Es ist eine Zehnminutendebatte vereinbart worden. Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben als Mitantragsteller auf eine Einbringung verzichtet. Die Redereihenfolge ist: CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist vom demografischen Wandel in Deutschland in besonderer Weise betroffen. Die Bevölkerungszahl unseres Landes wird geringer und das wissen wir.
Diesem Bevölkerungsrückgang muss auch das Parlament gerecht werden, aber es muss zugleich darauf achten, dass die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie weiterhin gewährleistet wird. Das Parlament ist daher immer aufgefordert, sich durch Selbstreformen den wandelnden Strukturen anzupassen, ohne dabei seine Substanz zu verlieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist auch Beschlusslage dieses Hohen Hauses im Juni 2012 gewesen. Dem sich abzeichnenden Rückgang der Bevölkerung muss insbesondere bei der Zusammensetzung des Landtages sowie bei der Kommunikation zwischen dem Bürger und dem Parlament Rechnung getragen werden.
Insbesondere die Debatte um eine Verkleinerung des Landtages ist beinahe so alt wie das Parlament selbst. In der öffentlichen Debatte konnten wir in den letzten Wochen und Monaten viele Vorschläge zur Kenntnis nehmen. Im Kern geht es immer um die Änderung des Verhältnisses von Direkt- und Listenmandaten. Ins Spiel gebracht wurde zum Beispiel der Vorschlag, zukünftig Direktmandate zu stärken, was von großen Teilen der Bevölkerung ausdrücklich begrüßt wird.
Damit sind wir an dem Punkt, an dem die Frage der Ausgestaltung des Wahlrechtes hier im Landtag und in der Öffentlichkeit unterschiedlich beurteilt wird. Die Bürgerinnen und Bürger wollen eigentlich nicht formal die Bestenauswahl der Parteien, sondern vorrangig eine Berücksichtigung der direkten Auswahl im Wahlkreis. Die Bürgerinnen und Bürger wollen einen Ansprechpartner vor Ort und nicht im fernen Magdeburg, ohne Verwurzelung im Wahlkreis.
Eine Stärkung der Direktmandate wäre ohne Zweifel ein Ausdruck direkter Demokratie und stärkerer Bürgernähe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen aber nicht vergessen, dass uns die Ausgestaltungsspielräume für das Wahlrecht durch Artikel 42 Abs. 1 der Landesverfassung vorgegeben werden. Unser Wahlsystem verbindet das Persönlichkeitswahlrecht mit den Grundsätzen der Verhältniswahl.
Damit ist von vornherein klar, dass für eine Änderung dieser von der Verfassung vorgegebenen Grundsätze auch eine Verfassungsänderung nötig ist. Das ist auch gut so; denn sonst steht die Änderung des Wahlsystems im Belieben einer relativen Mehrheit.
Durch die Verfassung ist uns also vorgegeben, dass für eine verfassungskonforme Änderung des Wahlrechts ein interfraktioneller Konsens in diesem Hohen Hause notwendig ist. Der Eigennutz einzelner politischer Kräfte darf nicht über dem Gesamtinteresse dieses Parlamentes stehen.
Ein schönes Beispiel für ein solches interfraktionelles Vorgehen, meine Damen und Herren, ist der zweite Anlauf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes, mit dem die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 aufgegriffen worden sind. Gemeinsam haben die Bundestagsfraktionen den Gesetzentwurf zur 22. Änderung des Bundeswahlgesetzes auf den Weg gebracht. Die Reform kam rechtzeitig vor der Bundestagswahl zum Tragen.
Meine Fraktion ist jedenfalls der Auffassung, dass wir analog zu der Wahlrechtsreform im Bundestag eine Parlamentsreform nur im Konsens aller Fraktionen durchführen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir uns aber in konzeptioneller Hinsicht Gedanken insbesondere über die künftige Größe dieses Hauses machen, sollten wir zunächst den von der Landesregierung spätestens 36 Monate nach Beginn dieser Wahlperiode vorzulegenden Bericht über die eintretende Veränderung der Einwohnerzahlen in den Wahlkreisen abwarten und diesen auswerten.
