Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die vereinbarte Fünfminutendebatte eröffnet Herr Kollege Erben für die SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank an die Antragsteller. Denn der heutige Antrag gibt mir Gelegenheit, die Position der SPD, die im Übrigen in dieser Angelegenheit seit nun locker anderthalb Jahren unverändert ist, darzustellen und auch darzustellen, dass wir nicht etwa diejenigen sind, die hier alles blockieren oder ständig mit irgendwelchen neuen Ideen kommen würden. Das werde ich, wie gesagt, gleich tun.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, liebe Frau Tiedge, dass Sie in Ihrem Redebeitrag zu Ihrem Antrag sprechen und keine Generaldebatte zur Polizei führen. Das hätte ich heute auch gern gemacht, aber dafür reichen leider die fünf Minuten Redezeit nicht aus.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Wir wären dafür!)

Ich kann Ihnen eine Rückschau nicht ersparen, denn durch sie wird deutlich, wie wir zu unseren Positionen gekommen sind. Zunächst einmal zur Polizeistrukturreform 2007: Wir haben im Jahr 2007 die Struktur, also den Kopf, von sechs auf drei Behörden eingedampft. Wir haben gleichzeitig - nicht um zehn Jahre versetzt - die Kreisgebietsreform nach dem Prinzip „ein Landkreis, ein Revier“ nachvollzogen. Es hat eine Reihe von Neuzuschnitten bei der Zuständigkeit gegeben.

An dieser Stelle will ich - Herr Minister, das müssen Sie sich jetzt anhören - mit einem immer wieder behaupteten Argument aufräumen. Die Polizeistruktur, die wir gegenwärtig haben, baut nicht auf 8 000 Dienstposten auf, sondern es waren damals 8 000 Beamtinnen und Beamte und Verwaltungsbedienstete im Dienst. Der Dienstpostenplan hat nie darauf aufgebaut. Das hat der Abteilungsleiter Polizei in unserer Fraktion ausdrücklich bestätigt. Er war nämlich damals auch schon dabei. Deswegen sollte jetzt aufgehört werden mit der Aussage, wir hätten eine Struktur, die 8 000 Beamte braucht, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das stimmt einfach nicht.

(Zustimmung bei der SPD)

Nicht umsonst sind wir im Koalitionsvertrag zu eben diesen Punkten gekommen. Wir wollten Kontinuität in der Polizeistruktur. Deswegen ist diese da festgeschrieben worden und deswegen haben wir das aufgeschrieben. Wir haben damit nicht die Landesregierung ärgern wollen, sondern wir wissen, wie wichtig Kontinuität in der Struktur großer Organisationen ist. Deswegen tun wir uns mit einer Reform schwer, die keinen Stein auf dem anderen lassen würde.

Was die Positionen bei uns sind? - Wir haben ganz klar gesagt: Wir gehen deutlich weiter als die Reformvorschläge. Wir können uns nämlich sehr wohl vorstellen, die entsprechenden gesetzlichen Vor

gaben zu ändern und aus drei Polizeibehörden zwei zu machen. Wir können uns sehr gut vorstellen, die Polizei in Richtung Technisches Polizeiamt und die Landesbereitschaftspolizei, wie es im Übrigen die gegenwärtigen Chefs auch sehen, zusammenzuschließen. Wir wollen bei dem Prinzip „ein Landkreis, ein Revier“ bleiben. Wir können uns viele Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Kriminalpolizei vorstellen und wir tragen ausdrücklich den Baustein der Regionalbereichsbeamten mit. Herr Krause, wenn man das richtig macht, ist das eine sehr gute Einrichtung, die wir ausdrücklich begrüßen und die deswegen so funktionieren sollte.

Doch jetzt zum eigentlichen Knackpunkt der Reform, den sogenannten Streifenbereichen und den massiven Verlagerungen, die in diesem Zusammenhang anstehen würden. Das ist eine Organisation - das haben wir mehrfach bekundet -, die wir nicht generell verteufeln. Das Problem ist nur, dass bisher nirgendwo in Deutschland der Beweis angetreten worden ist, dass die Streifenbereiche funktionieren. Es gibt nirgendwo ein flächendeckendes System solcher Streifenbereiche.

