Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 51. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der sechsten Wahlperiode und begrüße Sie alle auf das Herzlichste. Herzlich willkommen heiße ich auch die Gäste auf der Besuchertribüne.
Wir setzen die 26. Sitzungsperiode fort und beginnen mit einer Aktuellen Debatte. Nach dem Tagesordnungspunkt 19 - Aktuelle Debatte - folgen in Abweichung von dem gestern verteilten Zeitplan dann die Tagesordnungspunkte 9 und 10.
Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion in der Reihenfolge DIE LINKE, SPD, GRÜNE und CDU vereinbart worden. Nun hat die Einbringerin das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unmittelbar nach dem Ende der Landtagssitzung im Juli 2013 veröffentlichte das „Handelsblatt“ einen Beitrag unter der Überschrift „Solarschwindel“ und mit dem Aufmacher, dass der Chef einer staatlichen Gesellschaft in Sachsen-Anhalt die Vorzeigefirma Q-Cells und sich selbst als deren stillen Teilhaber gefördert habe - mit einem Millionenerfolg, zumindest für sich.
Wie bekannt wurde, gab es im Jahr 1999 ein Engagement der Q-Cells-Gründer für Sachsen-Anhalt. In die politische Landschaft passte diese Entwicklung, da mit der richtigen Entscheidung zur Förderung der erneuerbaren Energien durch die damalige rot-grüne Bundesregierung mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz langfristig wirkende wirtschaftliche Interessen freigesetzt wurden.
Das Land Sachsen-Anhalt stellte eine stille Beteiligung und andere Fördergelder in Aussicht, sodass sich Q-Cells zum Vorzeigeunternehmen im Solar Valley entwickeln konnte. Öffentliche Gelder in
Schließlich erfolgte der Börsengang und der Wert der Aktie steigerte sich. Kurze Zeit danach haben der Insider-Geschäftsführer und seine Freunde ihre Anteile verkauft. Sie taten dies rechtzeitig, mit Erfolg und ohne dass ihnen - im Gegensatz zu vielen anderen Aktionären und Beschäftigten - der Niedergang des Branchenprimus zum finanziellen Verhängnis wurde.
Die Geschäftspartner zogen sich im Jahr 2009 aus dem Aufsichtsrat von Q-Cells zurück und beobachteten die weitere Entwicklung aus sicherer Entfernung. Bis zur Insolvenz im Jahr 2012 stürzte der Börsenwert um 99 % ab. Die ostdeutsche Solarindustrie stand vor dem Kollaps.
Unmittelbar nach der Meldung im „Handelsblatt“ am 16. Juli 2013 wurde in bemerkenswerter Eile festgestellt, dass die Verträge mit dem damaligen Geschäftsführer keine Klauseln enthielten, die es ihm untersagt hätten, sich privat an geförderten Firmen zu beteiligen, dass er mit einer Nichtoffenbarung - Zitat - „seine Privatsphäre schützen wollte“, dass es mögliche Interessenkonflikte gebe und dass man sich doch schnell voneinander trennen könne, natürlich unter Beibehaltung der Betreuung der IBG-Fonds durch die anderen Beteiligungsmanager der Firma GoodVent.
Kaum war das der Öffentlichkeit vermittelt, legte das „Handelsblatt“ mit der Veröffentlichung von geschäftlichen Beziehungen zwischen IBG, GoodVent und Schlossgruppe Neugattersleben nach. Von Beteiligungen mit mehr als 40 Millionen € insgesamt war die Rede. Unternehmerfamilie Hübner und weitere in Sachsen-Anhalt agierende Unternehmer und Politiker sollen involviert gewesen sein.
Der jetzt zuständige Minister Möllring erklärte im Abstand von wenigen Tagen zuerst, das wäre schon etwas verwunderlich, und etwas später, alles sei mit rechten Dingen zugegangen, keine Auffälligkeiten, normale Geschäfte halt.
Allerdings sahen sich die Koalitionsfraktionen veranlasst, für den 8. August 2013 eine Sondersitzung des Ausschusses für Finanzen und des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft einzuberufen. Zwei Tage zuvor wurde ein ausführlicher Bericht an die Ausschussmitglieder verteilt, um Antworten auf bisherige Presseveröffentlichungen zu geben. Die Debatte im Ausschuss brachte weitere Fragen hervor, sodass die Landesregierung sich zu der Zusage genötigt sah, die Antworten schriftlich bis zum 10. September 2013 zu geben, was - mit leichter Verspätung - auch eingehalten wurde.
bleme aus eigener Erfahrung kennen. Hierfür war die substanzielle Zuarbeit aus den jeweiligen Häusern notwendig. Daraus ließe sich eventuell die Einschätzung der Landesregierung erklären, dem Land sei kein finanzieller Schaden entstanden, im Gegenteil, man habe erhebliche Gewinne gemacht.
