Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

Zum Thema Arbeitskräftemangel/Arbeitskräftesicherung. Ich habe diesbezüglich noch nie so viel erlebt wie in den letzten Monaten. Ich bin von Betrieben angesprochen worden - das Fraunhofer-Institut in Halle hat mich eingeladen zum Bereich Kunststoffindustrie -, dass Qualifizierungsmöglichkeiten gesucht werden, weil dort ein großer Mangel an Arbeitskräften herrscht.

Ich habe vor zwei Jahren noch gedacht - damals haben wir über Arbeitskräftemangel gesprochen -, dass das nur den Pflegebereich und manche MINT-Berufe betrifft. Heute merkt man, dass das Problem sehr schnell flächendeckend wird.

Das heißt, die Suche nach guten Fachkräften ist wichtig. Die Betriebe und Unternehmen sind gefordert, Arbeitsbedingungen zu schaffen, unter denen sich Menschen nicht nur wohlfühlen, sondern unter denen sie auch Aufstiegschancen bekommen, unter denen das Klima familienfreundlich ist, unter denen die Löhne entsprechend sind. Dieser Kampf wird beginnen. Dafür sind starke Personalvertretungen und starke Betriebsräte unwahrscheinlich wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Die Personalvertretung - das merkt man selbst in einem Ministerium, wenn man dort den Hut auf hat -, ist schon deshalb wichtig, weil der Einzelne sich oft gar nicht traut, seine Interessen zu vertreten. Damit fühlt er sich überfordert. Er weiß auch nicht, wie er das machen kann, ob er allein dasteht. Die Verbindung zwischen den Betriebsräten und der Belegschaft schafft das Klima, das man braucht, um gut wirtschaften zu können. Betriebs

räte tragen dazu bei, dass es einen fairen Ausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt.

Die Hans-Böckler-Stiftung hat im Rahmen eines Forschungsprojekts herausgefunden, dass Betriebe mit Betriebsrat weitaus produktiver und innovativer sind als andere. Sie haben eine geringere Fluktuation, eine familienfreundliche Personalpolitik und sie können dafür sorgen, dass es ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Belegschaft und Management gibt.

Betriebsräte können auch besser auf die besonderen Probleme der Betriebe eingehen, auch in schwierigen Situationen. Sie sind oft der Partner bei neuen Verhandlungen oder Betriebsübergängen, wo sie in der Mitte stehen und den Ausgleich bringen können.

Sie können auch Vorschläge in die Richtung der Belegschaft und der Unternehmerschaft unterbreiten, wenn es um neue Arbeitszeitmodelle geht, die immer wichtiger werden, gerade in Zeiten, in denen die Fachkräftesicherung im Vordergrund steht. Auch die Besetzung offener Stellen - das zeigt die Untersuchung auch - wird erleichtert, wenn Betriebräte vor Ort sind.

Das Thema Arbeitszeitprobleme wird von den Betriebsräten immer häufiger aufgenommen. Ich habe erst kürzlich auf einer Veranstaltung mitbekommen, dass es weit mehr Modelle gibt als Heimarbeit und Telearbeit, die ich so kannte. Ich habe auch mitbekommen, dass es hierbei um Präferenzen für einzelne Mitglieder einer Belegschaft für das persönliche Umfeld und für Arbeitsorganisation geht.

Es geht also darum, wie man es auf beiden Seiten, auf der Arbeitgeberseite und auf der Arbeitnehmerseite, hinbekommt, dass der Betrieb gesichert wird, dass die Zielstellungen des Unternehmers erreicht werden, dass der Betrieb gut läuft, dass der Betriebsrat die Produktivität, die wirtschaftliche Ausrichtung und das Arbeitsklima, in dem Menschen dort arbeiten, gut miteinander in Einklang bringen kann.

Ich sage dann immer: Wir verbringen die meiste Zeit unseres Lebens am Arbeitsplatz. Das stimmt nicht ganz; die meiste Zeit verbringen wir im Bett. Dort sind wir nicht immer produktiv. Der drittgrößte Zeitanteil ist der, den wir mit unseren Familien und mit unseren Liebsten verbringen.

Deshalb ist es ganz wichtig, dass die meiste Zeit, die wir bewusst erleben, so gestaltet ist, dass sie Lebensqualität und Erfüllung bietet und sinnerfüllend ist. Betriebsräte sorgen auch dafür, dass unser Leben in einem Betrieb, in dem wir die meiste Zeit verbringen, so angereichert ist, dass Lebensqualität und Lebensfrohsinn dabei sind und dass hoffentlich auch ein gesundes Klima besteht.

