Protokoll der Sitzung vom 13.09.2013

Reform vor ihrem Anfang ausrufen. Es ist Ihr verdammter Job, in diesem Land zu regieren.

(Herr Borgwardt, CDU: Wieso ist der Job verdammt?)

Das sind Sie den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die wissen wollen, ob Sie auch morgen noch einen Polizisten im Dorf zu Gesicht bekommen und wer ihnen zu Hilfe eilt, wenn Handtaschenräuber Hand an Oma Erna ihr Erspartes legen. Rufen Sie die Fraktionen zur Ordnung! Stellen Sie die Handlungsfähigkeit der Koalition wieder her!

Dass CDU und SPD stark beim Abbau von Grundrechten sind, war in den letzten Monaten immer wieder zu spüren: Polizeigesetz, neue Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz. Nun zeigen Sie doch einmal, meine Damen und Herren, ob Sie den Tanker Polizei auch reformieren können und Sachsen-Anhalt als sicheres und lebenswertes Bundesland erhalten können.

(Herr Leimbach, CDU: Mr. Law and Order! - Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Um was sollte es uns bei der unbestritten notwendigen grundlegenden Polizeistrukturreform gehen und welchem Ansatz müssen wir folgen? - Es ist klar, dass trotz knapper personeller und finanzieller Ressourcen Sicherheit nicht in erster Linie betriebswirtschaftlich bewertet werden kann. Dies ist im Übrigen auch eine Feststellung, die der Herr Minister in der MDR-Talkrunde „Fakt ist …!“ am 22. April 2013 selbst getroffen hat. Er hat sich in dieser Sendung auch festgelegt - Zitat -:

„Wenn die Polizei nicht in 20 Minuten vor Ort ist, sind wir mit unserer Reform gescheitert.“

Ich halte diesen Ansatz für richtig, nämlich zunächst zu überlegen, was wir mit der Reform erreichen wollen. Wir müssen fragen: Was stellen wir uns unter einer rechtsstaatlichen, bürgernahen und effizienten Polizei vor?

Herr Leimbach, dabei geht es nicht um Law and Order, sondern um Bürgernähe und Grundrechtsorientierung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Bom- mersbach, CDU: Das verstehen Sie doch gar nicht!)

- Ich verstehe, glaube ich, mehr von Bürgernähe und Grundrechtsorientierung, als Ihnen lieb sein kann, Herr Kollege Bommersbach.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Landespolizei in Sachsen-Anhalt sind notwendig? Welche Veränderungen in der Struktur sind erforderlich, um effizient zu arbeiten und dem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen? Welche technische Ausstattung

braucht unsere Polizei? Welches Leitbild legen wir der polizeilichen Arbeit zugrunde?

In einem zweiten Schritt müssen wir uns fragen, wie wir dies mit unseren personellen und finanziellen Ressourcen gestemmt bekommen. Das ist meines Erachtens die einzig seriöse Herangehensweise, und nicht das Führen von Verteilungskämpfen.

Daher fand ich die Vorlage von Modellen durch den Innenminister im April dieses Jahres insgesamt zielführend. Mir sagt das Modell A tendenziell mehr zu, weil es klare Zuständigkeitsregelungen, schlanke Strukturen und eine hohe Effizienz verspricht.

Allerdings: Ich kann mich auch daran erinnern, dass mit der Vorstellung der Modelle eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angekündigt war. Sie ist sicherlich erstellt worden. Welche Empfehlungen spricht sie nun aus? Mit wie viel Personal sind die jeweiligen Modelle umzusetzen? Und: Macht eines der vorgestellten Modelle Sachsen-Anhalts Polizei wirklich zukunftsfest? Passen also Personalplanung auf der einen Seite und Strukturmodelle auf der anderen Seite auch in den kommenden Jahren, bis zum Zeithorizont 2020, zueinander?

Die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts, die Vertreter in den Landkreisen, Städten und Gemeinden und nicht zuletzt wir als Parlament haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wie die zukünftige Sicherheitsarchitektur des Landes aussehen soll. Indes werden wir täglich aufs Neue mit widersprüchlichen Aussagen aus Kreisen des Innenministeriums und der Koalitionsfraktionen konfrontiert.

Auch an der Polizei, meine Damen und Herren, erweist sich, ob die Regierung Haseloff noch handlungsfähig ist.

(Lachen bei der CDU)

Wir Bündnisgrünen wollen eine bürgernahe, gut ausgestattete, effiziente und an den Herausforderungen unseres Landes gewachsene Polizei. Dies geht angesichts der personellen Entwicklung nicht ohne Polizeistrukturreform. Dies sage ich auch an die Adresse der Polizeigewerkschaften.

Wer öffentlich erklärt, er halte nichts von einer Strukturreform, zugleich aber die Arbeitsbedingungen bei der Polizei auf das Schärfste kritisiert, der gehorcht nur dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“. Die Beamtinnen und Beamten im Land haben bessere Interessenvertretungen verdient.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Leimbach, CDU: Sie zum Beispiel! - Herr Bommers- bach, CDU: Sie?)