Natürlich, wenn man nur einen Geldgeber für Q-Cells betrachtet, nämlich die IBG, dann stimmt das sogar. Betrachtet man allerdings die Gesamtsumme an Fördermitteln, die das Land überreicht hat, kommt man am Ende zu dem Schluss: Das Land hat den eigenen Erfolg selbst finanziert und auf der anderen Seite fast noch einmal genauso viel an Verlusten oder - wie man im Fördermittelgeschäft sagt - an verlorenen Zuschüssen hinnehmen müssen. Oder wie lässt sich ein Erfolg erklären, wenn man 40 Millionen € eingezahlt hat und 18 Millionen € zurückbekommt?
Zumindest logisch ist, dass mit Beteiligungs- und Risikokapital natürlich auch andere Kapitalgeber mitziehen und Unternehmen Kapital in Form von Beteiligungen oder Krediten zur Verfügung stellen. Zur Verfügung gestellt werden ebenso verlorene Zuschüsse aus öffentlichen Geldern der GRW- oder EU-Strukturfonds. Die Frage ist jedoch: Wer gehört zu den Unterstützten?
Aus der Sicht der Landesregierung sind alle Vorgänge, die die Schlossgruppe Neugattersleben betreffen, gründlich geprüft worden. In allen Fällen sei nicht der geringste Anlass in den Akten gefunden worden, der aus heutiger Sicht die Beurteilung nahe gelegt hätte, dass die Entscheidungen seinerzeit anders hätten gefällt werden müssen.
Im Einzelfall ist das vielleicht verständlich. Aber die Konzentration auf die Gruppe ist schon bemerkenswert und wirft Fragen auf: Gab es besondere Zugangsmöglichkeiten zu Beteiligungsgebern? Warum ist dem Beteiligungsausschuss der Haftungsverbund in dieser Gruppe unbekannt geblieben?
„Wir begleiten junge Unternehmen (Seed und Start-up) mit nachhaltigem und überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial in den Bereichen Life Sciences/Health Care, Oberflächentechnologien …, Maschinenbau und Verfahrenstechnologien, Chemie, Mikroelektronik, -systemtechnik, technische Software.“
Mit Kenntnis der Tätigkeit der genannten Firmen lässt sich eine weite Auslegung dieser Zielstellungen definieren. Natürlich verwundert die Häufigkeit der Zusagen an die Gruppe nach wie vor.
Landtag mit Beteiligungen der IBG beschäftigt, vor allem mit solchen Firmen, die in die Insolvenz gebracht wurden. Ich erinnere an die W.I.T. GmbH, die ACGT oder die F.O.B. GmbH. Diese Fälle erscheinen im jetzigen Kontext in einem neuen Licht. Damals sprach Wirtschaftsminister Dr. Haseloff von bedauerlichen Einzelfällen im Fördergeschehen.
Merkwürdig ist nur, dass immer wieder neue Einzelfälle hinzukommen. Ich nenne nur die aktuellsten: Dessauer Fördermittelskandal, Meldung beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, OLAF, zur Jahn-Sporthalle in Wolmirstedt, Fördermittelskandal bei der Sanierung denkmalgeschützter Häuser in Stolberg. Und so wäre noch manche Merkwürdigkeit zu nennen.
Sie verbinden sich mit der Meldung vom 18. Juli 2013, dass durch Wirtschaftskriminalität im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt ein Schaden in Höhe von rund 61 Millionen € entstanden sei. Damit seien rund 40 % aller durch Kriminalität entstandenen finanziellen Schäden auf Delikte wie Insolvenzverschleppung oder Betrug zurückzuführen - so der Direktor des Landeskriminalamtes Jürgen Schmökel. Die Zahl der Fälle von Wirtschaftskriminalität sei von rund 1 050 im Jahr 2011 auf gut 1 320 im Jahr 2012 gestiegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, befassen wir uns im Landtag nicht zum ersten Mal mit dem Thema IBG. In den Jahren 2005 und 2006 gab es intensive Diskussionen, vor allem über die Frage der Privatisierung und darüber, wie vorgegangen wurde. Die Trennung der Fondsverwaltung von der Fondshaltegesellschaft durch Ausschreibung der Managementleistungen sollte die Akzeptanz für Investoren zur Bereitstellung privater Mittel schaffen.
Bis heute ist schwer zu erklären, was Brüssel tatsächlich zum Management dieser Fonds gefordert hat. Bis heute ist schwer zu erklären, warum ausgerechnet die damalige Fondsverwaltung das beste Angebot abgegeben haben soll. Bis heute ist schwer zu erklären, ob die geforderten 20 Millionen € privater Anleger als Bedingung für die private Managementgesellschaft dauerhaft zur Verfügung standen und nicht nur zu einem Stichtag kurz vor der Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008.
