Last, but not least werden wir nicht umhinkommen, uns ressortübergreifend Gedanken darüber zu machen, wie wir junge Lehrkräfte dazu bewegen können, auch in Regionen unseres Landes eine Stelle anzunehmen, die nicht Oberzentrum sind. Das heißt also: Wie bekommen wir Lehrkräfte in die Altmark, nach Mansfeld-Südharz, nach JessenWittenberg?
Das sind Diskussionen, die sowohl in Sachsen als auch Thüringen, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern laufen. Auch wir werden diese Diskussion stärker führen müssen, wenn wir sehen, dass wir unsere Bedarfe in diesen Regionen nicht mehr ohne Weiteres decken können.
Wir haben erste Anzeichen dafür schon gesehen. Es gibt in diesen Regionen zwar Stellen, aber kaum Bewerber, die sich darauf bewerben. Auch wir in der Landesregierung werden uns darüber Gedanken machen, welche Instrumentarien wir an dieser Stelle einsetzen können.
Mehr sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen an dieser Stelle versichern: Wir werden die Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr und auch für die kommenden Schuljahre sicherstellen. - Vielen Dank.
Herr Minister, Sie sprachen davon, dass Förderschulen gut und teuer arbeiten. Sie verwiesen dann in einem Halbsatz auf die Inklusion. Inwiefern sehen Sie in der Inklusion eine Maßnahme zur Kostensenkung?
Sehr geehrter Herr Harms, ich glaube, dass wir Inklusion nicht unter der großen Überschrift „Kostensenkung“ betreiben; vielmehr betreiben wir Inklusion unter der Überschrift „Chancengleichheit für Kinder“.
Wir werden das heute noch in einem gesonderten Tagesordnungspunkt ausführen. Wenn Sie sich solange noch gedulden, dann kann ich Ihnen nachher deutlich sagen, wie wir Inklusion sehen und was diesbezüglich nötig und zu tun ist.
Klar ist schon jetzt, dass wir die Ressourcen, die in dem Förderschulsystem frei werden, im Verhältnis 1 : 1 auf den allgemeinbildenden Schulbereich übertragen, weil dort die Kinder die Betreuung brauchen. Aber wir können es in der Tat, damit es fachgebietsübergreifend funktioniert, besser organisieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Mehr sehr geehrten Damen und Herren! Lehrer stehen ständig im Rampenlicht, und zwar nicht nur im Klassenzimmer, nein, Lehrer stehen auch immer mehr im Mittelpunkt medialer Berichterstattung, öffentlicher Diskussionen und politischer Entscheidungen. Allein das sollte ein Fingerzeig darauf sein, dass es sich bei dem Beruf des Lehrers um einen überaus wichtigen Job handelt. In der Vergangenheit schien das nicht immer so zu sein.
Professor Müller-Limmroth äußerte sich in der „Züricher Weltwoche“ vom 2. Juni 1988 über die vielfältigen Ansprüche, denen sich ein Lehrer und in ähnlicher Weise sicherlich auch oft Erzieher ausgesetzt sehen. Ich zitiere:
„Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an die die Gesellschaft so widersprüchliche Anforderungen stellt: Gerecht soll er sein, der Lehrer, und zugleich menschlich und nachsichtig, straff soll er führen, doch takt
voll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Defizite ausgleichen, Suchtprophylaxe und Aids-Aufklärung betreiben, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hochbegabte Schüler gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige.
Mit einem Wort: Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.“
Die bislang größte durchgeführte Bildungsstudie des neuseeländischen Erziehungswissenschaftlers John Hattie kommt zu einem simplen Fazit, das da heißt:
„Im Zentrum steht der Lehrer. Mit ihm und seiner Arbeit kommt und geht der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.“
Von der Qualität des Lehrenden hängt für junge Menschen also unmittelbar ihre persönliche Zukunft ab. Bis zu einem Schuljahr - weist eine Studie nach - kann der Leistungsvorsprung betragen, den ein Top-Pädagoge im Gegensatz zu einem schwächeren Kollegen bei seinen Schülern generiert.