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, stellen Sie sich endlich der Qualitätsdiskus

sion und lassen Sie uns aus den qualitativen Vorgaben, nämlich den Reaktionszeiten, den Aufklärungsquoten und der notwendigen technischen Ausstattung, eine zukunftsfähige Polizeistruktur entwickeln, die langfristig trägt. Dies ist unsere Aufgabe.

Stellen wir dabei fest, dass mehr Personal als die knapp 5 000 Beamtinnen und Beamten, die im PEK für das Jahr 2019 vorgesehen sind, notwendig werden, müssen dafür Lösungen gefunden werden. Notfalls muss auch das PEK angefasst werden.

(Zuruf von Herrn Wunschinski, CDU)

Ich verweise abschließend nochmals auf den Innenminister und eine seiner Zielvorgaben:

(Herr Leimbach, CDU: Ui!)

Die Polizei soll überall im Land innerhalb von 20 Minuten vor Ort sein. Wir sagen, dass sie diesen Ort mithilfe guter Einsatztechnik auch finden soll und die Vorgangsbearbeitung bei technisch voll ausgerüsteten Streifenwagen auch erledigen können muss.

(Herr Bommersbach, CDU: Die Abschaffung des Verfassungsschutzes hat auch nicht ge- klappt!)

An dem Anspruch, schnelle Hilfe für alle in einem sicheren Sachsen-Anhalt, werden wir Sie messen. Das ist es, worauf es den Bürgerinnen und Bürgern unter dem Strich ankommt. - Herzlichen Dank.

(Herr Wunschinski, CDU: Sechs, setzen!)

Danke schön, Herr Abgeordneter Striegel. Es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie sie beantworten?

Ich will es versuchen.

Herr Abgeordneter Hövelmann, bitte.

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Striegel, Sie haben eine kraftvolle Rede mit vielen Fragen, die Sie gestellt haben, und auch vielen kritischen Anmerkungen gehalten.

Sind Sie bereit, dem Hohen Hause mitzuteilen, welche Vorstellungen die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dazu hat, wie die künftige Polizeistruktur im Land Sachsen-Anhalt aussehen soll?

(Herr Bommersbach, CDU: Abschaffung von allem! - Heiterkeit bei der CDU)

Herr Kollege Bommersbach, die Realitätsferne Ihrer Politik könnte nicht besser beschrieben werden als durch Ihre Zwischenrufe.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Lachen bei der CDU)

Ich möchte die ernst gemeinte Frage des Kollegen Hövelmann gern beantworten, weil ich finde, dass sie sehr berechtigt ist. Wir müssen uns angesichts der Personalentwicklung bei der Polizei - die kennen Sie, Herr Hövelmann, vermutlich noch besser als ich, weil Sie hier im Land Innenminister waren - ganz klar die Frage stellen: Wie sieht es denn aus?

Ich würde allerdings gern vorher den ersten Schritt gehen und fragen: Was erwarten wir von der Polizei? Was erwarten wir von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land?

(Herr Barthel, CDU: Ist das ein konkreter Vorschlag? - Herr Bommersbach, CDU: Dem haben Sie sich bis jetzt permanent verwei- gert!)

- Wenn Sie mich ausreden lassen, dann komme ich dazu. - Die erste Frage lautet: Was erwarten wir von Polizistinnen und Polizisten in diesem Land? - Ich glaube, wir brauchen eine effiziente und bürgernahe Polizei. Wir brauchen eine Polizei, die rechtzeitig vor Ort sein kann.

(Herr Borgwardt, CDU: Dafür sind wir auch!)

- An dieser Stelle treffen wir uns. - Daher bin ich nah am Modell A des Innenministers.

Die Frage ist bloß - darüber würde ich gern hier im Parlament diskutieren -, ob wir mit einer solch effizienten, mit einer solch schlanken Verwaltungsstruktur einerseits und den Vorgaben des PEK anderseits, die derzeit für alle von uns gelten, wenn wir sie nicht gemeinsam ändern, überhaupt das erreichen können, was mit der Reform angedacht ist, und ob die Qualitätskriterien am Ende auch erreicht werden.

Ich glaube, es könnte am Ende zu einer Situation kommen, in der wir feststellen, dass die knapp 5 000 Beamtinnen und Beamten dafür nicht ausreichen. Dann müssen wir gemeinsam überlegen, wie im PEK die Zahl der Polizeibeamten und die Zahl der Neueinstellungen in der sachsen-anhaltischen Landespolizei erhöht werden können, um die Qualitätsvorgaben, die wir erstellt haben, auch umzusetzen.

(Herr Borgwardt, CDU: Wie viele Polizisten brauchen Sie denn?)

Aber das würde ich gern im Innenausschuss und in den Gremien des Landtages besprechen und nicht der Zeitung oder irgendwelchen großen De