Protokoll der Sitzung vom 18.10.2013

Frau Kollegin Frederking, Sie haben eben erwähnt, dass aus dem Tagebau Profen Kohle nach Tschechien gebracht würde und dass ab 2017 das Kraftwerk Buschhaus mit Kohle aus dem Tagebau Profen versorgt werden soll. Daran haben Sie sofort angeschlossen: Dafür sollen weitere Abbaufelder erschlossen werden.

Ich frage Sie deshalb: Erstens. Woher haben Sie die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen Kohletransporten nach Tschechien und dem Weiterbetrieb in Buschhaus und neuen Abbaufeldern gibt?

Zweitens. Ist Ihnen bekannt, wie viel Kohle im Verhältnis zur jährlichen Fördermenge bisher nach Tschechien gebracht worden ist?

Ja, das ist mir bekannt. Es sind einige Hunderttausend Tonnen, die nach Tschechien gebracht wurden. Die Gesamtfördermenge in Profen beträgt 8 Millionen t. Das ist also eine erhebliche Menge.

Aus Gesprächen mit der Mibrag wird deutlich: Wenn wir weiterhin an der Kohleverstromung festhalten - das will die Mibrag ja auch; sie will ein neues Kraftwerk Profen aufbauen -, dann - das sagt sie selbst - wird der bestehende Tagebau, der ungefähr um das Jahr 2035 ausgekohlt sein wird, nicht ausreichen. Deshalb wird ein neuer Tagebau Lützen erforderlich.

Das sind die Pläne der Mibrag. Dafür kämpft sie. Das sind auch die Pläne, die in diesem Konzept

wiederzufinden sind, in dem davon die Rede ist, dass für einen neuen Tagebau raumordnerisch alles getan werden muss und dass diese Flächen auch gesichert werden müssen.

Dass die Mibrag nach Buschhaus liefern will, sind öffentliche Informationen, die auch schon in der Presse zu finden waren.

Wenn ich da noch einmal einhaken darf. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, aber Sie offensichtlich mir nicht. Ich wollte nicht wissen, woher Sie die Informationen zu Buschhaus haben. Die habe ich ja selbst auch.

Mir ging es vielmehr um Folgendes: Sie haben vorhin einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Kohlelieferungen nach Tschechien, dem Weiterbetrieb von Buschhaus und dem Neuaufschluss eines Tagebaus hergestellt. Jetzt haben Sie erzählt, der neue Tagebau wird für das Kraftwerk in Profen benötigt. Das will ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen. Aber Sie haben vorher in Ihrer Einbringungsrede einen Zusammenhang zu den anderen beiden Aspekten hergestellt. Da wollte ich von Ihnen wissen, warum Sie diesen herstellen und woher Sie diese Erkenntnisse haben.

Diese Erkenntnisse habe ich daher, dass die Mibrag alles daransetzt, ihre Kohle loszuwerden. Es gab vor einigen Jahren Presseberichte - dazu hat sich unser Ministerpräsident auch geäußert -, nach denen die Mibrag ein berechtigtes Interesse daran hat, ihre Kohle loszuwerden. Wenn sie das nicht durch ein neues Kraftwerk schafft, dann über Exporte nach Tschechien. Diese Pressemitteilung kann ich Ihnen zur Verfügung stellen.

Die Mibrag selber - jetzt gehe ich einen Schritt weiter, weg von der Energienutzung hin zur stofflichen Nutzung - schlägt eine stoffliche Nutzung vor und sieht dafür 3 Millionen t Kohle pro Jahr vor. Ich habe die Mibrag gefragt, ob der bestehende Tagebau Profen dafür ausreicht. Mir wurde gesagt: Nein, das ist nicht der Fall. Dafür brauchen wir Lützen.

Wenn Profen selbst für die stoffliche Nutzung nicht reichen würde, dann ist es in dieser ganzen Folge doch logisch, dass für die Bedienung des Kraftwerks Buschhaus, das weit über 2017 hinaus laufen soll - wir haben ja auch noch Schkopau; es müssen beide Kraftwerke parallel bedient werden -, der Tagebau nicht reichen kann; denn der bestehende Tagebau reicht nur ungefähr bis zum Jahr 2035. Das kann man ja zusammenrechnen.

Das war zwar keine Antwort auf meine Frage. Aber ich belasse es jetzt dabei.

Dann ist auch nicht die Gefahr eines Dialoges vor Beginn der eigentlich vorgesehenen Debatte gegeben. Frau Kollegin Frederking, Sie haben ja in der Debatte noch einmal Gelegenheit zu sprechen. Vielen Dank für die Einbringung.

