Parallel zu dieser Unterrichtsversorgung haben wir eine Schüler-Lehrer-Relation von ungefähr 11,8 : 1. Das heißt, ein Lehrer unterrichtet im Durchschnitt 11,8 Kinder. Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, die zweibeste Schüler-Lehrer-Relation in Deutschland. In den alten Bundesländern liegt sie bei ungefähr 14 : 1 - und dennoch schützen solche Werte nicht vor Unterrichtsausfall.
Natürlich haben wir in der Praxis immer wieder einen Widerspruch zwischen formalen Zahlen und schulischer Wirklichkeit. Ich möchte vier wesentliche Faktoren nennen, warum das so ist und warum das auch in den kommenden Schuljahren so sein wird.
Punkt 1. Sachsen-Anhalt ist ein Flächenland mit vergleichsweise geringer Schülerzahl. Es verfügt über ein sehr kleinteiliges Schulnetz mit vielen Kleinstschulen, insbesondere im Grundschulbereich. Wir haben gestern darüber diskutiert.
die im Durchschnitt 50 Jahre alt ist. Das hat auch damit zu tun, dass Anfang der 90er-Jahre eben nicht ein einziger Lehrer entlassen worden ist. Das war ein solidarischer Vorgang, der aber Langzeitfolgen hat. Diesen Langzeitfolgen haben wir uns jetzt zu stellen.
Das hat natürlich auch zur Folge, dass eine Lehrerschaft, die im Durchschnitt älter als 50 Jahre ist, einen höheren Krankenstand hat. Auch dieser Realität müssen wir uns stellen.
Natürlich haben wir mit dem Lehrerhauptpersonalrat längst über Gesundheitsmanagement und viele andere Dinge gesprochen und werden diesbezüglich entsprechend tätig; denn wir werden uns mit diesen Folgen auseinanderzusetzen haben: Lehrerinnen und Lehrern sind nicht nur häufiger, sondern auch länger krank. Das macht sich bemerkbar.
Drittens. Wir haben in unserem Land die Situation, dass in den letzten Jahren viele Kolleginnen und Kollegen an den Schulen einen Altersteilzeitantrag gestellt bzw. ein Altersteilzeitmodell gewählt haben. Das heißt, sie sind für lange Zeit im Unterricht, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem sie in die Freistellungsphase eintreten. Während der Freistellungsphase steht die Stelle nicht mehr zur Verfügung und die Lehrerinnen und Lehrern stehen nicht mehr vor der Klasse.
Deswegen habe ich mich mit dem Finanzminister darauf verständigt, dass wir für die Statistik, für die Berechnung unseres Lehrerbedarfs in Zukunft nur noch die aktiven Lehrerinnen und Lehrern zählen und nicht mehr all jene, die auf der Gehaltsliste stehen und schon nicht mehr vor der Klasse stehen. Ich finde, das ist ein richtiger Ansatz, den wir weiter verfolgen werden.
Viertens. Wir haben in unserem Bundesland - auch das gehört dazu - eine hohe Zahl von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen. Der Unterricht an Förderschulen ist sehr betreuungsintensiv, sehr aufwendig und sehr teuer.
Es ist gut, dass wir Förderschulen haben, aber wir werden schauen müssen - darüber werden wir nachher beim Thema Inklusion auch noch diskutieren -, dass wir unsere Hausaufgaben machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Dalbert, wenn an einer Schule - dann noch an einem solch kleinen Gymnasium wie in Weferlingen - gleichzeitig acht von 34 Kollegen erkranken, dann entstehen tatsächlich kurzfristig Engpässe, die jede Einrichtung vor entsprechende Probleme stellen würden. Einen Ausfall von 25 % des Kollegiums - und das zum Teil kurzfristig - kann niemand so ohne Weiteres ausgleichen und ihm schon gar nicht vorbeugen.
Selbst wenn wir eine Unterrichtsversorgung von 105 % gehabt hätten, hätte die Kollegin dort diese Extremsituation nicht kompensieren können. Deswegen ist es völlig richtig, wenn wir sagen: Hierbei handelt es sich nicht um einen flächendeckenden Fall, sondern um einen Sonderfall, der in der Tat passieren kann, wenn wir uns eine relativ kleinteilige Schulstruktur leisten.
Erstens. Zunächst ist die Schule in der Lage und auch in der Pflicht, für die Unterrichtsvertretung zu sorgen. Das heißt, sie muss schauen, wie sie das hinbekommt; dazu hat sie Instrumentarien an der Hand.
