Protokoll der Sitzung vom 27.02.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sowie der dazu gehörige Entschließungsantrag weisen eine Vielzahl von ungeklärten Fragen und Problemen auf, die einer vertieften Erörterung in den Ausschüssen bedür

fen. Wir werden uns daher einer Überweisung des Gesetzentwurfes sowie des Entschließungsantrages nicht verweigern und stimmen einer Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Inneres, für Recht, Verfassung und Gleichstellung, für Bildung und Kultur, für Wissenschaft und Wirtschaft sowie für Landesentwicklung und Verkehr zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Jantos. Herr Jantos, es gibt zwei Fragesteller. Wollen Sie die Fragen beantworten?

Dann stellt als erster Herr Striegel seine Frage.

Herr Kollege Jantos, Sie haben die Frage aufgeworfen: Was passiert, wenn wir den Gesetzentwurf der LINKEN oder die entsprechenden Vorschläge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschließen würden? Was passieren würde, ist ganz einfach: Kinder und Jugendliche dürften ab 14 oder 16 Jahren wählen und mitbestimmen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine Frage: Geben Sie mir Recht und stimmen wir darin überein, dass jede Wahlaltersgrenze eine Willkürgrenze ist und dass nur die Begründungen für diese Willkürgrenzen differieren?

Zweite Frage: Ihnen ist bekannt, dass in SachsenAnhalt bei Kommunalwahlen ab einem Alter von 16 Jahren gewählt werden darf? - Das scheint in Ihrer Rede überhaupt nicht reflektiert worden zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass das bei Ihnen noch nicht einmal Thema war. Das ist bereits seit 1999 geübtes und erfolgreiches Verfahren hier im Land.

Wenn wir uns darüber einig sind, dass das immer Willkürgrenzen sind, dann frage ich Sie, ob am Ende nicht eine Willkürgrenze von 14 Jahren besser begründbar ist, weil in diesem Alter die Strafmündigkeit von Kindern und Jugendlichen eintritt und damit auch eine Verantwortungsübernahme in der Gesellschaft gegeben ist.

Erstens. Herr Striegel, ich bin seit Jahrzehnten Kommunalpolitiker und mir ist wohl bekannt, dass ab 16 Jahren gewählt werden kann. Mir ist ebenfalls bekannt, dass auch Gymnasiasten, die das entsprechende Alter haben, in Stadt- und Gemein

deräte gewählt werden. Ich habe das vielfach erlebt.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Auch aus der Sekundarschule!)

Das Problem war, dass sich der Enthusiasmus jedes Mal auf eine kurze Teilnahme während der Wahlperiode beschränkt hat, dann das Interesse verflog und man nicht mehr dabei war.

(Frau Bull, DIE LINKE: Was glauben Sie, was der Grund dafür ist?)

Zweitens. Ich halte es nicht für Willkür, eine Grenze zu ziehen. Ich halte es einfach für eine wichtige Sache, dass man voll verantwortlich ist für das, was man tut.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Es ist ja nicht Pillepalle, was in dem entsprechenden Gremium gemacht wird. Man kann Kinder und Jugendliche, die nicht die nötige Reife haben, durch bestimmte Organisationsformen auch in eine Richtung bringen, die keiner will.

Ich denke, hierüber sollten wir im Ausschuss diskutieren. Ich stehe den Fragen offen gegenüber. Ich finde es auch gut, dass bestimmte Ansätze, wie Kinder und Jugendliche an Politik herangeführt werden, so wie es die Kollegin gerade ausgeführt hat, durchaus umgesetzt werden können. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Folgen für die Kinder und Jugendlichen verantwortbar bleiben und dass sie nicht in Sachen hineingedrängt werden, die ihnen eigentlich nicht zustehen.

Sie haben noch mehr in diesem Gesetzentwurf stehen, worauf ich jetzt nicht eingehen kann. Dabei ging es um Schulfreiheit während der kommunalpolitischen Arbeit usw. Das sind Fragen, die ich für derzeit nicht gegeben halte. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege, es gibt eine Nachfrage.

Sie wollen nicht antworten? - Okay. Damit ist auch die Wortmeldung erledigt. - Frau Lüddemann, Sie wollten auch eine Frage stellen, die nicht beantwortet wird. - Herr Striegel, Sie wollten eine Nachfrage stellen?

(Herr Striegel, GRÜNE: Eine Zwischeninter- vention machen!)

Bitte.

Es ist eine Zwischenintervention. Der Kollege Jantos hatte mich noch einmal angesprochen. Ich will eines deutlich sagen: Ich war 1999 einer der jüngsten Stadträte, die es in diesem Land gab. Zehn Tage nach meinen 18. Geburtstag war die Wahl und ich bin in den Merseburger Stadtrat gewählt worden.

Ich bin ein Jahr später ausgeschieden, Herr Jantos. Das hatte weniger etwas mit mangelndem Enthusiasmus als mit der Frage zu tun, dass es in diesem Alter beruflich und in der Ausbildung weitergeht und dass das Leben nicht so stetig ist wie bei älteren Menschen. Das ist keine Schande oder irgendein kritikwürdiger Zustand, sondern das ist eine Situation, in der junge Menschen üblicherweise sind. Solche Dinge passieren in diesem Alter. Ich finde, das ist kein Grund, junge Menschen zu diskriminieren und von Teilhabe auszuschließen. Ich weise das eindeutig zurück.

(Oh! bei der CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Frau Lüddemann. Bitte schön, Frau Kollegin

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wenn ich zuerst kurz auf den Kollegen Jantos reagieren darf: Sie werden wahrscheinlich wissen oder wahrscheinlich werden Sie nicht wissen - sonst hätten Sie Ihre Argumentation hier nicht so dargelegt -, dass das Wahlalter und die Volljährigkeit schon in den 70er-Jahren entkoppelt worden sind, dass das Wahlalter im Jahr 1972 abgesenkt wurde und die Volljährigkeit erst im Jahr 1975. Insofern ist Ihre Argumentation schon seit 30 Jahren überholt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Höhn, DIE LINKE: 40!)

