Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

Lassen Sie mich an dieser Stelle erwähnen, dass das Kultusministerium momentan daran arbeitet, die weiteren schulischen Bildungsgänge, die dem Übergangssystem Schule und Beruf zuzurechnen sind, zu optimieren und zu vereinheitlichen. Dabei steht im Vordergrund, die Angebote nach qualitativen Maßstäben zusammenzufassen, auszubauen und in Abstimmung mit den Kammern eine Anrechnung der berufsbezogenen schulischen Leistungen auf eine duale Ausbildung zu ermöglichen.

Der Übergang von der Schule in den Beruf orientiert sich dabei an den Grundsätzen des KMKBeschlusses vom Oktober zur Optimierung und Vereinheitlichung der schulischen Angebote im Übergangssystem.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade weil jeder junge Mensch ein Anrecht auf einen erfolgreichen Weg in sein Berufsleben hat, sollte es in unserem gemeinsamen Interesse sein, Wirksamkeit und Effizienz der ihn begleitenden Maßnahmen zu überprüfen.

Der Antrag der regierungstragenden Fraktionen bietet nun Anlass, diesem Erkenntnisinteresse nachzugehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte ein. Es spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Thiel-Rogée. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Keindorf, ich finde, Sie haben eine gute Analyse gegeben. Das muss man auch nicht wiederholen.

Ich finde, das sind genau die wesentlichen Punkte. Ich weiß ja, dass Sie diesbezüglich sehr viel Erfahrung haben. Deswegen lasse ich nun einiges weg.

Eine erhebliche Zahl von Programmen des Bundes, der Länder, der Europäischen Union sowie regionale Initiativen sind auf das Ziel einer erfolgreichen beruflichen Ausbildung und den Übergang in den Beruf gerichtet.

Schon seit Jahren besteht bei Expertinnen und Experten die Auffassung, dass hierbei vieles nicht richtig zusammenläuft, die Koordinierung mangelhaft ist und so wertvolle Potenziale verschenkt werden.

Wir haben uns in diesem Kontext immer für die Bündelung auf regionaler Ebene eingesetzt. Sogenannte regionale Bildungslandschaften können unter anderem geeignete Plattformen sein.

Wenn vom Übergangssystem die Rede ist, müssen auch die Defizite und ihre Ursachen, die zur mangelnden Ausbildungsreife führen, benannt werden. Nach wie vor ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, mit klar über 10 % zu hoch.

Hinzu tritt jene Gruppe von Hauptschulabsolventinnen und -absolventen, denen es an einer Reihe wichtiger Kompetenzen mangelt, um erfolgreich einen Beruf zu erlernen.

Selbst über Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern mit höheren Abschlüssen wird vonseiten der Berufsausbildung geklagt. Wenn auch hin und wieder nicht auszuschließen ist, dass hierbei schlicht ein Stück Verantwortung abgeschoben wird, müssen wir diese Signale ernst nehmen.

Heute ist nicht die Zeit, um die gesamte Schulpolitik zu erörtern. Die Themen Inklusion, differenzierte individuelle Förderung, Verständnis von Heterogenität als Bereicherung gehören jedoch unter anderem in den Blick, genauso wie der hohe Rang sozialpädagogischer Arbeit an den Schulen.

An dieser Stelle muss auch Kritik sein: Viele Schulsozialarbeitsprojekte - es sind mehr als 200 -, die bisher in der Verantwortung der Kommunen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes finanziert wurden, gehen einer unsicheren Zukunft entgegen. Bisher eiert die Landesregierung bei diesem Thema nur herum.

Ein weiterer Umstand scheint mir noch erwähnenswert: In allen schulpolitischen Konzepten, die meine Fraktion bisher vorgelegt hat, spielten polytechnische Bildungsangebote in allen Schulformen eine wichtige Rolle. Hierbei gibt es noch viele Möglichkeiten, Berufsorientierung und -vorbereitung nicht nur zu verbessern, sondern auch aus anderen Kontexten, wie dem Bücherwissen, Lernimpul

se zu geben, Interesse zu wecken und Gelegenheiten zu schaffen, damit sich Schülerinnen und Schülern an konkreten Projekten ausprobieren, Erfolge erleben, aber auch Misserfolge verarbeiten können.

Die Maßnahmen des Übergangssystems sind seit Langem in der Kritik. Ursachen dafür gibt es viele.

Schon im Juni 2008 wandten sich der Deutsche Gewerkschaftsbund Sachsen-Anhalt, die Arbeitsgeber- und Wirtschaftsverbände, der Gesamtverband Handwerk e. V. und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt mit dem Appell „Ausbildungsfähigkeit benachteiligter Jugendlicher dringend verbessern“ an die Öffentlichkeit. Leider habe ich bisher nichts mehr darüber gehört.

(Herr Scheurell, CDU: Was?)

Die dort erhobenen Forderungen sind immer noch interessant. Es ging um Betriebsnähe während der gesamten Ausbildungsvorbereitung, um die Qualifizierung und Vertiefung von Grundkonzepten im sozialen, sprachlichen, mathematischen, naturwissenschaftlich-technischen Bereich, die professionelle sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung der Berufsvorbereitung. Zu ergänzen ist noch die gendersensible Ausbildung aller Ausbildungselemente.

Meine Fraktion hatte diese Forderungen in einem Antrag im Frühherbst 2009 in den Landtag eingebracht und ein Konzept von der Landesregierung gefordert, das in der Lage ist, die zahlreichen Maßnahmeninstrumente zu bündeln und wirksamer anzuwenden. Nach der Ausschussberatung wurde daraus ein Landtagsbeschluss mit einer Aufforderung zur Berichterstattung über die Maßnahmen und einer Analyse ihrer entfalteten Wirksamkeit.

Noch im Dezember 2010 legte die Landesregierung einen 85 Seiten langen Bericht vor, der durchaus eine Reihe Probleme benannte und eine Unzahl von Initiativen auflistete.

Lässt man das Ganze einmal Revue passieren, drängt sich angesichts anhaltender Probleme, die auch in diesem Antrag wieder benannt werden, die Frage auf: Was ist bisher eigentlich geschehen? Reicht das, um das in der Begründung des Antrages formulierte Ziel zu erreichen? - Lediglich wieder als erster Schritt wurde eine Evaluierung gefordert.

Meine Damen und Herren! Die Lippen wurden genug gespitzt. Nun muss endlich auch gepfiffen werden. Dennoch unterstützen wir den Antrag der Koalition und stimmen ihm zu.

(Zustimmung bei der LINKEN, von Frau Koch-Kupfer, CDU, und von Herrn Gürth, CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Thiel-Rogée. - Jetzt spricht für die SPD der Kollege Wanzek. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Thiel-Rogée, ich erspare mir jetzt das pfeifen, aber vorweg sei gesagt: Ja, für uns ist das nur der erste Schritt. Wir wollen im vierten Quartal 2014 - mir schwebt Oktober 2014 vor; das schon einmal in Richtung der Regierungsbank - im Ausschuss den Bericht des IstStandes vorliegen haben, eine Analyse durchführen und mit allen Parteien gemeinsam sowie den Wirtschaftspartnern, den Sozialpartnern und den Personen vor Ort darüber diskutieren, was wir ändern wollen, wie wir den Übergang von Schule in Ausbildung und von Ausbildung in Beruf verbessern können und wo wir noch Optimierungsbedarf haben.

Sie haben angesprochen, dass noch immer rund 10 % der Schüler in unserem Land keinen Abschluss haben. - Ja. Deswegen haben wir das ESF-Programm „Schulentwicklung sichern“. Zudem soll in der nächsten Förderperiode die Anzahl der Schulsozialarbeiter von derzeit 200 auf jeden Fall auf 250 erhöht werden; denn wir sehen, dass wir an dieser Stelle noch Bedarf haben.

Sie haben die polytechnische Ausbildung angesprochen. Wir sehen das nicht explizit unter dieser Bezeichnung vor, vielmehr sagen wir: Die MINTFächer müssen gestärkt werden. Dafür haben wir Programme.

In den Schulen wird darauf jetzt auch mehr Wert gelegt. Es gibt in einigen Schulen ein praktisches Lernen als Angebot für diejenigen, die eher praktisch veranlagt sind. Auch über dieses Programm soll man einen Abschluss erreichen können.

Kollege Keindorf hat schon gesagt: Das Beste kommt zum Schluss. Ich wollte eigentlich mit der Frage beginnen, ob der Zeitpunkt der Behandlung und die Positionierung dieses Antrages auf der Tagesordnung ein Ausdruck des Stellenwertes dieses Themas sind. - Aber nein. Für uns ist dieses Thema wichtig. Wir wollen hierbei endlich vorankommen.

Kollege Keindorf hat die Beweggründe schon dargestellt. Wir haben das „Problem“, dass es einen Dschungel von Maßnahmen, Projekten und Programmen über verschiedene Ministerien und die Bundesagentur für Arbeit gibt. Wir haben Bundes- und Landesprojekte. Vor diesem Hintergrund wollen wir eine umfängliche Analyse des Ist-Zustandes von den einzelnen Ministerien erarbeitet haben, um zu sehen, wie wirksam diese Projekte sind.