Zweitens. Wenn das nicht möglich ist, dann wird gemeinsam mit den schulfachlichen Referenten im Landesschulamt nach einer Lösung gesucht. Wir reden hierbei über kurzfristige Abordnungen und über kurzfristige Versetzungen von Lehrkräften.
Wenn tatsächlich mehrere Lehrerinnen und Lehrer langzeiterkrankt sind und sich die Lage zuspitzt, dann greift bereits dieses Instrumentarium, damit es nicht dazu kommt, dass die Lage, wenn kurzfristig noch ein oder zwei weitere Kollegen ausfallen - durch kranke Kinder oder durch eigene Krankheit -, nicht mehr beherrschbar ist.
Wie gesagt, in Weferlingen hatten wir einige Langzeiterkrankungen, aber auch eine größere Zahl von neu hinzukommenden kurzfristigen Erkrankungen. Deshalb war eine Lösung in dieser Form nicht möglich.
Drittens. Dann gibt es noch ein Instrumentarium, das wir in diesem Jahr und in den vergangenen Jahren schon gut einsetzen konnten, nämlich befristet eine Vertretungskraft einzukaufen. Dafür haben wir in den Landeshaushalt Mittel in Höhe von mehr als einer halben Million Euro eingestellt. Auch dieses Instrumentarium wird gut genutzt und von den Schulleiterinnen und Schulleitern entsprechend angewendet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will hier nichts beschönigen. Es ist aber auch nicht hilfreich, ein Horrorszenario an die Wand zu malen.
(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Borg- wardt, CDU, von Herrn Kurze, CDU, und von Herrn Schröder, CDU)
Wenn ich höre, Frau Dalbert, dass an den Schulen Sachsen-Anhalts mittlerweile zwischen 6 und 9 % des Unterrichts ausfallen, dann sage ich: Das entspricht in keiner Weise den Zahlen, die uns vorliegen.
Wir führen seit Jahren die gleiche Statistik über ausgefallenen Unterricht, das heißt über Stunden, die etwa wegen Krankheit einer Lehrkraft oder Weiterbildung nicht planmäßig erteilt werden konn
ten und für die keine Vertretung möglich war. Um es ganz klar zu sagen: Vertretene Stunden sind kein Unterrichtsausfall.
Ich will es an einem Beispiel deutlich machen: Wenn eine Mathelehrerin krankheitsbedingt fehlt und der Deutschlehrer die Vertretung übernimmt und in der Woche darauf Mathe für Deutsch nachgeholt wird, dann ist das kein Unterrichtsausfall. Das Gleiche gilt für Vertretungen im Weiterbildungsfall.
Das alles sollten wir uns noch einmal sehr genau anschauen. Hierbei sollte man Zahlen nicht einfach ungeprüft übernehmen, sondern sich wirklich anschauen, was die Statistik aussagt.
Wir haben im vergangenen Schuljahr einen Unterrichtsausfall von 2 % im Land zu verzeichnen gehabt, und das ohne Hochwasser und Lehrerstreiks, ohne dass diese Sondersituationen mitzählen.
Ich will das noch einmal explizit sagen: Die Zahlen, die Sie hier nennen, können wir in keiner Weise - auch nicht beim größten Entgegenkommen - nachvollziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Wort zum Thema Lehrkräftebedarf. Wir haben im Jahr 2013 unter unserer Federführung eine Interministerielle Arbeitsgruppe aus Finanzministerium, Kultusministerium und Staatskanzlei eingerichtet, um uns genau das anzuschauen, was wir immer wieder zu hören bekommen und was gefordert wird, nämlich: Wie sieht die mittel- und langfristige Perspektive aus? Wie ist unser Bestand? Wie ist der Altersdurchschnitt? Wann gehen welche Alterskohorten in den Ruhestand? Wie ist das mit der Freistellungsphase der Altersteilzeit usw.?
Natürlich macht es uns Sorgen, in welchen Größenordnungen Lehrkräfte in den kommenden Jahren in den Ruhestand und in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintreten.
Wenn man das mit der Situation in früheren Jahren vergleicht, in denen wir einen echten Lehrerüberhang und zum Teil in Regionen und Schulformen eine Unterrichtsversorgung von mehr als 110 % zu verzeichnen hatten, dann wissen wir, dass diese Zeiten absolut vorbei sind. Die Situation hat sich grundlegend gewandelt.
