Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

schreibt dann in den Antrag etwas ganz anderes hinein? - Ich komme darauf noch zurück.

Dass wir uns mit möglichen Folgen des Klimawandels auseinandersetzen, dass es erheblicher Anstrengungen bedarf und dass wir bei den erfolgreichen Hochwasserschutzmaßnahmen der vergangenen Jahre durch zusätzliche Retentionsräume flankierend tätig werden müssen oder dass wir uns über die Versickerungsfähigkeit von Böden im Entstehungsgebiet solcher Hochwässer auseinandersetzen müssen, ist alles gut und richtig, übrigens auch nicht neu; das war schon Gegenstand der Entschließungen, die wir gemeinsam hier im Hohen Hause gefasst haben.

Die Schauplätze, die Sie aufgerufen haben, sind bekannt, und ich finde, sie wurden auch ganz gut von der Landtagsmehrheit behandelt. Wir haben konkrete Verbesserungsvorschläge eingebracht, wie wir den Hochwasserschutz verbessern und beschleunigen können.

Nun, Sie bieten dann in Ihrem Antrag an, dass Beschleunigung durch Transparenz möglich sei. Oh, habe ich gedacht, als jemand, der das 20 Jahre lang praktisch gemacht hat, das ist eine ganz neue Idee. Die wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren leiden also unter mangelnder Transparenz und das führt zu Verzögerungen. - Dabei habe ich mir gedacht, Sie haben eine getrübte Wahrnehmung von Wirklichkeit.

(Zustimmung von Herrn Barthel, CDU)

Die wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren werden von der Öffentlichkeit überhaupt nicht angegriffen. Es gibt überhaupt keine Bürgerinitiative gegen einen Deichbau. Es gibt überhaupt keine Bürgerinitiative gegen ein grünes Rückhaltebecken in Wippra, sondern es gibt Bürgerinitiativen dafür.

Glauben Sie, dass Sie den Leuten helfen können, wenn Sie sagen, wir machen noch ein bisschen mehr Transparenz, damit ihr noch besser wisst, wofür ihr seid? - Das ist doch absurd, Herr Weihrich.

(Beifall bei der CDU)

Die nicht zu tolerierende Dauer von wasserrechtlichen Planungen und Genehmigungen ist nicht auf mangelnde Transparenz zurückzuführen, sondern auf die in den Verfahren steckenden Fußangeln, über die dann gelegentlich auch gestolpert wird.

Und wenn Sie sagen, dass die Transparenz insbesondere bei den zu aktualisierenden Gefahren- und Risikokarten erzeugt werden soll, ist dagegen gar nichts zu sagen. Das hat aber mit der Beschleunigung von Hochwasserschutzmaßnahmen überhaupt nichts zu tun. Das hat etwas mit Einsicht und mit Vorsorge, mit Prävention zu tun, aber mit Hochwasserschutz überhaupt nichts.

Übrigens, wenn Sie hier so tun, als seien die Karten, die das Land Sachsen-Anhalt erstellt hat, alle überarbeitungsbedürftig: Das ist doch Quatsch! 75 % dieser Karten sind überhaupt nicht von den Hochwasserereignissen von 2013 betroffen und deswegen gar nicht zu überarbeiten. Die sind aktuell. Und die 25 % schaffen wir noch bis 2015. Da bin ich ganz zuversichtlich. Das heißt, Sie bauen hier einen Popanz auf, Sie machen ein Bedrohungsszenario, das überhaupt nicht existiert.

Wenn wir konkrete Vorschläge machen, wie denn solche Verfahren zu beschleunigen wären, dann sind Sie dagegen. Nicht dass Sie glauben, ich lasse Ihnen das durchgehen!

(Herr Weihrich, GRÜNE: Das glaube ich nicht!)

Welche konkreten Verfahrensvorschläge haben Sie denn gemacht? Wie stehen Sie denn zu den Vorfahrtsregelungen in § 73 Abs. 2 VwVfG? Wie stehen Sie denn zu der Frage, § 68 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, also die Regelung zu den Küstenschutzbaumaßnahmen, auch auf Deichbaumaßnahmen im Inland auszudehnen? Wie stehen Sie denn zu der Frage, ein vereinfachtes Planfeststellungsverfahren nach § 76 Abs. 3 VwVfG zu machen? Wie stehen Sie denn zu vorzeitigen Besitzeinweisungen bei Maßnahmen des öffentlichen Hochwasserschutzes? Oder wie stehen Sie denn zu den Möglichkeiten, bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung abweichend von § 76 VwVfG gänzlich auf ein neues Planfeststellungsverfahren zu verzichten?

Null, keine Aussage, keine Beschleunigung! Aber dann haben Sie doch wenigstens den Mut, den Menschen draußen zu sagen, dass Sie zwar Beschleunigung als Überschrift wählen, aber eigentlich nur Transparenz bei Risikokarten meinen. Diesen Mut haben Sie nicht.

Aber richtig krass falsch - und das hätte ich wirklich ernsthaft böse vorgetragen, wenn Sie sich nicht vorhin korrigiert hätten - ist Ihr Antrag auf Seite 3 im fünften Absatz; damit Sie es schnell mitlesen können. Darin schreiben Sie - und ich finde das fast gefährlich für die Menschen in unserem Land -: „Ganz oben auf der Prioritätenliste soll, neben der Reparatur der Schäden …, die Rückverlegung von Deichen stehen.“

Wie bitte? Ganz oben?

Das heißt, Sie wollen an allen wasserwirtschaftlichen Prioritäten vorbei, die einzelne Baumaßnahmen in der Sanierung von technischen Hochwasserschutzanlagen vorsehen, jetzt die ökologischen Hochwasserschutzmaßnahmen in der Prioritätenliste ganz nach oben setzen? Das meinen Sie ernst?

Die Maßnahmen, die besonders langwierig sind, die besonders viel Transparenz brauchen, die be

sonders flächenbedürftig sind, die wollen Sie also an die Spitze der Bearbeitungsnotwendigkeiten stellen?

Da habe ich gedacht, das kann nur ein Fehler sein. Zum Glück haben Sie Ihren Fehler korrigiert, als Sie vorhin sagten, nein, natürlich müssen auch weiterhin technische Hochwasserschutzanlagen nach der Hochwasserschutzkonzeption des Landes Sachsen-Anhalt gebaut werden. Dagegen wären Sie gar nicht. Wenn Sie das nicht eingeräumt hätten, dann wäre ich richtig böse geworden.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Oh, Herr Leim- bach!)

Dann wäre auch klar gewesen, dass das eher etwas mit Ideologie als mit der Schutzbedürftigkeit der Menschen zu tun hat, was Sie vorschlagen.

(Beifall bei der CDU)

Beschleunigung, Herr Weihrich, setzt die Bereitschaft voraus, auch das, was bislang galt, infrage zu stellen. Was Sie hier an Beschleunigungsideen genannt haben, ist bindendes Recht. Das sagen Sie im Parlament? Das ist bindendes Recht? Daran müssen wir uns halten? Die Verfahren müssen in der Verwaltung nur besser vorbereitet werden?

Ich sage Ihnen, wir müssen auch einmal selbstkritisch darüber nachdenken, ob die Regeln, die gelten, tatsächlich die Notwendigkeiten für die Bedürfnisse der Bürger widerspiegeln. Es wäre richtig, in der Politik die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Politik einfach den Regeln folgen zu lassen. Aber daran können wir in künftigen Sitzungen im Umweltausschuss Verbesserungen vornehmen - auch an der Haltung. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Weihrich. Möchten Sie diese beantworten?

Herr Kollege Leimbach, Sie haben jetzt eine Diskussion aufgemacht, die wir an dieser Stelle nicht im Detail führen können, sondern in den Ausschüssen weiterführen müssen. Ich will trotzdem noch auf drei Punkte eingehen und drei kleine Nachfragen stellen.

Erstens zu der Beschleunigung. Wir gehen tatsächlich davon aus, dass durch eine erhöhte Transparenz, durch eine Beteiligung und Schaffung von Akzeptanz eine Beschleunigung dieser Verfahren, neben Regeländerungen, erreicht werden kann. Deswegen möchte ich Sie fragen: Wie

schätzen Sie die Akzeptanz von Deichrückverlegungsmaßnahmen, der Schaffung von Retentionsräumen ein? Wie schätzen Sie beispielsweise die Situation am Gimritzer Damm ein, wo sich schon eine Bürgerinitiative formiert?

Sie gehen jetzt von den Verfahren aus, die vollkommen unproblematisch sind. Aber wir werden es in Zukunft auch mit Maßnahmen zu tun haben, die schwieriger durchzusetzen sind und wo es darum geht, Akzeptanz zu schaffen.

Die zweite Frage. Ich will versuchen, es als Frage zu formulieren: Stimmen Sie mir darin zu, dass es notwenig ist, jetzt nach zusätzlichen Retentionsflächen zu suchen, bevor wir die Deiche sanieren, bevor wir DIN-gerechte Deiche neu schaffen? Ich habe vorhin gesagt, wir müssen dabei jetzt tätig werden, damit wir neue Deichlinien finden und gerade die neuen DIN-gerechten Deiche an den neuen Deichlinien bauen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass alte Deiche saniert werden müssen. Es geht darum, jetzt tätig zu werden. Deswegen haben wir das so in den Antrag hineinformuliert.