Auch das ist Beschlusslage dieses Hohen Hauses vom Juni 2012. Daran möchte ich erneut erinnern. Wir haben genug Zeit, rechtzeitig vor den Wahlen zum Landtag der siebenten Wahlperiode entsprechende Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung des Wahlrechtes zu ziehen, so wie wir es im letzten Jahr beschlossen haben.
Wir sollten besser nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen und daher den Bericht des Landeswahlleiters abwarten und erst dann eine sachbezogene Auseinandersetzung über mögliche Veränderungen der Wahlkreisgrenzen für die Wahl des Landestages von Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 führen.
Festlegung des Abgeordneten- und des Wahlgesetzes in eigener Sache entscheiden muss. Daher ist es grundsätzlich sachgerecht, dass durch eine Unterkommission des Ältestenrates die Einbindung externen Sachverstandes und die Mitwirkung der Landtagsverwaltung erfolgen sollen, so wie es heute interfraktionell beantragt wird.
Es ist vorgesehen, dass die Zusammensetzung der Unterkommission, die Vorschläge zur Parlamentsreform erarbeiten soll, durch den Ältestenrat bestimmt wird. Die Kommission sollte sich zügig konstituieren, um vor allem über inhaltliche Arbeitsstrukturen und einen Zeitplan für die Arbeitsaufträge zu beraten.
Wenn wir uns den Beschluss vom Juni 2012 vergegenwärtigen, dann sind hier fünf große Themenfelder ersichtlich, die die Kommission zu bearbeiten hat. Das sind die Ausgestaltung des Landeswahlrechts, der demografische Wandel und die daraus resultierende gesetzliche Mitgliederzahl dieses Hauses, die Bedingungen für die Ausübung des Mandates, die Wahrnehmung der dem Landtag durch die Landesverfassung zugewiesenen Kompetenzen und Befugnisse sowie die Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit ihrem Parlament.
Meine Damen und Herren! Dabei muss man in der Arbeit erst einmal abschichten. Ich denke, die ersten beiden der fünf Themenfelder sind zunächst prioritär zu bearbeiten. Wir dürfen die Kommission nicht von vornherein überfrachten.
Die Parlamentsreform darf kein Schnellschuss sein. Daher kann ich den im nunmehr zurückgezogenen Antrag der LINKEN und der GRÜNEN formulieren Vorwurf, dass seit unserem gemeinsamen Beschluss im Juni 2012 keine konkreten Schritte zur Erledigung der festgelegten Aufgaben ergriffen worden sind, nicht nachvollziehen.
Die Unterkommission des Ältestenrates soll ihre Arbeit so rechtzeitig abschließen, dass der Ältestenrat in die Lage versetzt wird, dem Landtag im Juli 2014 einen ersten Bericht erstatten zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Entscheidung kann und sollte uns eine entsprechende Kommission nicht abnehmen. Dafür ist allein dieses Hohe Haus in Gänze zuständig. Eine Unterkommission kann uns aber bei der Entscheidungsfindung behilflich sein. Auch darüber besteht Konsens in diesem Hohen Hause.
Liebe Kollegen, abschließend bitte ich Sie um Zustimmung zu dem interfraktionellen Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollege Borgwardt. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich hervorheben, wie positiv wir es bewerten, dass wir hier einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen vorlegen können.
Das ist nicht immer einfach in unserem Haus. Deswegen war es uns wichtig, dass wir uns beizeiten über den Inhalt und die nächsten Schritte verständigt haben.
Vor dem Hintergrund der Problematik über uns und unsere Arbeitsweise zu reden, könnte bei der Vielzahl von Problemen, die wir im Land haben, zu dem Eindruck führen, wir beschäftigen uns mit uns selbst, oder, wie es Kollege Bergmann vorhin etwas despektierlich gesagt hat, wir beschäftigen uns vielleicht mit Pillepalle.
Ich glaube, es ist wichtig - das sage ich Ihnen auch einmal als alter parlamentarischer Haudegen -, dass man von Zeit zu Zeit einmal prüft, wie die Funktionsweise des Parlamentes ist, und zwar nicht nur aus der Sichtweise des tagtäglich Erlebten, sondern dass man sich einmal grundsätzlich fragt: Wie funktionieren wir? Denn die vielen Probleme, die wir im Lande haben, haben durchaus etwas mit den Wirkungen von parlamentarischer Demokratie zu tun und sind nicht nur Ausdruck des legislativen Handelns.