Wir müssen jetzt schauen, wie wir unter den Rahmenbedingungen einer Schuldenbremse und einer Unterrichtsversorgung von ungefähr 102 % sicherstellen, dass der Unterricht in allen Landesteilen, an allen Schulformen gewährleistet ist.
In unserer Debatte um Zahlen, Prozente und Durchschnitte kommt mir gelegentlich zu kurz, dass über den Erfolg von Schule maßgeblich die Unterrichtsqualität entscheidet. Das betrifft übrigens eine interessante Diskussion, die ich gern noch einmal führen würde.
Frau Dalbert, Sie haben es im Schlussteil Ihrer Rede gesagt: Es kommt auf die Menge des Unterrichts an. Ich sage Ihnen ganz klar: Es kommt auf die Qualität des Unterrichts an.
Das ist der Befund der vielen internationalen Studien seit Pisa 2000. Wir haben nicht in Größenordnungen die Unterrichtsmenge erhöht, sondern wir haben an der Unterrichtsqualität gearbeitet. Deswegen hat sich Deutschland - insbesondere Sachsen-Anhalt - in allen Studien signifikant verbessert. Wenn Sie allein die letzten beiden IQBStudien ansehen, stellen Sie fest, dass darin von Sachsen-Anhalt als Aufsteigerland gesprochen wird,
und das nicht, weil wir in erheblichen Größenordnungen Stundenzahlen erhöht haben, sondern weil wir die Unterrichtsqualität deutlich verbessern konnten. Das ist es, worauf es maßgeblich ankommt. Daran werden wir auch weiter arbeiten.
In Zeiten der Haushaltskonsolidierung müssen wir natürlich auch schauen, dass wir alle Reserven im System ausschöpfen, dass wir unser System effizient und wirtschaftlich gestalten. Aber ich werde als Kultusminister ganz klar meine Stimme erheben und mich mit allen Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen, engagieren, wenn ich Qualität und Leistungsfähigkeit unseres Schulsystems gefährdet sehe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend will ich noch drei wesentliche Handlungsfelder nennen.
Was ist zu tun? - Wir werden nicht umhinkommen, durch Schulentwicklungsplanungsmaßnahmen und schulorganisatorische Maßnahmen den Personalbedarf in den kommenden Jahren zu optimieren. Es wird aber auch unumgänglich sein, den Gesamtbestand der Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren weiter deutlich zu verjüngen. Wir sollten daran weiter arbeiten. Wir müssen den Altersdurchschnitt senken. Das heißt auch, dass wir - der Finanzminister und ich haben das miteinander verabredet - in den Beratungen über den Doppelhaushalt 2015/2016 über zusätzliche Einstellungsbedarfe in den kommenden Jahren reden werden.
und auch für die folgenden Schuljahre machen werden, erfolgreich darüber verständigen und zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einstellen. Wir werden sehr genau schauen, welche Maßnahmen wann welchen Erfolg haben und wie die Situation im Land aussieht, und nicht pauschal darüber reden.
An der im Kabinett verabredeten Anpassung der Schüler-Lehrer-Relation von 1 : 13,5 an allgemeinbildenden Schulen und von 1 : 23 an berufsbildenden Schulen bis zum Jahr 2019 halten wir fest. Wenn man daran festhält, dann muss man auch vorausschauen. Das heißt, wir werden eine Analyse vorlegen, aus der hervorgeht, wie sich das auf die Folgejahre von 2020 bis 2025 auswirkt.
Daran kann man schon jetzt erkennen, dass wir deutlich höhere Bedarfe an Einstellungen haben werden. Es sind zum Teil mehr als 1 000 Lehrkräfte jährlich. Das heißt, wir müssen frühzeitig Instrumentarien entwickeln und langfristig planen, indem wir Einstellungskorridore vorziehen, damit wir die Lehrkräftebedarfe in diesen Jahren gemeinsam decken können.
Last, but not least werden wir nicht umhinkommen, uns ressortübergreifend Gedanken darüber zu machen, wie wir junge Lehrkräfte dazu bewegen können, auch in Regionen unseres Landes eine Stelle anzunehmen, die nicht Oberzentrum sind. Das heißt also: Wie bekommen wir Lehrkräfte in die Altmark, nach Mansfeld-Südharz, nach JessenWittenberg?