Das Gesetz impliziert also eine Gleichsetzung psychisch kranker Menschen mit schwerkriminellen Personen. Diese Stigmatisierung psychisch kranker Menschen ist nicht nur ein moralischer Irrweg, es ist auch ein juristischer Irrweg.
Wir warnen entschieden davor, psychiatrische Einrichtungen zur Verwahrung von Menschen zu nutzen, bei denen nicht einwandfrei attestiert eine Erkrankung vorliegt, die dieses auch rechtfertigt. Nicht nur, dass Behandlungserfolge in diesen Einrichtungen nicht zu erwarten sind und es demnach in der Tat auf eine bloße Verwahrung hinausläuft. Deutschland hat - auch darauf wurde schon hingewiesen - eine unheilvolle Geschichte auf dem Gebiet des Missbrauchs der Psychiatrie. Auch vor diesem Hintergrund ist besondere Vorsicht geboten.
Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt bezieht sich auf die fehlende fachliche Eignung der Psychiatrie für die Therapieunterbringung. Die Rahmenbedingungen in unseren Landesfachkrankenhäusern sind weder in personeller noch in baulicher Hinsicht geeignet.
Schon heute sind die Fachkrankenhäuser in Sachsen-Anhalt massiv unterbesetzt. Wie bitte sollen diese heillos unterbesetzten, aber dafür überbelegten Einrichtungen mit den neuen auf sie zukommenden und noch dazu völlig fachfremden Anwendungen klarkommen? Darauf haben Sie, liebe Frau Kolb und lieber Herr Bischoff, bis heute leider keine überzeugende Antwort gegeben.
Selbst wenn Sie jetzt zusätzliche Mittel für Stellenbesetzungen einstellen, so ist noch längst nicht klar, ob dies überhaupt jemals Effekte haben wird. Denn nach Aussage des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung erweist es sich als - Zitat - „schier unmöglich, Ärzte für eine Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie in Sachsen-Anhalt zu gewinnen“.
Im Gegenteil wird die Arbeit aufgrund der fachfremden Ausrichtung noch unattraktiver für erfahrenes Personal werden, sodass sich das Problem, das wir schon haben, noch verschärfen könnte.
Ich könnte jetzt die Aufzählung der Ungereimtheiten und der Mängel des Gesetzes noch lange fortführen. Ich möchte mich aber auf einen letzten Punkt beschränken, nämlich die Geschwindigkeit, mit der hier ein Gesetz aus dem Boden gestampft und durch das Parlament gepeitscht wurde.
Weder der Datenschutzbeauftragte noch die forensischen Einrichtungen selber wurden bei der Erarbeitung einbezogen. Die Einladungen zur Anhö
rung im Rechtsausschuss wurden den Verbänden und Experten so knapp zugeschickt, dass einige von ihnen überhaupt keine Möglichkeit mehr hatten, sich zu äußern, obwohl sie es erklärtermaßen gern getan hätten.
Liebe Frau Kolb, wir fordern Sie auf, das Gesetz entweder grundlegend zu überarbeiten, sodass es rechtssicher ist und den Anforderungen gerecht wird, oder besser noch etwas ganz Neues auf dem Gebiet der Sicherungsverwahrung in SachsenAnhalt vorzuschlagen. Ich denke, wir müssen hier zu einem regelrechten Systemwechsel kommen. Letztendlich werden wir darum langfristig nicht herumkommen.
Wir unterstützen den Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf ein abstraktes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Therapieunterbringungsgesetz bietet eine Lösung, die nicht allen gefällt. Diese Lösung gefällt Straftätern nicht, die die Hoffnung hatten, dass sie mit dem Absitzen ihrer Strafe dem Recht Genüge tun und dann ab diesem Tag wieder frei am Leben in unserer Gesellschaft teilnehmen können.
Das Gesetz gefällt Therapeuten nicht, die sich herausgefordert fühlen durch die Aufgabe, Straftäter zu therapieren, die möglicherweise selber nicht zur Therapie bereit sind. Das scheint eine wirklich schwierige Aufgabe zu sein.