Damit steigen wir in die Debatte ein. Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Möllring.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft - das ist eben schon angekündigt worden - erarbeitet gerade ein neues Landesenergiekonzept. Es hat deswegen in den zurückliegenden Wochen und Monaten ausführliche Fachkonsultationen durchgeführt. Vor drei Wochen, am 25. September 2013, gab es eine öffentliche Anhörung, zu der auch die energiepolitischen Sprecher der Fraktionen und der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft eingeladen wurden.

Kern und Ziel des Konzepts ist eine Energieversorgung, die von den erneuerbaren Energien her gedacht wird. Sie sind der Taktgeber für unser technisches System und Marktdesign. Ebenso spielt die Energieeffizienz natürlich eine wichtige Rolle. Die Landesregierung bekennt sich im Entwurf des Energiekonzeptes mehrfach ausdrücklich zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.

Zum Beispiel heißt es in Kapitel 6 - Energieträger - gleich im ersten Satz: „Sachsen-Anhalt will weiterhin führendes Land beim Ausbau und Nutzung der erneuerbaren Energien bleiben.“

Im ersten Satz des nächsten Kapitels, Kapitel 7 - Anforderungen an ein zukunftsfähiges Energiesystem -, heißt es wörtlich:

„Das künftige Energiesystem muss von den erneuerbaren Energien her gedacht werden. Nur ein auf erneuerbaren Energien basierendes System sichert Unabhängigkeit von teurer werdenden Importen und ökologische Nachhaltigkeit.“

Von einem mangelnden Bekenntnis zu erneuerbaren Energien kann also überhaupt keine Rede sein. Wir müssen auch nicht darüber streiten, ob wir die erneuerbaren Energien weiter fördern wollen. Die Frage ist vielmehr, wie wir sie fördern wollen, damit sie möglichst rasch die tragende Rolle im Energiesystem übernehmen. Unserer Meinung nach bedarf es vor allem einer marktnäheren Förderung, die zugleich jedoch auch in Zukunft neue Technologien befördert.

Was die Speicherung betrifft, so ist es geradezu ein Widersinn, dass Vattenfall im Moment über

legt, ein Pumpspeicherwerk vom Markt zu nehmen, weil es sich wirtschaftlich nicht mehr rechnet.

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Ja, es ist wirklich ein Widersinn.

(Herr Weihrich, GRÜNE: Reden Sie doch einmal über die Ursachen!)

- Die Ursachen sind die unterschiedlichen Preissysteme und die unterschiedliche Verfügbarkeit von Energie. Früher hat man nachts, als man zu viel Strom hatte, das Wasser hochgepumpt. In der Mittagszeit, in der man zu wenig Strom hatte, hat man das dann wieder eingesetzt. Heute haben wir durch die Photovoltaik genau in der Mittagszeit eine ausreichende Stromversorgung. Das ist durchaus gewollt. Aber das führt eben dazu, dass der Einkaufspreis für Strom beim Pumpspeicherwerk nicht mehr ausreicht, um die Betriebskosten zu decken.

Es ist eine ganz normale betriebswirtschaftliche Situation, dass man dann vom Netz geht. Das ist jetzt nichts, was ich böswillig meine, sondern das sind Fakten, die im Moment da sind. Darüber müssen wir diskutieren. Da sind wir doch sicherlich überhaupt nicht unterschiedlicher Meinung.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ohne Braunkohle kommt allerdings unsere Stromversorgung derzeit nicht aus. Die aktuellen Kraftwerke, aber auch künftige sind Teil der bundesdeutschen Kraftwerksplanung. Unser Energiesystem hört nicht an den Grenzen von Sachsen-Anhalt auf - das ist ja logisch -, auch nicht an denen von Deutschland. Ideen für eine Energieautarkie erteilen wir daher eine klare Absage.

(Zustimmung bei der CDU)

Hier ist stets ein konsequenter Blick über den eigenen Tellerrand hinaus geboten. Das heißt, wenn infolge der Energiewende Braunkohlestrom aus Sachsen-Anhalt auch zukünftig benötigt wird, dann muss Sachsen-Anhalt diesen Braunkohlestrom auch liefern können. Wenn aber infolge der Energiewende irgendwann kein Braunkohlestrom mehr erforderlich ist, dann muss sich das natürlich auch in der Kraftwerksstruktur widerspiegeln. Wir legen deshalb keinen Energiemix fest.