Deswegen, lieber Kollege Borgwardt, waren wir der Auffassung, dass es notwendig ist, den Diskussionsgrad zu erhöhen.
Wir haben in der Runde der parlamentarischen Geschäftsführer versucht, eine Menge anzuschieben. Wir haben unsere Arbeitsgruppen in den Fraktionen mit diesen Fragestellungen beschäftigt.
Jetzt sind wir der Meinung, dass es sinnvoll ist, den Verbindlichkeitsgrad unserer bisherigen Diskussionen zu erhöhen, um mit dieser Kommission im Ältestenrat auch unter Einbeziehung von externem Sachverstand - ich weiß, das ist umstritten - weiter voranzukommen.
Deshalb - vor allem um dem Beschluss gerecht zu werden, rechtzeitig vor Beginn der siebenten Legislaturperiode alle entscheidenden Weichen zu stellen - sind wir froh, dass wir uns darauf geeinigt haben, im Sommer des nächsten Jahres, noch vor der parlamentarischen Sommerpause, einen ersten Bericht über mögliche gesetzgeberische Dinge,
die wir als Landtag zu bewältigen haben, zu geben. Wir müssen bis zum 19. Dezember 2014 alle Gesetze beschlossen haben, damit die Landtagswahlen im Jahre 2016 ordentlich vorbereitet werden können.
Aus der Sicht unserer Fraktion sollten dabei folgende Überlegungen einbezogen werden: Kollege Borgwardt hat es schon richtig gesagt, die Debatten um die Größe des Landtages werden immer wieder vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung geführt. Aber sie kulminieren nach unserer Auffassung in der Frage: Was ist uns Demokratie wert?
Das wird leider oftmals nur unter fiskalischem Gesichtspunkt betrachtet. Uns sind aber die Fragen der Weiterentwicklung der parlamentarischen Demokratie und der Beseitigung von möglichen Defiziten, die wir vielleicht selbst erkannt haben, ebenso wichtig wie die Frage: Wie viel Geld geben wir dafür aus?
Deswegen wäre es nach unserer Auffassung gut, wenn wir uns auch einmal mit dem Anforderungsprofil eines Abgeordneten beschäftigen. Was sind die Aufgaben, die wir zu lösen haben? Dabei kann man grob gefasst drei eng begrenzte Bereiche betrachten.
Das sind erstens das unmittelbare parlamentarische Wirken im Landtag sowie Fragen der Budgethoheit, der Gesetzgebung, der Kontrolle der Landesregierung, der Politikvermittlung in die Öffentlichkeit usw. usf.
Das ist zweitens - nicht zu vergessen - unsere Wahlkreisarbeit vor Ort. Das heißt Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit Verantwortungsträgern aus Vereinen, Verbänden und Einrichtungen sowie jede Menge Besuche, die wir vor Ort zu erledigen haben.
Es ist drittens - das sage ich ausdrücklich, auch wenn manche Prüfbehörde in diesem Land dies etwas kritisch sieht - unser Verhältnis zur Parteiarbeit. Das betrifft die Parteien, von denen wir delegiert sind.
Wir sind der Auffassung, dass Parlamentarier in einem entscheidenden Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Partei stehen, vor allem was die temporäre oder örtliche Präsenz betrifft. Das entscheidet bekanntermaßen über die Kandidatur als Direktkandidat.
Das heißt, an dieser Stelle steht die Anforderung als Politikvermittler im Vordergrund. Viele Kolleginnen und Kollegen unter uns haben ein kommunales Mandat und gelten vor Ort als Leistungsträger oder aber auch als Politikvermittler im Hinblick auf die Dinge, die von der Ebene der Landesgesetzgebung in kommunale Belange umgesetzt werden.
gericht in seinem Urteil zur Beobachtung des Abgeordneten Bodo Ramelow aus Thüringen durch den Verfassungsschutz geurteilt - ich zitiere -: