Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

Dieser Aussage im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist zuzustimmen.

Ein zweites Zitat, und zwar aus der Rede des Kultusministers im Juli 2013 hier im Hohen Hause:

„Ich bin mir sicher, dass wir die Unterrichtsversorgung auch in den kommenden Jahren sachgerecht, flächendeckend und vernünftig absichern können.“

Ich frage Sie heute: Wie sieht es nun im März 2014 tatsächlich in den Schulen in unserem Lande aus?

Die Unterrichtsversorgung in unseren Schulen ist keinesfalls gesichert und immer mehr Menschen in unserem Land, Eltern, Lehrer, Schulleitungen, machen sich große Sorgen. Wir lesen am 8. März 2014, dass ein Gymnasium in Weferlingen wegen Lehrermangels ganze Schultage hat ausfallen lassen müssen. Eine Vertretung war nicht möglich, selbst die bloße Beaufsichtigung in der Schule konnte nicht sichergestellt werden. Davon waren alle Klassen ab der siebenten Klassenstufe betroffen, die 11. Klasse sogar an zwei Tagen.

Die Direktorin des Gymnasiums wird in der „Volksstimme“ wie folgt zitiert:

„In so einer Lage waren wir noch nie. Wir haben alle Kollegen mobilisiert, aber wir konnten es einfach nicht leisten.“

Sie kritisiert zudem, dass das Land zu wenige Lehrerinnen und Lehrer einstellt und warnt: Im nächsten Jahr wird es noch dramatischer.

Das ist kein absoluter Sonderfall, Herr Minister, wie Sie Ihren Sprecher verharmlosend mitteilen lassen. Das ist ein Offenbarungseid Ihrer Politik.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Herrn Gallert, DIE LINKE, und von Herrn Dr. Köck, DIE LINKE)

Bereits am 29. Januar 2014 konnten wir von einer Ganztagsschule in Salzwedel lesen, in der beklagt wird, dass seit nunmehr drei Jahren krasser Lehrkräftemangel herrscht, der zu herben Abstrichen beim Unterricht führt. Am 18. März 2014 schließlich erreicht mich ein frustrierter Brief des Schulelternrats eines Gymnasiums in Salzwedel, der beklagt, dass die derzeitige Situation im Lehrerkollegium zur Nichteinhaltung der amtlichen Stundentafel führt.

Was wir derzeit im Land erleben, ist eine Kettenreaktion auf die Politik der Landesregierung von Ministerpräsident Haseloff. Diese Vorkommnisse sind Symptome einer Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren zuspitzen wird, wenn die Landesregierung weiter an ihrer starren und realitätsblinden Personalpolitik festhält.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Herrn Höhn, DIE LINKE, und von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Die GEW hat alarmierende Zahlen zum Unterrichtsausfall und zum Vertretungsunterricht für die letzten acht Schuljahre zusammengetragen. Den Zahlen ist eines gemeinsam: Die Entwicklung geht bergab. Unterrichtsausfall hat an allen Schulformen einen Höchststand erreicht.

Wegen Krankheit fällt der Unterricht an Gymnasien zu 6 % aus, an Grundschulen zu 6,5 %. Bei den Grundschulen ist das eine Steigerung des Unterrichtsausfalls wegen Krankheit in den letzten acht Jahren um 60 %. An den Sekundarschulen fällt der Unterricht zu 6,5 %, an den Berufsbildenden Schulen zu 8 % und an den Förderschulen zu 9 % aus.

Was passiert nun, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin krank ist? - Im besten Fall übernimmt eine andere Lehrkraft vertretungsweise diesen Unterricht. Das ist leider nicht immer und immer seltener der Fall. Auch hierbei gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Schulformen. Während es an den Gymnasien noch gelingt, etwa zwei Drittel des ausfallenden Unterrichts durch Vertretung auszugleichen, ist dies an den Förder- und Grundschulen nurmehr ein Drittel des ausfallenden Unterrichts.

Wenn der Unterricht nicht mehr vertreten werden kann, dann fällt er komplett aus oder wird durch reine Beaufsichtigung und Beschäftigung kompensiert.

Auch dieser Anteil hat an den Schulformen einen Höchststand erreicht: 3 % an den Gymnasien, bis zu 9 % an den Förderschulen. Oder lassen Sie es mich anders ausdrücken: Der nicht regulär vertretene Unterrichtsausfall, bezogen auf ein Schuljahr, beträgt im Durchschnitt an den Gymnasien eine Woche, an den Grundschulen inzwischen zwei Wochen, an berufsbildenden Schulen zweieinhalb Wochen; an den Förderschulen sind es inzwischen ganze drei Wochen ohne jeden Unterricht.

Unsere Schulen leiden unter drastischer Lehrkräfteauszehrung, und das ist dem Personalentwicklungskonzept der Landesregierung geschuldet.

Nun lesen wir, dass der Ministerpräsident ein Machtwort gesprochen hat und dass zum neuen Schuljahr zusätzliche 150 Lehrer und Lehrerinnen eingestellt werden sollen, also statt der geplanten 220 Lehrer und Lehrerinnen werden 370 eingestellt. Ein Schelm, der sich etwas dabei denkt,

dass diese Vereinbarung kurz vor unserer Aktuellen Debatte zustande gekommen ist und wenige Tage, nachdem der Sprecher des Kultusministeriums das Problem noch offiziell geleugnet hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wissen Sie, ich bin froh um jeden Lehrer und jede Lehrerin, die wir zusätzlich einstellen. Aber das löst doch das Problem nicht, das wir an den Schulen haben. Das Problem, das wir an den Schulen haben, ist das Personalentwicklungskonzept. Die Landesregierung sagt nach wie vor, sie wolle bis 2019 2 000 Lehrerinnen- und Lehrerstellen einsparen. Sie sagt uns nicht, wie sie denn die Schulentwicklungsplanung mit diesem Personal untersetzen kann. Sie sagt es uns nicht, weil sie es uns gar nicht sagen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich denke, es reicht eben nicht, die Schulplanung auf Sicht zu fahren, wie es der Kultusminister an einer ähnlichen Stelle einmal gesagt hat, und dann immer wieder die Löcher, die auftauchen, zu stopfen. Ich denke vielmehr, es ist höchste Zeit, dass die Landesregierung einräumt, dass das Personalentwicklungskonzept gescheitert ist und dass wir endlich anfangen müssen, auf realistischen Grundlagen Personalplanung und seriöse Schulentwicklungsplanung zu betreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Alles andere ist ein Spiel mit der Zukunft unserer Kinder.

Hinzu kommt, dass unsere Lehrerschaft überaltert ist. Im Durchschnitt sind unsere Lehrer 50 Jahre alt. Oder anders gesagt: Knapp 56 % aller Lehrerinnen und Lehrer sind bereits heute älter als 50 Jahre.

Durch beides gemeinsam, durch den Personalabbau, also die zunehmende Personalauszehrung an den Schulen, und die Überalterung, kommt es zu immer mehr krankheitsbedingtem Unterrichtsausfall. Das heißt, die Leistungen an den Schulen werden schlechter werden. Denn eines ist völlig klar: Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Lernzeit und Lernerfolg. Je weniger Unterrichtsstunden einem jungen Menschen geboten werden, desto schwieriger wird es für ihn, gute Lernergebnisse zu erreichen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Mehr noch: Die aktuelle Bildungsforschung belegt sehr klar die Bedeutung der Lehrkraft und zeigt eindrücklich auf: Bildungserfolg hängt in entscheidender Weise von dem einzelnen Lehrer und der einzelnen Lehrerin ab.

