Schüler haben. Vielleicht machen wir auch auf einer anderen Ebene etwas falsch. Ich stimme mit der Fraktion DIE LINKE darin überein, dass wir nicht glauben, dass unsere Lehrer schlechter und unsere Schüler dümmer sind, sondern dass es vielleicht an anderen Dingen liegt.

(Herr Lange, DIE LINKE: Eben!)

Ein weiterer Punkt. Der Herr Minister hat es schon ausgeführt, wenngleich auch mit einer etwas anderen Konnotation: Die Qualität des Abiturs steht hier überhaupt nicht zur Debatte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Qualität des Abiturs wird inzwischen glücklicherweise von der KMK über Vereinbarungen reguliert, die Bildungsstandards feststellen, die einen Aufgabenpool zur Verfügung stellen, aus dem sich die Bundesländer bedienen können, die das IQB beauftragt haben, das zu evaluieren und zu begleiten. Die Qualität des Abiturs und die Qualität, die diesem als Zugangsvoraussetzung für viele gesellschaftliche Bereiche zugrunde liegt, stehen hier nicht zur Debatte.

(Beifall bei den GRÜNEN - Frau Bull, DIE LINKE: Es war ihm entgangen! - Herr Lan- ge, DIE LINKE: Herrn Güssau aber auch!)

Aber das Problem ist, dass es bei uns andere Zugangsvoraussetzungen gibt. Dazu sage ich: Das ist ungerecht. Sehen Sie sich einmal die Statistik an: Nach der ersten Veränderung der Verordnung ist die Zahl der Sitzenbleiber in der 11. Klasse sprunghaft angestiegen, alleine durch diese Veränderung der Verordnung. Vorher lag die Wiederholerrate mal bei 1,6 %, mal bei 0,2 %; danach sehen Sie bis heute Wiederholerraten von 6 %, von 8 %, von 9 %.

Angesichts dessen muss man sich doch fragen: Ist denn genau zu diesem Zeitpunkt noch etwas anderes passiert, außer dass die Verordnung verändert worden ist? Wenn sie mir eine gute Alternativtheorie nennen, sehe ich mir diese gern an.

Eine Erklärung ist jedoch, dass durch die Veränderung der Verordnung, mit der die Zahl der Wiederholer gestiegen ist, eben die Zulassung zum Abitur erschwert worden ist. Das ist doch der Punkt, den wir uns ansehen müssen. Dazu sage ich: Ich finde es nicht gerecht, dass bei uns die Schüler und Schülerinnen die Fächer, in denen sie schlechte Leistungen haben, eben nicht zum Teil abwählen können. Der Minister hat angedeutet, dass dazu möglicherweise eine Änderung kommen wird.

(Frau Bull, DIE LINKE: Er will sie verhack- stücken, der Kollege!)