Bis heute ist schwer zu erklären, dass der Landesrechnungshof zwar bereits im Jahr 2004 seine Bedenken in Richtung stille Beteiligung und Risikokapitalfonds geäußert hat, danach aber die Privatisierung der Verwaltung aktiv unterstützte. Der von ihm selbst skizzierten Gefahr, private Renditeerwartungen könnten dem öffentlichen Interesse widersprechen, wurde nicht mit der notwendigen Konsequenz nachgegangen. Im Gegenteil: Mit der Privatisierung wurden diese Forderungen konterkariert. Man beschränkte sich auf Kritik an der Vergütung der Managementgesellschaft.
Die Ergebnisse der neuesten Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes vom Januar 2013 zur IBG liegen dem Parlament noch nicht vor. Zumindest steht die Aussage im Raum, dass das Geschäftsmodell der Risikokapitalfonds und die Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern kritisch zu hinterfragen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um sich einen Durchblick zu verschaffen, welche Entscheidungen zu welchen Strukturen gefällt wurden, bedarf es einer weiteren parlamentarischen Untersuchung. Man kann sich des Eindrucks der organisierten Verantwortungslosigkeit nicht erwehren. Bei welchen Entscheidungen hat man hingeschaut, bei welchen hat man nicht hingeschaut oder wollte man nicht sehen?
Eine Reihe von Aussagen der Landesregierung dazu stimmt bedenklich. Es wären keine Landesmittel in die IBG geflossen, sondern ausschließlich EFRE-Mittel, allein seit 2006 mehr als 105 Millionen €. Sind denn Zuweisungen der EU etwas anderes als Einnahmen des Landes? - Wohl kaum.
Die IBG soll offenbar weiterhin ein Fass ohne Boden bleiben, da sich das Geschäftsmodell nur dauerhaft trägt, wenn auch in den nächsten Jahren weiteres Kapital aus Mitteln der Europäischen Strukturfonds eingesetzt wird. Ansonsten wäre das Eigenkapital in einem überschaubaren Zeitraum aufgebraucht.
Dass bei der Schlossgruppe Neugattersleben weder dem Beteiligungsausschuss noch dem Aufsichtsrat das Konstrukt eines Haftungsverbundes bei der Vergabe von Beteiligungen bekannt geworden sein soll, spricht Bände. Noch im August 2013 wurde den Ausschussmitgliedern mitgeteilt, dass die Restaurierungs-GmbH dieses Haftungsverbundes als Gesellschafter je zur Hälfte die IBG und die Unternehmerfamilie Hübner hätten. Erst auf Nachfrage räumte die Landesregierung ein, dass diese Aussage nicht ganz korrekt sei. Es gebe Treuhandverträge.
Wissen Sie, verehrte Damen und Herren, mit wem? - Mit dem Treuhänder, mit dem der ehemalige Geschäftsführer der IBG seine Gewinne mit Q-Cells gemacht hat, und zwar nicht im Jahr 2002, sondern im Jahr 2012. Das haben die Hausspitzen alles nicht gewusst? Wie laufen dort die Informationswege?
Gerade in diesen Wochen werden durch die Landesregierung viele Strukturen der Landespolitik infrage gestellt. Allerdings wird in der Förderpolitik nur ein wenig nachjustiert. Das wirft Fragen auf.
In wichtige Unterlagen, zum Beispiel in die Prüfberichte zum Jahresabschluss der IBG oder in die Protokolle der Sitzungen des Aufsichtsrats oder des Begleitausschusses, wurde uns mit dem Ver
merk „erst nach Zeichnung einer entsprechenden Vertraulichkeitserklärung“ die Einsicht verwehrt. Welche Rolle haben wir denn eigentlich als Abgeordnete zu spielen?
All das bestärkt DIE LINKE in ihrer Auffassung, die notwendige Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern, die als Fördermittel jeglicher Art ausgereicht werden, einzufordern. Wer mit öffentlichen Geldern arbeitet, der muss auch bereit sein, über die Verwendung öffentlich Rechenschaft abzulegen. - Vielen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Thiel. - Für die Landesregierung spricht jetzt der Minister für Wissenschaft und Wirtschaft Herr Möllring.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist so, wie er gestellt wurde, nicht sehr detailliert. Ich möchte das Thema deshalb aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Ich möchte vor allen Dingen zwei ganz unterschiedliche Aspekte ansprechen. Der eine betrifft den Auftrag der IBG und deren grundsätzliche Arbeit, der andere die Vorkommnisse, die uns seit Juli beschäftigen. Beide Aspekte sind voneinander deutlich zu trennen.
Die IBG soll mittelständischen Unternehmen und innovativen Existenzgründern fehlendes Eigenkapital zur Verfügung stellen. Das tut sie, und zwar sehr erfolgreich. Zum Stichtag 30. Juni 2013 befanden sich 68 Unternehmen im Beteiligungsportfolio der IBG. Ein Drittel dieser Unternehmen befindet sich in der Forschungs- und Entwicklungsphase, ein gutes Drittel, nämlich 36 %, befindet sich in der Markteintrittsphase und ein knappes Drittel, nämlich 31 %, ist bereits in der Wachstumsphase.