Jetzt zum eigentlich in Rede stehenden Thema, nämlich zu dem Gesetzentwurf und zu dem Entschließungsantrag der LINKEN. Ich glaube, die heutige Debatte und die Beispiele, die Frau Bull angeführt hat, die wir in Erarbeitung unseres eigenen Gesetzentwurfes und Antrages seit zwei, drei Jahren erfahren haben, zeigen deutlich, dass wir eine verbindliche Teilhabe in diesem Lande brauchen.

Ja, Herr Minister Bischoff, wir brauchen dafür ein Gesetz. Nur ein Gesetz regelt, dass die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen wirklich verbindlich ist, dass es keine Alibiveranstaltung ist, dass es nicht heißt, reden wir mal darüber und am Ende machen doch alle, was sie vorher schon wollten. Ich bin davon inzwischen fest überzeugt.

Meine Fraktion hat Anträge vorgelegt, die besagen, dass man damit nicht erst in der Grundschule beginnen muss, sondern schon in der Kita.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Dazu habe ich Beispiele erlebt und gute Argumentationen. Wenn ich manches in diesem Hohen Hause sehe, muss ich sagen, mir ist eine stringente Argumentation, bei der es heißt: „Dafür stehe ich und das ist der Grund dafür“, manchmal lieber als eine solche Fünfminutendebatte, nach deren Ende ich immer noch nicht weiß, wofür der Kollege tatsächlich steht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt einiges in dem vorgelegten Gesetzentwurf, womit wir konform gehen und was der klaren Beschlusslage in unserer Fraktion, in meiner Partei entspricht. Die Verankerung von Kinderrechten in der Landesverfassung wird von uns selbstverständlich unterstützt. Die Formulierung für das Landesvergabegesetz wäre hierbei zu nennen, die Stärkung des Kinderbeauftragten auf Landesebene, Drittelparität, das ist völlig klar. Dazu haben wir schon vor Monaten einen eigenen Antrag vorgelegt. Es ist klar, dass wir auch andere Vorschläge in dieser Richtung unterstützen.

Unterstützung und Fortbildung für Moderatoren zur Kinder- und Jugendbeteiligung war im Übrigen, Herr Bischoff, auch schon Bestandteil des Antrages, den wir vor einem guten Dreivierteljahr vorgelegt haben. Wenn jetzt die Erneuerung dieser Forderung dazu führt, dass das Landesjugendamt hierbei tätig wird, dann freue ich mich darüber im Interesse der Beteiligten.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich finde, es ist ganz eindeutig - das hat die Debatte heute auch gezeigt -, dass wir Schulungsbedarf haben. Wir stehen offenbar an einer Schwelle, an der sich die Kulturen widerstreiten, wie wir Politik machen und die Gesellschaft gestalten wollen. Offensichtlich ist es an dieser Stelle notwendig, Fortbildungsbedarf zu befriedigen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Es gibt aber auch Stellen im Gesetzentwurf, bei denen wir noch Beratungsbedarf haben. Wir sind beispielsweise nicht damit einverstanden, dass sich die Mitglieder des Jugendrats nur aus dem Kreisjugendring rekrutieren sollen. Das ist für uns eine Einengung, die an dieser Stelle nicht notwendig ist. Wir haben mit unserem Gesetzentwurf eine weitergehende Formulierung vorgelegt. Ich glaube, es ist sinnvoll, das noch einmal abzugleichen.

Ich stelle fest, dass meine Redezeit gleich abgelaufen ist. Deswegen will ich noch auf unseren Änderungsantrag eingehen. Es ist schon mehrfach in diesem Hohen Hause gesagt worden - ich sage es

gerne noch einmal -, dass es immer eine willkürliche Setzung ist. Ich habe es eingangs bereits gesagt, als ich auf den Kollegen Jantos eingegangen bin.

Volljährigkeit und Wahlalter sind schon vor Jahrzehnten entkoppelt worden. Die Festlegung auf das Alter von 14 Jahren erscheint uns sinnvoll, weil ab diesem Alter Rechtsinstitute greifen, die wirklich konstituierend sind. Religionsmündigkeit, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Strafmündigkeit, Mitsprache bei Sorgerechtsentscheidungen, einvernehmlicher Sex - all das ist ab 14 Jahren erlaubt.

Ich finde, wenn man all das darf, dann sollte man auch wählen können. Jugendliche sind heute schon unter 14 Jahren in der Lage, ihre Umwelt einzuschätzen und zu beurteilen, sich eine Meinung darüber zu bilden, wer am besten in der Lage ist, die Politik zu machen, die für sie ein gutes und mitbestimmungsfähiges Leben ermöglicht.

Im Übrigen freue ich mich, dass wir nun endlich diesen Gesetzentwurf vorliegen haben. Unser Gesetzentwurf und unser Antrag liegen dem Sozialausschuss seit einem Dreivierteljahr vor und wurden auch mit den Stimmen der Linken immer wieder auf Eis gelegt, weil beide Gesetzentwürfe gemeinsam beraten werden sollten.

Ich hoffe, dass wir, wenn nun alles vorliegt, ein bisschen in die Gänge kommen. Schließlich ist es wichtig, dass wir in eine Diskussion über das Wahlalter eintreten, sodass wir wenigstens einen Teil davon erreichen im Interesse der Kinder und Jugendlichen, und dass wir das noch in dieser Legislaturperiode abschließen. In diesem Sinne hoffe ich auf konstruktive Beratungen. - Danke.