Hat ein Kind aus einkommensschwachen Verhältnissen für fünf Jahre einen sehr guten Lehrer, so gleichen sich seine Bildungschancen im Vergleich zu einem Kind aus einer wohlhabenden Familie mit durchschnittlich gutem Lehrer aus.
Ein Lehrer - das ist Teil des Problems - soll heute allerdings vielmehr sein als ein reiner Wissensvermittler. Er soll - um es einmal drastisch zu sagen - gleichzeitig Sanitäter, Vater, Richter, Mutter, Psychologe, Polizist und Lehrer sein. Er soll auch noch soziale Kompetenzen und das Wertesystem stärken, je nach aktueller Nachrichtenlage Wirtschafts- und Medienkompetenz vermitteln, individuelle Tipps für den späteren Berufsweg geben und - jetzt ganz neu und on top; wir haben es gerade gehört - auch erfolgreich die Inklusion einführen, und das fast zum Nulltarif.
Einmal ernsthaft, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wer das alles von einer Person erwartet, der kann nur enttäuscht werden.
Traurige Realität ist aber auch, dass ein beträchtlicher Teil der Lehrer nicht einmal den normalen Anforderungen des Schulalltags gewachsen ist. Unterschiedlichen Studien zufolge klagen zwischen 30 und 60 % des Lehrerpersonals über psychische und physische Überlastung und stehen eigenen Einschätzungen nach kurz vor Ausbruch eines Burnout-Syndroms. Die Statistiken über zunehmende Krankenstände sind erschreckend.
Einst genossen Lehrer ein ähnliches Ansehen wie Ärzte. Heute eilt ihnen ein schlechter Ruf voraus als Halbtagsarbeiter oder Sechs-Wochen-Sommerurlauber oder faule Säcke, wie einst Gerhard Schröder Lehrer betitelte.
Das ist für Lehrer zunehmend demotivierend. Für gute Schulabsolventen ist der Lehrerberuf mittlerweile weniger attraktiv geworden. Der fehlende Rückhalt durch die Eltern erschwert das Arbeiten in der Klasse.
Das Berufsbild des Lehrers wird von breiten Kreisen in der Bevölkerung völlig verdreht eingeschätzt. Sowohl der Arbeitsaufwand als auch die körperlichen und seelischen Belastungen liegen bei Lehrern weit höher als üblicherweise angenommen wird.
Untersuchungen zeigen, dass bei keinem anderen Beruf so einseitige Beurteilungen praktiziert werden wie bei den Lehrern. Deshalb muss die Politik alles tun, damit in der Öffentlichkeit endlich eine seriöse Einschätzung der Belastungen in diesem Beruf stattfindet.
Meine Damen und Herren! Gestern und vorgestern haben wir in diesem Landtag stundenlang über Biber und Wölfe geredet.
Wir haben diesen Exkurs zum Lehrerberuf im Rahmen der Aktuellen Debatte genutzt, um auf diese Themenfelder hinzuweisen.
sen-Anhalt noch einmal klar vor Augen führen: Wir haben eine besondere Ressource, nämlich die pädagogischen Mitarbeiter. Sie sollen Lehrer bei ihrer Arbeit entlasten. So etwas gibt es nur noch in Thüringen.
Sachsen-Anhalt hat eines der dichtesten Schulnetze Deutschlands; die Debatte dazu hatten wir gestern. Wir sind das Land der zweitwenigsten Schüler je Lehrer. Das Kollegium der Lehrer ist bundesweit am zweitältesten. Die Lehrkräfte leisten die zweitwenigsten Unterrichtsstunden vor der Klasse. Wir verfügen über die zweitteuerste Schüler-Lehrer-Relation an allgemeinbildenden Schulen.
Meine sehr geehrte Damen und Herren! Mit 7 400 € Pro-Kopf-Ausgaben liegen wir bundesweit an zweiter Stelle, gerechnet für Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Wir geben sehr viel Geld für Bildung in diesem Land aus.