Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Statt mehr Partizipation zuzulassen und eine deutliche Herabsetzung bzw. einen Verzicht von Quoren bei der Bürgerbeteiligung zu normieren, haben Sie nicht wirklich Veränderungen vorgenommen. Der Bürgerentscheid ist auch in der nun vorliegenden Fassung des Gesetzes eher eine Monstranz als eine tatsächliche Einladung zu mehr Demokratie.

Auch lässt sich eine nur auf Senioren oder Kinder und Jugendliche bezogene Aufgabenbetroffenheit in den Kommunen nicht nachweisen, da alle Lebensbereiche auch alle Bevölkerungsgruppen direkt betreffen.

Durch den Verzicht auf eine für die Einwohner klar strukturierte Tätigkeit der Vertretungskörperschaften haben Sie eher eine Verschlechterung herbeigeführt als eine Verbesserung. Das Gleiche gilt in Bezug auf die klare Definition, was Sie unter bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde ver

stehen, an denen Einwohner beteiligt werden sollen.

Obwohl die SPD im Wahlkampf in Magdeburg für ein Kommunalwahlrecht P 16 eintritt, verlässt sie im Rahmen der Gesetzesnovellierung offensichtlich der Mut dazu. Wir fordern Sie nochmals auf, meine Damen und Herren, unserem Vorschlag zuzustimmen, ein passives Wahlrecht P 16 im Kommunalwahlrecht zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz entsprechender umfangreicher Äußerungen kommunaler Mandatsträger nach der Gebietsreform werden sich ihre Arbeits- und Wirkungsbedingungen nicht wirklich verbessern. Es wird keinerlei sächliche und personelle Ausstattung bis hin zu Weiterbildungsansprüchen für Mandatsträger und Fraktionen geben.

Wir haben in unserem Änderungsantrag die aus unserer Sicht wichtigsten Änderungsvorschläge zusammengefasst. Ich verzichte daher auf eine nochmalige detaillierte Vorstellung. Ich möchte zu einigen wenigen Punkten nochmals unsere Position darstellen.

Meine Damen und Herren! Wir schlagen vor, insbesondere für kinder- und jugendpolitische Fragen eine klare rechtliche Regelung zu schaffen, die diese Rechte schützt. Denn einerseits wurden unsere Vorstellungen hinsichtlich der Partizipation von Kindern und Jugendlichen abgelehnt, andererseits beschloss der Landtag die Erarbeitung einer eigenständigen Jugendpolitik für Sachsen-Anhalt und die Weiterentwicklung des jugendpolitischen Programms. Dieser Widerspruch offenbart die Kluft zwischen Anspruch und Wollen in den Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir beantragen die Zulässigkeit von Bürgerbegehren zur Höhe von Abgaben und privatrechtlichen Entgelten, soweit das Kostendeckungsprinzip beachtet wird, wie in Thüringen bereits gesetzlich verankert.

Für Bürgerentscheide möchten wir das Zustimmungsquorum auf 5 % der wahlberechtigten Einwohner reduzieren. Dies würde Willkürlichkeit ausschließen und den notwendigen Verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel ist der Ausschluss elektronischer Verfahren für uns nicht nachvollziehbar. Bereits jetzt gibt es elektronische Verfahren im Petitionsrecht und auf anderen Gebieten, die eine elektronische Signatur vorsehen und statthaft sind.

DIE LINKE hält die Einführung hauptamtlicher Kinder- und Jugendbeauftragter für notwendig und unterbreitet in § 78a einen entsprechenden Regelungsvorschlag.

Ebenso treten wir für die hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte in Vollzeit ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Besetzung hat im Sinne des Frauenförderungsgesetzes mit Frauen zu erfolgen.

Meine Damen und Herren! Als einen weiteren kritischen Punkt sehen wir die Deckelung von Liquiditätskrediten auf 20 % entsprechend § 110 an. Diese Regelung führte schon jetzt zur Handlungsunfähigkeit von Kommunen, da bereits zwischen übertragenen Aufgaben und Abgeltung durch Landeszuweisungen ein Defizit von mindestens 15 % festzustellen ist und durch die Anhebung der Kreisumlagen ein deutlich höheres Volumen benötigt wird.