Deswegen sind wir nicht damit einverstanden, die Polizeistationen zu schließen und im Land Streifenbereiche einzurichten, bevor nicht der Nachweis erbracht worden ist, dass eine solche neue Organisationsform personell abgesichert ist und organisatorisch funktionieren kann. Deswegen will ich an dieser Stelle noch einmal meine Verwunderung darüber kundtun, dass Beamte des Innenministeriums, wenn wir fordern, es solle eine solche Erprobung stattfinden, das als gefährliches Großexperiment bezeichnen.

Nun komme ich zum Personal. Die Aufstockung um 50 Anwärter ist eine richtige Entscheidung, es ist eine notwendige Entscheidung. Sie hat wenig Bezug zur Polizeistrukturreform, sondern betrifft vor allem die Funktionsfähigkeit der Polizei in den nächsten Jahren. Sie bringt neue junge Leute in die Polizei und wird sicherlich manches Defizit an dieser Stelle beseitigen können.

(Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD, und von Frau Budde, SPD)

Was für uns unabdingbar ist, ist eine enge und jederzeitige Einbeziehung der Polizeigewerkschaften und die förmliche Beteiligung der Personalvertretungen - wir haben das mehrfach kundgetan -; denn bei einem solchen Großprojekt können die Polizeigewerkschaften entscheidend zum Gelingen beitragen. Das darf nicht gegen sie passieren, das muss mit ihnen passieren. Deswegen stehen wir dazu.

Wir werden sicherlich noch eine ganze Weile über das Thema diskutieren dürfen und müssen. Deswegen ist die Überweisung in den Innenausschuss heute die richtige Entscheidung. Diese Überwei

sung schlage ich vor und beantrage sie. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Erben. Herr Kollege Erben, Sie dürfen die Frage jetzt ablehnen. Aber Sie machen das nicht.

Vermutlich nicht.

Deshalb kann Frau Dr. Paschke die Frage stellen.

In diesem Fall schon gar nicht.

Ich merke, es gibt ein enges Verhältnis zwischen Ihnen.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Frau Dr. Paschke, bitte stellen Sie Ihre Frage.

Wenn es danach geht, würden hier viele enge Verhältnisse herrschen.

(Heiterkeit)

Herr Erben, der Minister hat ausgeführt, dass in aller Ruhe im April entschieden werden wird. Wie soll das gehen? Ohne Sie - oder? Wenn wir den Antrag jetzt in den Innenausschuss überweisen: Wir haben nächste Woche Dienstag den 1. April. Ich stelle die Frage ernsthaft, denn das Problem ist, dass jeder Polizist, der Streife läuft, und auch andere darüber nachdenken.

Die Frage zu der Ruhe - da bin ich vielleicht nicht der richtige Adressat - hätten Sie vorhin an den Minister stellen müssen. Der hätte im Übrigen die Antwort nicht ablehnen dürfen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Sie hätten ihn doch auch fragen können!)

- Ja. Aber das habe ich nicht gemacht. - Das Kabinett ist jederzeit berechtigt, diverse Entscheidungen zu treffen. Bei der Polizeistrukturreform geht es aber um derart tiefgreifende Entscheidungen, dass ich fest davon ausgehe, dass diese nur unter der entsprechenden politischen Rückkoppelung funktionieren werden. Ich will jetzt nicht im Einzelnen referieren. Aber man könnte nach der gegenwärtigen Rechtslage in Sachsen-Anhalt sogar die Polizeidirektion in Dessau auflösen, ohne dass

man das Parlament beteiligen müsste, denn dazu bedürfte es keiner SOG-Änderung.

Nichtsdestotrotz haben wir hier und an vielen anderen Stellen auch eine solche Diskussion. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung um die entsprechenden politischen Mehrheiten werben wird.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Vielen Dank, Herr Erben. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Kollege Herr Striegel. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt - ich glaube, da sind wir uns hier im Hause einig - braucht eine gut ausgerüstete, personell vernünftig ausgestattete, verjüngte, vielfältigere Demokratie und rechtsstaatliche Werte lebende Polizei. Um dies zu erreichen, sind eine Polizeireform und eine Reform der polizeilichen Strukturen unumgänglich. Für eine solche Reform wären jedoch klare Vorgaben notwendig.