Deshalb ausdrücklich der Appell von mir: Engagiert euch und engagieren Sie sich dafür, dass wir starke Betriebsräte bekommen, dass die Betriebsratswahlen möglichst in einer großen Breite stattfinden können, dass viele daran teilnehmen, dass wir eine starke Interessensvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Thiel-Rogée. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es sehr gut, dass die SPD-Fraktion dieses Thema aufgegriffen hat, weil ich glaube, dass wir gegenwärtig doch noch eine Menge zu leisten haben, um wirklich Betriebsräte und Arbeitnehmer zu unterstützen.

Wir befinden uns mitten in den Betriebsratswahlen; denn sie sind sehr aufwendig und bedürfen wie andere Wahlen auch einer gewissen Vorlaufzeit. Demokratie ist auch in Unternehmen keine Adhoc-Entscheidung. In § 2 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes heißt es - ich zitiere -:

„Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll“

- das betone ich extra -

„und im Zusammenhang mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammen.“

Ja, meine Damen und Herren, es geht vor allem um die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Sinne eines gut florierenden Unternehmens mit guten Einkommen und ausgezeichneten Arbeitsbedingungen.

Ein gutes Arbeitsklima, das sich auf Vertrauen und Respekt begründet, erhöht systematisch die Unternehmensleistung. Ein würdeloser Umgang mit den Beschäftigten, ein hoher Leistungsdruck bei wenig Einkommen und viele Überstunden bzw. Mehrarbeit, die weniger Zeit für Familie und Freunde lässt, macht krank.

Da wir dieses Thema nicht das erste Mal beraten, weiß ich auch, dass in diesem Hohen Hause die Positionen zu Betriebsrats- und Personalratswahlen sehr differenziert sind. Viel zu oft werden sie als Teufelszeug angesehen. Arbeitgeber beklagen die hohen Kosten und meinen damit eigentlich, dass sie nicht wollen, dass Arbeitnehmer in dem

Unternehmen mitreden, in dem sie, die Arbeitgeber, eigentlich das Sagen haben.

Arbeitnehmer sollen keiner Willkür ausgesetzt sein. Deshalb gibt es in Deutschland einschlägige Arbeitsschutzgesetze, unter anderem das Urlaubsgesetz und das Arbeitszeitgesetz, den Kranken- und den Behindertenschutz, den Schwangerenschutz, den Mutterschaftsurlaub und eben das Betriebsverfassungsgesetz.

Obwohl das Betriebsverfassungsgesetz seit den 50er-Jahren in Anwendung ist, ist die Wahl zum Betriebsrat in den meisten Unternehmen ein regelrechter Klassenkampf. Sie wird durch viele Arbeitgeber und Führungskräfte verhindert, wo es nur möglich ist. Es werden die notwendigen Unterlagen zum Personal nicht bereitgestellt. Es werden Führungskräfte, die der Geschäftsführung nahestehen, als Kandidaten zur Wahl aufgestellt. Es werden gerichtlich rechtliche bzw. Terminentscheidungen angezweifelt. Wahlvorstände werden behindert oder gar entlassen.

Das Beispiel in der „Volksstimme“ hat Frau Budde schon angesprochen. Es gibt weitere Fälle. Ein Beispiel dazu habe ich in der Callcenter-Debatte vorgestern schon geliefert.

Bei Neueinstellungen werden die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gefragt, ob sie Gewerkschaftsmitglied seien. Damit will man von vornherein verhindern, dass die Belegschaft auf die Idee kommt, eine Vertretung zu wählen. Selbst vor strukturellen Betriebsveränderungen wird nicht Halt gemacht.

Es kommt vor, dass die Unternehmensleitung, wie das Beispiel in der „Volksstimme“ zeigt - ich sage das hier, weil ich da sowieso nicht beachtet werde -, die Beseitigung des Betriebsrates durch Strukturveränderungen und durch die Ausgliederung einzelner Betriebsbereiche erreicht und neue preiswerte Arbeitnehmer einstellt. Alle sehen zu, obwohl klassische Rechtsbrüche zu verzeichnen sind. Langjährig Beschäftigte verloren ihre Arbeit oder mussten sich selbständig machen. So wird Demokratie in Unternehmen beseitigt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dieser Klassenkampf zwischen Arbeitnehmer und Unternehmensvertreter hat natürlich auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Betriebsräte. Nach einer statistischen Erhebung der Hans-BöcklerStiftung ist die Zahl der Betriebsräte in Unternehmen mit und ohne Tarifverträge bundesweit rückläufig.