Ich habe es vorhin erläutert. Wir müssen dieses Zeitfenster nutzen. Deshalb noch einmal meine Frage: Stimmen Sie mir darin zu?

Dann noch einmal der Punkt mit den geltenden Regelungen. Sie haben viele Details aufgeführt. Ich habe im Oktober bei der Diskussion in der Landtagssitzung schon deutlich gemacht, dass wir nicht gegen die Vorschläge sind, die gemacht wurden.

Es gibt zwar einige Punkte, bei denen wir noch Bedenken haben, zum Beispiel dass eine gerichtliche Instanz abgeschafft werden soll. Das ist auch eine rein praktische Erwägung, weil ich gar nicht glaube, dass man damit eine Verfahrensbeschleunigung erreichen kann.

Deshalb will ich noch einmal betonen: Es geht nicht nur darum, neue Regelungen zu schaffen, sondern es geht darum, die geltenden Regelungen auszunutzen. Deswegen habe ich noch einmal so umfangreich über den Punkt Naturschutz gesprochen. Wir stellen nämlich fest, dass die geltenden Regelungen nicht stringent angewendet werden und dass es Versäumnisse in diesen Verfahren gibt. Das Hochwasserrückhaltebecken Wippra - das kennen Sie ja auch - ist ein gutes Beispiel dafür.

Deswegen ist es für uns auch so wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die geltenden Verfahrensregelungen ausgenutzt werden müssen, um zu einer Verfahrensbeschleunigung zu kommen, bevor man über neue Regelungen nachdenkt.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Wir müssen es aber schnell machen!)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Weihrich, ja, ich schätze die Akzeptanz bei Deichrückverlegungsmaßnahmen bei Weitem nicht so gut ein wie bei klassischen Hochwasserschutzmaßnahmen, die wir bisher kennen. Wir wissen, dass viele Betroffene es als Nachteil empfinden, wenn sich der Deich auf die andere Seite ihres Grundstücks verzieht. Die werden Widerstand leisten, wenn wir ihnen keine tauglichen Lösungen auch für ihre Eigentumssituation anbieten.

Nur enteignen, wie manche Leute glauben, nach dem Motto: „Und wegtreten!“, das wird eben nicht funktionieren; da können wir noch so viele Karten vorlegen. Wenn Sie nicht vernünftige Regeln mitbringen, müssen Sie nicht glauben, dass das Akzeptanz produziert.

Das Zweite. Ich hätte Ihnen die Geschichte mit dem Gimritzer Damm gern erspart. Aber Sie haben das angesprochen. Es ist schon erstaunlich, dass Sie das als Beispiel hier erwähnen. Sie reden über das Bauen in Retentionsbereichen, das wir dringend verbieten müssten, wobei Sie absichtlich im Unklaren lassen, ob es schon Risikogebiete sind, in denen nicht gebaut werden darf, oder ob es nur Überschwemmungsgebiete sind, in denen nicht gebaut werden darf. Aber Sie nehmen als Beispiel den Gimritzer Damm, der quasi als Schwarzbau mitten hinein in den Retentionsbereich der Saale errichtet werden soll. Sie persönlich haben ihn sogar vor Ort unterstützt.

Ich habe mir gedacht, man sollte mal den Mantel des Schweigens darüber decken, dass es ein Widerspruch ist. Aber wenn Sie das hier ansprechen, dann sage ich Ihnen: Es ist kein gutes Beispiel, dass wir ohne Retentionsausgleich mal eben Deiche in den Retentionsraum hineinverlegen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich stimme Ihnen ausdrücklich darin zu, dass es wichtig und richtig ist, wie es der Minister vorhin gesagt hat, nach zusätzlichen Retentionsmöglichkeiten zu suchen. Ich stimme Ihnen aber ausdrücklich nicht darin zu, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt, nämlich bis zum Abschluss der Suche nach zusätzlichen Retentionsräumen, die Sanierung und Instandhaltung von Deichen unterlassen sollten.

Nein! Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, die Deiche herzustellen. Die Retentionsräume bieten uns zusätzliche Polder und Puffer. Diese werden wir nutzen müssen, aber nicht anstelle und schon gar nicht prioritär gegenüber den vorhandenen technischen Aufgaben.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Nein, Herr Weihrich, sorry. Dazu muss ich sagen: Das mag Ihre persönliche Meinung sein, die ich

übrigens sehr schätze. Aber die GRÜNEN in den Bundesländern haben die Vorschläge, die ich vorhin bezüglich der Beschleunigung von Verfahren gemacht habe, nicht mitgetragen, sondern abgelehnt.

Sie können sich hier nicht aus der Verantwortung verabschieden nach dem Motto: Sie finden die Vorschläge überwiegend richtig. Ihre Bundespartei und die anderen Bundeländer halten diese Vorschläge für falsch. Dann haften auch Sie mit.