Solange diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen die Frage nicht beantworten können, was sie angesichts von Überalterung, eines daraus resultierenden hohen Krankenstands und um sich greifender Frustration der Bediensteten von einer sachsen-anhaltischen Landespolizei erwarten, ist jeder Reformversuch zum Scheitern verurteilt, auch weil er im unendlichen Geschiebe zwischen SPD und CDU zerrieben wird, das zu häufig nicht fachlichen Gesichtspunkten, sondern rein machttaktischen Überlegungen aufgrund regionaler oder persönlicher Kräfteverhältnisse in der Koalition folgt. So, Herr Innenminister, so, Herr Kollege Erben, lässt sich eine erfolgreiche Reform dann doch nicht gestalten.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Wir Parlamentarier konnten heute früh der Presse entnehmen, dass die Koalitionsfraktionen sich in Sachen Polizeireform geeinigt und unter anderem 150 zusätzliche Neueinstellungen über drei Jahre vereinbart hätten. Diese Verständigung am Parlament vorbei folgt dem alten Muster, dass sowohl die Abgeordneten als auch Polizistinnen und Polizisten ebenso wie die Betroffenen in den Kommunen regelmäßig erst der Zeitung entnehmen können, was in Sachen Polizeireform geplant ist.

Mich ärgert, dass wir permanent in den Ausschüssen zusammensitzen und am folgenden Tag, ohne dass auch nur ein Hinweis in dem Gremium käme, in der Zeitung vom vollständigen Scheitern der Reform oder von der Übernahme von Verantwortlich

keit für das Reformgeschehen durch die Staatskanzlei lesen müssen. Erfolgreiche Arbeit für die Polizei und für das Land, Herr Ministerpräsident, geht anders.

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Ausweislich der Medienberichte hat sich die Landesregierung gestern endgültig von ihrem eigenen Personalentwicklungskonzept verabschiedet. Das bisherige PEK ist offenbar Makulatur.

Die je zusätzlich 50 Neueinstellungen pro Jahr ergänzend zu den sowieso vorgesehenen 450 Neueinstellungen bei der Polizei für die Jahre 2014, 2015 und 2016 sind richtig und notwendig. Sie helfen die fortschreitende Überalterung und die hierdurch verursachten Abgänge zu reduzieren. Sie ändern aber nichts an der Notwendigkeit, auch die polizeilichen Strukturen einer Überarbeitung zu unterziehen und sie für die Zukunft fit zu machen.

Das vom Innenminister hierfür vorgesehene Konzept der Straffung und Zusammenführung bei der Verwaltung, der Schließung von lediglich als bauliche Hüllen oder Waffenaufbewahrungsorte genutzten Polizeigebäuden und die Stärkung der Präsenz in der Fläche bleiben dafür grundsätzlich sinnvoll; das teilen wir mit dem Minister.

Zur Reform wären jedoch das Parlament, die Personalvertretung - der Kollege Erben hat es angesprochen - und auch die Gewerkschaften umfassend einzubinden und es müssen endlich die Qualitätsmaßstäbe definiert werden.

Wir GRÜNE wollen, dass Sachsen-Anhalts Polizei im Bedarfsfall bei Gefahr für Leib und Leben in jedem Landesteil, ob im urbanen Halle oder im Wolfserwartungsgebiet Altmark, garantiert binnen 20 Minuten vor Ort ist.

Wir erwarten, dass die Beamten, wenn diese vor Ort sind, die Vorgangsbearbeitung beginnen können. Hierfür sind endlich die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Zu den Gebäuden hat der Minister schon gesagt: Auch das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen und wofür wir als Parlament Geld locker machen müssen.

Meine Fraktion hält den Antrag der Fraktion DIE LINKE heute nicht für sofort zustimmungsfähig. Wir wollen ihn, genau wie die Koalitionsfraktionen, im Innenausschuss weiter debattieren. Denn anders als die Fraktion DIE LINKE und offenbar auch Teile der SPD sehen wir angesichts der Personalentwicklung bei der Polizei durchaus zeitlichen Druck, um Korrekturen an den polizeilichen Strukturen im Land vorzunehmen. Da sind wir beim Minister und nicht bei Ihnen.

Diesen Korrekturen muss allerdings die Verständigung über die qualitativen Anforderungen an unsere Landespolizei im Parlament vorausgehen. Dem sollten wir uns im Innenausschuss endlich stellen.