Protokoll der Sitzung vom 28.02.2014

Herr Dr. Aeikens, ich möchte eigentlich gern an die Frage von Herrn Weihrich anschließen. Ich beziehe mich auf eine aktuelle Berichterstattung der ARD, meines Wissens lief sie in der Sendung „Monitor“.

Dabei ging es um die Ergebnisse, die es in Mexiko und in Brasilien, also in Mittel- und in Südamerika gegeben hat hinsichtlich des angesprochenen Maises 1507, insbesondere was Resistenzen gegen den Maiszünsler und die erheblichen Ausfälle betrifft, zu denen es in den beiden sehr weit voneinander entfernten Regionen gekommen ist.

Haben Sie diese Frage in Ihre Betrachtung einbezogen oder meinen Sie, dass diese Vorfälle, die dort geschildert worden sind, für Europa nicht zutreffen?

Herr Lüderitz, ich habe diese Fernsehsendung nicht gesehen. Aber mir liegt eine Stellungnahme vor, aus der hervorgeht, dass offenbar eine Verwechslung von Larven stattgefunden hat. Auch Journalisten können irren.

(Unruhe bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Es ist so!)

Als Nächster spricht der Abgeordnete Herr Wagner.

Herr Aeikens, ich habe eine Frage zur vermeintlichen Unabhängigkeit von wissenschaftlichen Gremien und insbesondere zu der selektiven Wahrnehmung einzelner Gremien. Ich meine, dass kein anderes Themenfeld wie das der Gentechnik und der gentechnisch veränderten Lebensmittel oder Organismen so stark von verschiedenen Richtungen der Wissenschaft begutachtet wird mit deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Infolgedessen sehe ich im politischen Raum immer eine sehr starke Fokussierung auf selektive wissenschaftliche Erkenntnisse.

Aus meiner Sicht fehlt noch ein Punkt. Im Bereich der Technikfolgenabschätzung für die Gentechnik besteht aufseiten der Wissenschaft eigentlich noch ein großer Wissensdurst. Man wäre eigentlich in der Lage, die beiden Pole in der Wissenschaft ein wenig zu entkrampfen.

Dem Vorwurf, dass nicht nur Verbände, sondern auch Sie persönlich im Moment sehr selektiv mit wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen, kann ich beipflichten. Ich möchte Sie deswegen fragen, warum Sie den Kollegen von der Fraktion BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN vorwerfen, dass, wenn diese formulieren, dass diesbezüglich noch wissenschaftliche Untersuchung aussteht, die Beauftragung eines Gutachtens womöglich schon mit einem vorgefassten Ergebnis erfolgt, und gleichzeitig behaupten, dass eine von der EU eingesetzte Kommission prinzipiell unabhängig ist und prinzipiell frei von Entscheidungen innerhalb der EU ist, wenn es darum geht, in einem konkreten Fall eine wissenschaftliche Erkenntnis zu liefern. Wenn Sie das so zuspitzen, dann reden Sie meiner Meinung nach der öffentlich wahrnehmbaren Polemik das Wort, was keiner der beiden Seiten hilft.

Die konkrete Frage: Wie schätzen Sie die aktuellen Einschätzungen zur Technikfolgenabschätzung im Bereich der Gentechnik im konkreten Fall des Maises 1507 ein?

Ich habe nicht umsonst sehr viel Zeit darauf verwendet, das Prozedere des Zulassungsverfahrens zu schildern. Wenn in mehreren Umfeldverträglichkeitsprüfungen und in mehreren Nachprüfungen von unabhängigen Wissenschaftlern festgestellt wird, dass von dem Anbau keine nachteiligen Wirkungen für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen, dann sollten wir gegenüber diesen Gremien und gegenüber diesen hochqualifizierten Menschen, die diesen unabhängigen Gremien angehören, ein gewisses Maß an Respekt aufbringen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich weiß, dass dies ein attraktives politisches Thema ist. Ich weiß, dass es auch Kreise gibt, denen gar nicht so viel daran liegt, die Menschen aufzuklären. Auch deshalb hat die Bundesregierung in der jüngsten Debatte im Bundestag die Frage aufgeworfen, warum man nicht alle Produkte kennzeichnen soll, die jemals mit Gentechnik in Berührung gekommen sind. Ich stehe voll dahinter.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Bischoff)

Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn wir die Milchtüte oder die Fleischpackung mit dem Etikett versehen: Die Tiere, von denen dieses Produkt stammt, sind mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert worden. Dann hat der Käufer die volle Transparenz.

Der Käufer hat ein erhebliches Maß an Transparenz, weil es auch Produkte gibt, die mit dem Label „ohne Gentechnik“ gekennzeichnet sind. Aber diese Produkte werden nach meinem Wissen auf dem Markt nicht in der Weise nachgefragt wie andere Produkte. So viel zu der Frage der Konsumentensouveränität.

Ich wünsche mir, meine Damen und Herren, etwas mehr Achtung und Respekt vor der Wissenschaft.

Ich glaube, Wissenschaftler, berufen von der EUKommission, durch EU-Gremien, haben diesen Respekt verdient, auch um das Vertrauen in staatliches Handeln und ihre Behörden nicht zu untergraben.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Unabhängig sind die nicht!)

Es gibt noch drei Wortmeldungen, die ich gern noch zulassen würde; danach möchte ich die Debatte abschließen: Frau Abgeordnete Tiedge, Frau Abgeordnete Dalbert und Herr Abgeordneter Krause.