Dieses Gesetz gefällt mit Sicherheit dem Kanzler nicht, der seinerzeit erklärt hatte: Wegsperren, und zwar für immer. - Dieses Gesetz bewirkt aber durchaus etwas Gutes. Es schützt potenzielle Opfer.
Dieses Gesetz beruhigt Geschädigte und ihre Angehörigen. Und - ich möchte es erwähnen - dieses Gesetz gibt Straftätern eine Chance, auf ein Leben in Freiheit vorbereitet zu werden. Deshalb halte ich die Überhöhung, Herr Herbst, die Sie mit dieser Debatte verbunden haben, für etwas zu hoch, und auch die Hinweise von Frau von Angern, dass hier Menschen bestraft werden, für absolut nicht zutreffend. Sie werden nicht bestraft, sondern sie bekommen ein Therapieangebot.
Dazu, in diesem Zusammenhang von einem Missbrauch der Therapie zu sprechen, möchte ich gar nichts ausführen, sonst sind wir bei den Themen des Vormittags. Das halte ich für völlig verfehlt.
Ich bitte um Ihre Zustimmung zu einem Gesetzentwurf, den wir wohl in einer gewissen Eile, aber doch mit Sorgfalt angehört und abgewogen haben. Ich bitte darum, den Entschließungsantrag der LINKEN abzulehnen, weil doch deutlich geworden ist, dass hier kein Gesetzgeber, auch nicht der Bundesgesetzgeber, eine rote Karte von Ihnen braucht, Frau von Angern.
Herr Kollege Harms, Sie sagten eben, dass das vorliegende Gesetz den Straftätern die Chance auf die Vorbereitung auf ein straffreies Leben nach der Verwahrung gibt. Ich frage Sie: Welchen Auftrag hat Ihres Erachtens der Strafvollzug?
Frau von Angern, ich frage mich noch etwas ganz anderes. Die Straftäter haben ja im Strafvollzug schon die Möglichkeit gehabt, entsprechende Vorbereitungsangebote zu nutzen.
Sie haben dieses Angebot der Gesellschaft zumindest teilweise nicht entsprechend gewürdigt. Dass unsere Gesellschaft ihnen noch einmal zusätzlich zu dem Strafmaß dieses Angebot unterbreitet, rechne ich unserer Gesellschaft sehr hoch an.
Herr Harms, Sie haben ausgeführt, dass Sie in diesem Zusammenhang nicht von einem Missbrauch der Psychiatrie sprechen möchten. Nun möchte ich Sie fragen: Wie würden Sie es denn nennen, wenn ein möglicherweise gesunder Mensch in eine psychiatrische Einrichtung zwangseingewiesen wird?
dass ich noch eine halbe Minute lang abwäge, wie ich darauf antworte. Ich würde das ein Therapieangebot nennen im Zusammenhang mit einer Unterbringung. Ich halte das für sehr maßvoll und werde diesem Gesetz zustimmen. Ich möchte dafür werben, dass das hier in diesem Hause auch mehrheitlich geschieht.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte beendet. Bevor wir zur Abstimmung kommen, haben wir die Freude, Damen und Herren der Seniorenvereinigung aus Quedlinburg zu begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!
Wir treten jetzt ein in das Abstimmungsverfahren zu den Drs. 6/157 und 6/187. Zunächst stimmen wir über die Drs. 6/157, also über das Gesetz selbst, ab. Wünscht jemand eine Einzelabstimmung zu den selbständigen Bestimmungen oder zur Gesetzesüberschrift? - Das sehe ich nicht.
Dann lasse ich über das Gesetz in seiner Gesamtheit abstimmen. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist das Gesetz so beschlossen worden.
Wir stimmen jetzt ab über den vorliegenden Entschließungsantrag in der Drs. 6/187. Wer stimmt zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist
dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 3.