Was wir brauchen, ist, wie gesagt, ein funktionierendes, von den erneuerbaren Energien her gedachtes Marktdesign. Welches Kraftwerk dann die erneuerbaren Energien ergänzt, kann letztlich nicht die Politik entscheiden, sondern das muss mehr oder weniger der Markt entscheiden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister Möllring. - Für die Fraktion der SPD spricht nunmehr Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Anhörung am 25. September 2013 war ich zugegen. Herr Minister, es wäre natürlich schön gewesen, wenn wir den Entwurf dieses Konzepts zur gleichen Zeit wie die Umwelt- und die Wirtschaftsverbände erhalten hätten, damit wir uns vorher ein entsprechendes Bild hätten machen können. Wir haben ihn erst mit der Einladung zu der Veranstaltung bekommen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich muss auch sagen, dass mein Bild von der Anhörung ein anderes war als Ihres.

(Zuruf von Minister Herrn Möllring)

Es ist bei der Anhörung auch massiv Kritik an dem Konzept geäußert worden. Grundsätzlicher Überarbeitungsbedarf ist angemeldet worden, und zwar sowohl von den Wirtschaftsverbänden als auch von den Umweltverbänden. Nun könnte man sagen, gut, wenn beide Seiten, die sich manchmal gegenseitig widersprechen, das Konzept kritisieren, dann werden wir schon in der Mitte liegen; dann können wir nicht falsch liegen. Aber das Wichtigste für mich an den Ausführungen der Verbände war - das haben auch wir aus dem Konzeptentwurf herausgelesen -, dass das Konzept in vielen Aussagen höchst widersprüchlich ist. Es ist nicht nur nicht stimmig, sondern direkt widersprüchlich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich stimme meiner Kollegin von den GRÜNEN darin zu, dass die Aussagen zum Klimaschutz im Widerspruch zu den Aussagen stehen, die Sie gerade getätigt haben, nämlich dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Vordergrund steht. Ich zitiere aus Kapitel 9 - Treibhausgasemissionen - des Entwurfs des Konzeptes. Da ist zu lesen:

„Nach jüngsten Meldungen des Bundesministeriums für Umwelt und Naturschutz wird Deutschland sein Einsparziel von 40 % CO2-Emissionen im Jahr 2020 verfehlen. Hauptgrund seien die niedrigen Zertifikatspreise im Emissionshandel, die eigentlich für die nötigen Anreize in der konventionellen Stromerzeugung sorgen sollen. SachsenAnhalts Kraftwerkspark hat einen deutlichen Schwerpunkt auf Braunkohle. Braunkohle trägt zwar, wie ausgeführt, zur Versorgungssicherheit bei und ist relativ preisgünstig, hat aber auch die höchsten CO2-Emissionswerte.“

In dem Konzept sind dann auch die ökonomischen und ökologischen Folgen dieser Bewertung aufgeführt. Dazu zitiere ich noch einmal einen Satz aus dem Konzept, der schon bezeichnend ist: „Aus Kostengründen auf Klimaschutz zu verzichten ist also sehr kurzfristig gedacht.“

Ein bemerkenswerter Satz. Die zitierten Aussagen widersprechen, wie gesagt, dem Entwurf des Energiekonzeptes. Die Widersprüche müssen klargestellt werden. Ja, im Entwurf bekennt sich Sachsen-Anhalt zum Ausbau der erneuerbaren Energien, wie Sie es heute auch mehrfach gesagt haben. Es bekennt sich aber auch langfristig und nicht nur als Übergang oder mittelfristig zur Nutzung der Braunkohle.

Auch in Ihrer heutigen Rede haben Sie wieder gesagt, dass Sachsen-Anhalt derzeit nicht ohne Braunkohle auskommt. Jetzt frage ich Sie, wie Sie „derzeit“ definieren: Ist das langfristig, mittelfristig oder nur momentan der Fall? Eine konkretere Aussage dazu wäre schon wichtig.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ein weiterer Widerspruch tut sich aufgrund eines Interviews des Ministerpräsidenten auf, der - wie in der Presse zu lesen war - erklärt hat, dass bei dem Ausbau der Windkraft Überlegungen angestellt werden, Einschränkungen bei den Eignungsgebieten vorzunehmen.

Ferner ist im Entwurf des Konzeptes zu lesen, dass die Fläche für Eignungsgebiete derzeit 1 % der Landesfläche entspricht, und es ist davon die Rede, dass Sachsen-Anhalt zukünftig 6,5 GW Windleistung haben will. Nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Systemtechnik steht ein Potenzial von 7,4 GW Windleistung jedoch dann zur Verfügung, wenn 2 % der Landesfläche als Eignungsgebiete für Windnutzung ausgewiesen sind. Dieser Widerspruch besteht.

Nicht nur die konventionellen Kraftwerksleistungen von Sachsen-Anhalt, sondern auch die Kapazitäten der erneuerbaren Energien sind in bundesdeutsche und europäische Szenarien eingerechnet und werden benötigt. Es bedarf also einer weiteren Überarbeitung dieses Konzeptes und eines abgestimmten Gesamtkonzeptes.