Protokoll der Sitzung vom 13.09.2013

Je mehr erneuerbare Energien vor Ort erzeugt und verbraucht werden, umso mehr Geld bleibt in der Region, weil es dann auch nicht mehr für Öl, Gas und Kohle ausgegeben werden muss. Wir lassen die Brötchen, die wir vor Ort verzehren, ja auch vor Ort backen.

Die Energiewende ist ein Gewinn, und zwar für die gesamte Gesellschaft. Wir haben für einzelne Regionen Sachsen-Anhalts Szenarien gerechnet, bei denen zu 100 % erneuerbare Energien genutzt werden. Beispiel Altmark: Zurzeit geben die privaten Haushalte dort jährlich 270 Millionen € für Strom, Wärme und Mobilität aus. Da man aktuell noch zwei Drittel der Energie in Form von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland zukauft, fließen mindestens zwei Drittel der finanziellen Aufwendungen für Energie - das sind 180 Millionen € - auf Nimmerwiedersehen aus der Region und dem Land ab.

Sobald es gelingt, die Energieversorgung vollständig auf heimische erneuerbare Energien umzustellen, werden dem regionalen Wirtschaftskreislauf erstens diese Mittel in Höhe von 180 Millionen €, zweitens die Ausgaben von Industrie und Gewerbe für Energie sowie drittens jene Erträge, die die Region durch die Energielieferung an umliegende Städte und Ballungsräume wie Magdeburg und Berlin erzielen würde, erhalten bleiben.

Eine Zukunft, die zu 100 % auf erneuerbare Energien setzt, garantiert also eine konsequente Quelle regionaler Wertschöpfung. Deshalb muss auch an dieser Zukunft gearbeitet werden. Davon können die Menschen vor Ort profitieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Inzwischen gibt es die breite gesellschaftliche Einsicht, dass die erneuerbaren Energien erforderlich sind. Die Menschen wollen sie. Die Propaganda der schwarz-gelben Bundesregierung, die die erneuerbaren Energien als teuer brandmarkt, verfängt zwar, ist aber im Endeffekt wirkungslos. Schwarz-Gelb, gerade selber Ursache für den Anstieg der Strompreise, kommt mit einem Schreckgespenst daher.

(Zuruf von Herrn Rosmeisl, CDU)

Doch nach dem ersten Schreck, Herr Rosmeisl, gehen die Menschen dennoch furchtlos für die erneuerbaren Energien auf die Straße.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn sie wissen, dass nur die sauberen Energien das Klima schützen können und auch langfristig Bezahlbarkeit gewährleisten können.

Jüngstes Beispiel: Unter dem Motto „Rückenwind für Bayern“ wurden Unterschriften gesammelt gegen das Ansinnen von Bayern und Sachsen, zwischen Windrad und Wohnbebauung einen Abstand von 2 000 m festzuschreiben.

(Herr Scheurell, CDU: Das ist sehr sinnvoll!)

Wenn dieser Abstand käme, Herr Scheurell, wäre das das Aus für den Zubau von Windenergieanlagen.

(Herr Scheurell, CDU: Das hat jetzt Baden- Württemberg auch schon! Da wird in Eile in- stalliert!)

Mit so viel Widerstand hat Ministerpräsident Seehofer nicht gerechnet. Das war reines Wahlkampfgetöse. Was hat er nun davon? - Er musste seine eigene Bundesratsinitiative auf Eis legen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist ein wirklicher Erfolg, ein bürgerschaftlicher Erfolg, dass das Ausbremsen der Energiewende an dieser Stelle gestoppt wurde. Die Erfolge der Energiewende gehen zum allergrößten Teil auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger zurück. Sie gehen seit Jahrzehnten für den Atomausstieg auf die Straße. Sie setzen sich für dezentrale Strukturen ein. Sie entwickeln alternative Baustoffe. Sie machen ihre Dächer zu Kraftwerken und stellen in ihre Keller Blockheizkraftwerke. Deshalb sollen die Bürgerinnen und Bürger, die die Energiewende maßgeblich tragen, auch verstärkt finanziell beteiligt werden und auf diese Weise von ihr profitieren.

Gerade dort, wo die Erneuerbare-Energien-Anlagen aufgebaut werden und wo mitunter auch eine Einschränkung beklagt wird, beispielsweise weil ein Windrad eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes mit sich bringt, müssen die Menschen direkt einen Nutzen und einen Mehrwert durch die erneuerbaren Energien erhalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das würde die Akzeptanz der Energiewende weiter erhöhen und noch mehr Kreativität und Motivation zu ihrer Unterstützung freisetzen. Wir brauchen den Erfolg der Energiewende. Sonst können wir den Klimaschutz vergessen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Deshalb möchten wir die Landesregierung bitten, die Rahmenbedingungen für die finanzielle Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen aus der Region an Energiewendemaßnahmen zur Erzielung eines Mehrwertes zu verbessern.

Es ist leider eine Tatsache, dass die Menschen und die Unternehmen in Sachsen-Anhalt gerade vom Ausbau der Windenergie zu wenig profitieren. So zeigt eine Erhebung der IHK Magdeburg bei gewerblichen Unternehmen, dass die Windenergieanlagen im Kammerbezirk Magdeburg lediglich zu 8,8 % im Besitz von Unternehmen in SachsenAnhalt sind. Diesbezüglich haben wir Nachholbedarf. Wir wollen erreichen, dass Menschen und Unternehmen aus Sachsen-Anhalt hierbei besser zum Zuge kommen.

Gerade wenn sich kommunale Unternehmen, zum Beispiel kommunale Stadtwerke, an ErneuerbareEnergien-Anlagen beteiligen können, kann die Einnahmesituation der kommunalen Haushalte verbessert werden, um insbesondere die sogenannten freiwilligen Aufgaben erledigen zu können, beispielsweise die Investition in den Spielplatz einer Kita.

Eine interessante und innovative Möglichkeit, wie ein Bundesland die Bürgerinnenbeteiligung an erneuerbaren Energien aktiv fördern kann, stellen Zinsverbilligungen dar. Die Bundesländer Brandenburg und Baden-Württemberg gehen diesen Weg bereits. Über ihre Investitionsbanken gewähren sie Zinsverbilligungen für Windenergieunternehmen, deren Gesellschaftsanteile mehrheitlich Bürgerinnen, Unternehmen und Grundstückseigentümerinnen vor Ort gehören.

Wir denken, das ist ein Modell, welches auch für Sachsen-Anhalt interessant sein könnte. Wir setzen dabei ausdrücklich auf die mehrheitliche Beteiligung von Bürgerinnen, Unternehmen und Grundstückseigentümerinnen, damit die Beteiligung wirklich maßgeblich wird und nicht nur zu einem Feigenblatt gerät.

Mit einer solchen Förderung würde sich SachsenAnhalt aktiv und intelligent hinter die Energiewende stellen. In Zeiten, in denen auch Banken durch Altmaiers und Röslers Verlautbarungen verunsichert worden sind, ginge von einer solchen Zinsverbilligung das wichtige Signal aus, dass die Banken auch weiterhin Kredite für erneuerbare Energien geben. Das ist zurzeit tatsächlich ein Problem, weil die beiden für so viel Verunsicherung gesorgt haben.

Eine weitere Maßnahme zur Verbesserung der finanziellen Beteiligung wäre es, wenn landeseigene Flächen nur dann für erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt würden, wenn sich Menschen oder Unternehmen aus der Region mit einem Anteil von mindestens 10 % an der Gesamtanlage beteiligten. Diese Bedingung soll auch für das Einverständnis zur Eintragung von Baulasten gelten.

Wichtig ist auch, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Beschäftigte der Bauämter ihr Wissen über das Planungsrecht und über kommunalrechtliche Vorschriften verbessern. Mit die

sem Wissen können die Kommunen ihre gemeindlichen Interessen viel besser durchsetzen und auch neue Handlungsfelder im Bereich der erneuerbaren Energien eröffnen, beispielsweise indem sie darauf drängen, dass die Pachtzahlungen bei Windparks in einen Pool fließen und dann auf das gesamte Ausweisungsgebiet aufgeteilt werden, sodass die Kommunen zum Beispiel auch davon profitieren können, wenn in diesem Gebiet ein kommunaler Weg liegt. Dann würden tatsächlich auch Pachtzahlungen an die Kommunen fließen. Solche Flächenpoolmodelle funktionieren in anderen Bundesländern schon, nur in Sachsen-Anhalt leider noch nicht. Die Kommunen sollten dahingehend Druck machen.