Deswegen kann ich es nicht oft genug betonen: Gute Lehrer und gute Lehrerinnen machen gute Schule aus.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber die Mindestvoraussetzung ist doch, dass es überhaupt Lehrer und Lehrerinnen gibt, sonst ist der Bildungserfolg unserer Kinder gefährdet.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Unsere Schulen brauchen nicht „Auf-Sicht-fahren“. Unsere Schulen brauchen Sicherheit und Verlässlichkeit, damit sie die Unterrichtsversorgung gewährleisten können. Schule kann nur erfolgreich sein, wenn der vorgesehene Unterricht tatsächlich erteilt wird. Eine gute Unterrichtsversorgung ist nicht alles. Aber ohne eine gute Unterrichtsversorgung ist alles nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen frage ich abschließend die Landesregierung von Ministerpräsident Haseloff: Was tun Sie, um die Unterrichtsversorgung an allen Schulen langfristig zu gewährleisten? Was tun Sie, um Überalterung und Personalauszehrung entgegenzuwirken? Was tun Sie, um dem zu hohen und steigenden Krankenstand unserer Lehrerschaft entgegenzuwirken? Was tun Sie, um unseren Kindern eine exzellente schulische Bildung und damit den besten Start in eine gute Zukunft zu gewährleisten?

Ich sage es zum Abschluss gern noch einmal: Auf Sicht zu fahren reicht nicht aus; denn dann besteht eine Gefahr: Sie könnten die Zukunft unserer Kinder gegen die Wand fahren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Dalbert. - Für die Landesregierung spricht Minister Dorgerloh.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einige wenige grundsätzliche Worte an den Beginn der Debatte stellen, weil ich glaube, dass das ganz wichtig ist. Wir sollten die Frage der Unterrichtsversorgung nicht zur billigen parteipolitischen Profilierung nutzen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Dr. Aeikens)

Ich glaube, wir tun in diesem Haus gut daran, uns alle darum zu sorgen, dass die Unterrichtsversorgung im Land, und zwar überall im Land, sichergestellt ist. Ich glaube, dass das ein wichtiges An

liegen sowohl der Opposition als auch der Koalition und der Landesregierung ist.

Wir haben im letzten Jahr zusätzlich 120 Lehrkräfte in den Schuldienst eingestellt. Wir haben gerade beschlossen, in diesem Jahr zusätzlich 150 Lehrkräfte einzustellen, um den Unterricht im kommenden Schuljahr abzusichern. Wir haben dann also 370 Stellen in diesem Jahr neu zu besetzen.

Ich finde, das ist doch zunächst ein gutes Signal an die Lehramtsanwärter, nämlich an die, die Lehrerin und Lehrer werden wollen. Denn wir können damit fast allen, die in diesem Land diesen wunderbaren Beruf ergreifen wollen, auch eine Perspektive bieten. Das war viele Jahre lang nicht so.

Deswegen sage ich ganz ausdrücklich: Wir sollten viel dafür tun, für diesen sinnvollen und wirklich großartigen Beruf zu werben; denn wir werden es in den nächsten Jahren erleben, dass wir gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land brauchen. Lassen Sie uns gemeinsam Lust machen auf einen wirklich phantastischen Beruf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unterrichtsausfall lässt sich nicht eindimensional, wie es mitunter geschieht, erklären. Denn wenn wir uns einmal die Unterrichtsversorgung zu Beginn dieses Schuljahres anschauen, dann können wir feststellen: Über alle Landkreise, über alle Schulformen hinweg haben wir im Durchschnitt eine Unterrichtsversorgung von 103 %.

Wenn man sich einmal die Berichterstattungen auch in den letzten Jahren anschaut: Was hat sich Hessen feiern lassen, als man dort endlich auf eine Unterrichtsversorgung von 102 % gekommen ist. Wir haben 103 % und das ist in Deutschland ein durchaus akzeptabler Wert.

Parallel zu dieser Unterrichtsversorgung haben wir eine Schüler-Lehrer-Relation von ungefähr 11,8 : 1. Das heißt, ein Lehrer unterrichtet im Durchschnitt 11,8 Kinder. Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, die zweibeste Schüler-Lehrer-Relation in Deutschland. In den alten Bundesländern liegt sie bei ungefähr 14 : 1 - und dennoch schützen solche Werte nicht vor Unterrichtsausfall.