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Meine Frage hat sich erledigt!)

- Frau Tiedge zieht ihre Wortmeldung zurück. Dann Frau Abgeordnete Professor Dalbert. Bitte.

Herr Dr. Aeikens, ich habe Ihnen in den letzten Minuten mit Interesse zugehört, auch der Debatte, die Ihren Endausführungen vorangegangen ist. Ich glaube, dass mir dabei ein sehr fremdes Verständnis von Wissenschaft begegnet ist, Herr Dr. Aeikens.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Die Aufgabe der Wissenschaft ist es zu untersuchen, was die Folgen bestimmter Bedingungen und was die Konsequenzen von Handlungen sind. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, Möglichkeiten - auch Handlungsmöglichkeiten - und deren Konsequenzen aufzuzeigen. All das ist Aufgabe der Wissenschaft.

Dazu meine Frage an Sie: Glauben Sie wirklich, dass es die Aufgabe der Wissenschaft ist, politische Entscheidungen zu ersetzen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich glaube, es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Politik bei politischen Entscheidungen zu beraten. Wissenschaftler können Politiker nicht ersetzen, meine Damen und Herren. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind aber eine wesentliche Grundlage für politische Entscheidungen.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)

Ich glaube, wir tun gut daran, hochqualifizierten Wissenschaftlern nicht nur hier, sondern auch anderswo Glauben zu schenken und ihre Erkenntnisse zu beachten.

Wenn Sie von einem Ihnen fremden Wissenschaftsverständnis sprechen, Frau Professor Dal

bert, so muss ich sagen: Das Verständnis von Wissenschaft ist mir auch fremd, wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben: Es müssen Studien zu möglichen Risiken der Maislinie erstellt werden. - Das liest sich für mich so: Wir müssen jetzt eine Studie haben und dabei muss herauskommen, welche Risiken damit verbunden sind.

(Zustimmung von Herrn Jantos, CDU)

Frau Professor Dalbert, es stimmt mich nachdenklich, wenn Sie als Hochschullehrerin einen Antrag mit einer derartigen Begründung versehen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch eine Nachfrage.

Herr Präsident, danke, dass Sie mir die Möglichkeit geben, darauf zu antworten, weil ich als Professorin und Lehrstuhlinhaberin direkt angesprochen wurde.

Es ist das Wesen von Gutachten, dass man eine Aufgabe in dem Gutachten definiert. Wir würden uns wünschen, dass man Gutachten mit der Aufgabe einholt, Risiken zu untersuchen. Was dabei herauskommt, ist offen.

(Unruhe)

Darin haben wir keinen Dissens. Es steht nicht in unserer Begründung, was das Ergebnis sein soll, sondern es steht darin die Aufgabe des Gutachtens.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Herr Aeikens, ich will es noch einmal betonen: Wissenschaft besteht immer aus dem Widerstreit. Deswegen kann Ihnen ein wissenschaftliches Ergebnis nicht die politische Gewichtung und die politische Verantwortung und Entscheidung abnehmen. Wir nehmen die Wissenschaft sehr ernst, aber wir nehmen auch unseren politischen Auftrag ernst.

(Herr Leimbach, CDU: Das ist schön!)

Herr Präsident, wenn ich darauf noch einmal eingehen darf. - Ich habe nicht umsonst in großer Breite geschildert, was die Wissenschaftler getan haben, um zu dem dargestellten Ergebnis zu kommen. Das beinhaltete auch Risikountersuchungen. Wissenschaft kann jedoch Politik nicht ersetzen.

Zum Abschluss Herr Abgeordneter Krause.

Herr Minister, gebieten es nicht die ungenügende und die nicht zufriedenstellende Rechtslage - dem haben Sie übrigens am letzten Donnerstag in Bernburg auf meine Frage hin mit einem kurzen Einwurf zugestimmt - und das Urteil in Bayern, dass nicht die Nutzer dieser neuen Technologie für Folgeschäden im Ökolandbau, bei Bienen, bei Imkern oder bei der herkömmlichen Landwirtschaft aufkommen sollen, sondern diejenigen, die den Schaden haben, für den Schaden voll aufkommen müssen - so das Urteil aus Bayern -, gebieten es nicht die Rechtslage und auch die Vernunft, dass wir es verbieten, dass die Nichtnutzer, die ohne diese gentechnisch veränderten Kulturen arbeiten wollen, mit Pollenflug geschädigt werden, die Freiheit von gentechnisch veränderten Pollen nicht nachweisen können, weil sie belastet sind? Gebietet es nicht diese ungünstige Rechtlage, dass wir, solange es diese Rechtslage gibt, den Anbau verbieten?

Es können doch nicht diejenigen, die diese Technologie nutzen, frei von jeglicher Belastung sein, während derjenige, der den Schaden hat und das nicht will, in dieser Gesellschaft der Dumme ist.

Noch ein anderer Punkt. Herr Minister, könnten Sie uns einmal darüber informieren, wer festgestellt hat, dass die Larven verwechselt wurden?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Jetzt war er ein wenig aufgeregt - vorhin nicht!)

Erstens. Herr Krause, ich habe über die Zulassung gesprochen. Wenn wir über den Anbau sprechen - dazu meine Antwort in Bernburg -, dann müssen wir auch über Haftungsfragen und Haftungsregelungen sprechen. Dazu könnte ich mir auch noch Entwicklungen vorstellen, die wir bis heute nicht haben.