(Zustimmung von Frau Lüddemann, GRÜNE)

Mit mehr Wissen werden sie sich auch besser für eine frühzeitige Einbindung der Bürgerinnen und Bürger einsetzen und auf Möglichkeiten zu deren wirtschaftlicher Beteiligung drängen, beispielsweise bei Energiegenossenschaften - dieses Thema hatten wir heute schon. Verglichen mit anderen Bundesländern und orientiert am Umfang der Nutzung der erneuerbaren Energien müsste Sachsen-Anhalt viel mehr Energiegenossenschaften haben.

Wir würden vorschlagen, hierbei die Landesenergieagentur mit ins Boot zu holen. Es ist erfreulich, dass die Lena genau so eine Informationskampagne zu Energiegenossenschaften starten wird. Das ist sehr schön. Darüber freuen wir uns.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir würden es auch gern sehen, dass sich die Lena um die Information und Schulung von Handwerksbetrieben kümmert, damit diese ihre Kundinnen und Kunden besser über die Nutzung der erneuerbaren Energien beraten können.

(Herr Barthel, CDU: Das wird die Hand- werkskammer freuen!)

Es gibt dabei noch Defizite. Ich habe gerade eine aktuelle Pressemitteilung gelesen zu einer Erhebung, nach der die Beratung zu PV-Anlagen lediglich in 20 % der Fälle so erfolgt, dass die Installationsbetriebe den Bauwilligen auch die Batteriespeicher ans Herz legen. Es gibt also Nachholbedarf.

Da Handwerkerrinnen und Handwerkern eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen wird,

(Herr Keindorf, CDU: Oh, danke schön!)

wäre es gut, wenn sie auch mit Begeisterung die Vorteile der erneuerbaren Energien herausstellen könnten. Das geht am besten über das eigene Erleben. Es ist denkbar, den Handwerksbetrieben eine Sonderförderung zum Betreiben von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu gewähren.

Erneuerbare Energien geraten automatisch verstärkt in Bürgerinnenhand, wenn sie zur Eigenerzeugung genutzt werden. Seit ca. zwei Jahren haben wir die sogenannte Netzparität erreicht, das heißt, der Strom vom Dach, von der Photovoltaikanlage, ist billiger als der zugekaufte Strom vom Energieversorger. Es lohnt sich also finanziell einzusteigen.

Die Vergütungssätze bei neuen PV-Dachanlagen liegen ab 1. Oktober 2013 bei lediglich 14 Cent je Kilowattstunde. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen und Gewerbeparks können den Strom auch komplett verbrauchen, brauchen also nicht einmal Speicher. Das ist finanziell hochinteressant. Dafür sind aber auch vernünftige Geschäftsmodelle erforderlich, beispielsweise dann, wenn die Gebäude den Betreibern des Gewerbes gar nicht gehören. An dieser Stelle sind Aufklärung und Information nötig, die auch von der Lena organisiert werden könnten.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Sachsen-Anhalt sollte weiterhin eine Vorreiterrolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien einnehmen und diesen Job- und Innovationsmotor unterstützen.

Es geht uns nicht darum, alle finanzkräftigen und professionellen Großinvestoren von der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen fernzuhalten. Wir wollen jedoch mehr Teilhabe. Wir wollen vor allen Dingen die finanzielle Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an den erneuerbaren Energien verstärken, vor allen Dingen wenn die Anlagen in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnumgebung errichtet werden. Damit kann auch ein Beitrag geleistet werden, um privates Kapital zu bilden. In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase ist das sicherlich von großem Interesse. Gerade der ländliche Raum würde durch eine höhere Bürgerinnenbeteiligung an erneuerbaren Energien gestärkt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Scheurell, CDU: Das war so mitreißend!)

Vielen Dank für die Einbringung, Frau Frederking. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Aeikens das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in einigen kurzen Worten auf den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen. Sehr verehrte Frau Frederking! Es freut mich, dass in den einleitenden Bemerkungen der Reden der GRÜNEN zunehmend andere ge

lobt werden. Herr Weihrich hat gestern die Bundeskanzlerin gelobt; Sie loben das Land bezüglich der enormen Beschäftigungsintensität in diesem Bereich. Vielen Dank dafür, dass Sie die Landesregierung gelobt haben.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Lassen Sie mich an dieser Stelle jedoch auch eines sagen: Ich führe die Tatsache, dass wir bei der Beschäftigung im Bereich der regenerativen Energien führend sind, nicht auf das EEG zurück, sondern darauf, dass wir der Wirtschaft in diesem Bereich ein vernünftiges Umfeld bieten, damit sich die Wirtschaft hier wohlfühlt.