Wenn dann das Argument kommt, wir haben noch gar keine Kriterien, um die Wirksamkeit zu beziffern, dann müssen wir Kriterien entwickeln, um dies feststellen zu können.

Gestern haben wir über das Thema Berufsorientierung an den Gymnasien und Sekundarschulen diskutiert. Dazu gibt es die verschiedensten Projekte. Sie wurden schon erwähnt. Auch hierbei haben wir wieder von Schule zu Schule eine unterschiedliche Qualität zu verzeichnen.

Wenn auch der Berufsbildungsbericht jedes Jahr besagt, dass die Top Ten der Berufsfelder, die von den Schülerinnen und Schülern gewählt werden, noch immer die gleichen sind, sich nur in der Reihenfolge etwas ändert, und wir noch immer Berufsfelder haben, in denen wir mehr Bewerber als Plätze haben, und umgedreht wiederum Berufsfelder haben, in denen wir mehr Stellen zu vergeben haben als Bewerber, muss die Frage gestattet sein: Wir wirksam ist die Berufsorientierung in den Schulen bzw. sind die entsprechenden Programme?

Wir finden es sinnvoll, dass wir hierbei Veränderungen vornehmen. Wir brauchen eine Berufsorientierung, die nicht nur auf den individuellen Stärken und Neigungen der Schülerinnen und Schüler aufbaut, sondern die auch das Wissen über die Vielfalt der Angebote sowie über individuell chancenreiche Berufe und über die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten in den Berufen vermittelt.

Es wurde ebenfalls ausgeführt, dass wir in dem Bereich für die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler, die Übergangsmaßnahmen in Anspruch nehmen müssen, verschiedene Programme, wie zum Beispiel EQ Plus, haben. In diesem Zusammenhang muss ebenfalls geschaut werden, ob noch Optimierungsbedarf besteht; denn auch in diesem Bereich schaffen es trotz Berufseinstiegsbegleitung nicht alle in eine Ausbildung.

Wie gesagt, mithilfe dieses Antrags soll der IstZustand des gegenwärtigen Dschungels an Maßnahmen, Projekten und Programmen analysiert werden. Wir wollen dann gemeinsam mit Ihnen schauen, was wir ändern können und wo wir Optimierungsbedarf haben. Zum Beispiel könnten auf der Grundlage eines Landesprogramms für Berufs- und Studienorientierung verbindliche Lehrpläne erarbeitet werden. Oder es könnte eine Koordinierungsstelle geschaffen werden, die alle Projekte zusammenfasst und gemeinsam koordiniert, oder wie in Hamburg und demnächst in Schleswig-Holstein eine Jugendagentur als Anlaufpunkt für die Jugendlichen eingerichtet werden. - Das alles wollen wir als zweiten Schritt diskutieren.

Ich verspreche Ihnen, wir halten an diesem Thema fest, Kollegin Thiel-Rogée. Wir werden das nicht schleifen lassen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Bischoff)

Vielen Dank, Kollege Wanzek. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kollegin Frau Latta. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema des Übergangsmanagements Schule/Ausbildung/Beruf liegt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr am Herzen. Das sehen Sie an dem aktuellen Antrag zur Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien.

Dringender Handlungsbedarf ist schon jetzt geboten, auch ohne den Bericht seitens der Landesregierung, der mit diesem Antrag eingefordert werden soll. Da aber dringender Handlungsbedarf besteht, werden wir dem vorliegenden Antrag der SPD und der CDU zustimmen.

Auch im Rahmen unseres vormaligen Antrages zu den Kompetenzagenturen war das grüne Anliegen, ein freibezogenes und rechtskreisübergreifendes Übergangsmanagement im Land zu sichern.

Schon damals betonte meine Kollegin Frau Lüddemann, dass wir die Pläne der Landesregierung zur Schaffung eines regionalen Übergangsmanagements sehr begrüßen. Ein solches wird in dem aktuellen Berufsbildungsbericht vorgestellt.

Auch ist im Landesjugendhilfeausschuss kurz andiskutiert worden, dass ein Berufsbildungsbericht dort beim Übergangsmanagement Abhilfe bzw. eine Möglichkeit darstellen kann.

In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage zu dem Thema „Kompetenzagenturen und zweite Chance in Sachsen-Anhalt“ heißt es dazu vonseiten der Landesregierung:

„Die Förderung des Aufbaus regionaler Übergangsmanagementstrukturen ist im Rahmen der neuen ESF-Förderperiode voraussichtlich ab dem zweiten Quartal 2015 vorgesehen.“

Hierzu Genaueres zu erfahren ist sicherlich spannend und sinnvoll.