Ich beschränke mich im Folgenden nur auf Ostdeutschland. Nur 15 % der Beschäftigten arbeiteten im Jahr 2012 noch in privatwirtschaftlichen Betrieben mit Branchentarifverträgen und Betriebsräten. Im Jahr 2008 waren es noch 18 %. 31 % der Beschäftigten arbeiteten im Jahr 2012 in Betrieben

mit Branchentarifverträgen. Im Jahr 2008 waren es noch 36 %, also auch hier sind es 5 % weniger. In Betrieben mit Betriebsräten arbeiteten im Jahr 2012 36 % der Beschäftigten, im Jahr 2008 waren noch 37 %.

Meine Damen und Herren! Bei aller Euphorie, die in den beiden Redebeiträgen soeben zum Ausdruck gekommen ist, ist darauf hinzuweisen, dass nur 9 % der Privatbetriebe einen Betriebsrat haben. Das ist doch höllisch wenig. Bei großen Unternehmen ist der Anteil der Betriebe mit Betriebsrat höher. Das Vorhandenensein eines Betriebsrates ist selbstverständlicher, er ist erfolgreicher und auch von der Geschäftsleitung akzeptiert.

Anhand dieser Zahlen, die sehr bedenklich stimmen, wird deutlich, dass die Beschäftigten bei der Betriebsratswahl Unterstützung brauchen. Sie benötigen diese Unterstützung auch von uns in diesem Hohen Hause. Hier muss die Entscheidung getroffen werden, ob wir die Arbeitnehmer mit dem geringsten Einfluss auf ihre Arbeits- und Einkommensbedingungen unterstützen wollen

(Zustimmung bei der LINKEN)

oder ob sich dieses Parlament endlich dafür stark macht, auf die Umsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes zu dringen. Denn wir haben auch die Aufgabe, uns um die Umsetzung von Gesetzen zu kümmern, und nicht nur die, bei Neuansiedlungen Ratschläge dahin gehend zu erteilen, dass Arbeitnehmer hier willig und bescheiden seien. Ich beziehe das Wort „bescheiden“ auf das Einkommen.

Deshalb erwarten wir von der Landesregierung, dass bei Neuansiedlungen von Unternehmen die Arbeitsnehmerrechte Beachtung finden und die Wahlen von Betriebsräten selbstverständlich werden.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Mi- nister Herrn Bischoff)

Wissenschaftler denken dabei auch an eine Verpflichtung zur Gründung von Betriebsräten. Dabei fällt mir ein, dass die Landesregierung vor einiger Zeit mit den Gewerkschaften und mit den Arbeitgebern eine Vereinbarung getroffen hat. Das geschah allerdings in der letzten Legislaturperiode. Da aber immer noch die gleichen Akteure die Verantwortung tragen, würde ich gern wissen, was gemeinsam erreicht wurde. Es geht um die gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Tarifpartnerschaft im Land Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Mi- nister Herrn Bischoff)

Danke sehr, Frau Kollegin Thiel-Rogée. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rotter. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass das Jahr 2014 in vielen Bereichen und auch in Sachsen-Anhalt ein ganz besonderes Jahr werden wird, haben viele Menschen sicherlich schon bemerkt, und zwar ganz speziell unter dem Bezug auf anstehende Wahlen.

Überall werden eifrig Kandidatenlisten aufgestellt. Wahlprogramme werden verabschiedet. Wir können jetzt schon feststellen, dass in manchen Regionen die Anzahl der Wahlzettel eine stattliche Größe erreichen wird.

Es wird zunehmend in den örtlichen, aber auch in den überörtlichen Medien auf die anstehenden Wahlen zu den Kommunalparlamenten, auf die Europawahl und mancherorts auch auf die Landratswahlen hingewiesen, über sie berichtet und zu aktiver und reger Teilnahme aufgerufen. Das ist gut und richtig.

Doch dabei findet fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit eine ganz besondere, aber nicht weniger wichtige Wahl statt. Seit dem 1. März und noch bis zum 31. Mai werden in vielen Betrieben bundesweit und auch in unserem Bundesland die Wahlen zu den Betriebsräten durchgeführt.

Diese Wahlen, die unter dem Motto „Deine Wahl. Mitdenken. Mitbestimmen. Mitmachen.“ stehen, sind aus unserer Sicht nicht weniger wichtig als Europa- oder Kommunalwahlen. Auch sie sind Ausdruck einer gelebten Demokratie. Deshalb war es mir als Landesvorsitzendem der CDA SachsenAnhalt ein besonderes Anliegen, zur Teilnahme an dieser Wahl aufzurufen. Ich bin froh, dass dieser Aufruf zahlreiche prominente Unterstützer aus meiner Partei gefunden hat.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, möchte ich aus diesem Aufruf zitieren.

Sie dürfen es auch ohne meine Erlaubnis.

Danke. Ich wollte nur höflich fragen.