Meine Damen und Herren! Es ist schon ein Stück weit ein Unding, dass in einer Fünfminutendebatte ein Gesetz mit 162 Paragrafen und 23 Artikeln durchgewunken wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es hätte dem Hohen Haus durchaus zur Ehre gereicht, eine Zehnminutendebatte zu vereinbaren.

Bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten, obgleich er einige Punkte zusammenfasst, die wir als LINKE ebenso oder teilweise mittragen können.

Da wir davon ausgehen, dass unser Änderungsantrag wie gewöhnlich keine Mehrheit finden wird, wird die Fraktion DIE LINKE die Beschlussempfehlung ablehnen. Der Änderungsantrag zu § 6 der Fraktionen der CDU und der SPD ist eine Folgeänderung und wird von uns mitgetragen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Kollege Grünert. - Für die CDU spricht jetzt der Kollege Kolze. Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzesvorhaben Kommunalrechtsreformgesetz werden die bestehenden Regelungen der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und des Verbandsgemeindegesetzes in einer Kommunalverfassung zusammengeführt.

Damit wird eine der modernsten Kommunalverfassungen in Deutschland geschaffen.

Bei allen politischen Unterschieden eint uns alle - das haben die Debatten in unserem Hohen Hause und die Beratungen im Innenausschuss gezeigt -, dass wir den vielen in den Kommunen ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen ein ver

ständliches und anwendungsfreundliches Regelwerk an die Hand geben wollen.

An dieser Stelle möchte ich mich für die konstruktiven Beratungen im Innenausschuss bedanken. Wir alle haben, insbesondere mit Blick auf unsere alte Gemeindeordnung, die an vielen Stellen aufgrund der zahlreichen Änderungen und Verweisungen schlichtweg kein verständliches Regelwerk mehr ist, Handlungsbedarf gesehen. Dies ging Minister Stahlknecht in der bewährten Arbeitsweise mit einem dem Regierungsentwurf vorgeschalteten Diskussionsprozess mit Gesprächen, Workshops und Regionaltagungen an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte meinen Redebeitrag auf die wesentlichen Änderungen beschränken, die die Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD gemeinsam in das parlamentarische Verfahren eingebracht haben. Hierdurch werden zum großen Teil die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände umgesetzt, die in den Ausschussberatungen vorgetragen worden sind.

Abweichend von dem Regierungsentwurf sollen auch in Zukunft keine ausschließlichen Bekanntmachungen von Satzungen im Internet erfolgen. Viele Einwohner, insbesondere die ältere Generation, haben keinen Zugang zum Internet. Die Bekanntmachung von Satzungen im Internet ist unserer Auffassung nach nicht geeignet, jedem Einwohner in zumutbarer Weise verlässlich Kenntnis vom Inhalt des Ortsrechts zu verschaffen. Eine Bekanntmachung im Internet kann jedoch zusätzlich zur Bekanntmachung im Aushang in einem amtlichen Bekanntmachungsblatt oder in einer oder in mehreren Zeitungen erfolgen.

Es war ein ausdrücklicher Wunsch der Innenpolitiker meiner Fraktion, den bisher in der Gemeindeordnung vorgesehenen Erwerb des Bürgerrechts für Hauptverwaltungsbeamte, Beigeordnete und ehrenamtliche Bürgermeister zu streichen, wenn diese nicht in der Gemeinde wohnen, in deren Dienst sie stehen. Bis dato besteht für diesen Personenkreis die Möglichkeit, in mehreren Gemeinden Bürger zu sein, verbunden mit dem sogenannten doppelten Bürgerrecht und damit auch dem doppelten Wahlrecht bei Gemeindewahlen.

Diese Privilegien, meine Damen und Herren, stammen aus einer anderen Zeit und sind heute nicht mehr nachvollziehbar. In der örtlichen Gemeinschaft, wo man ein Wahlamt ausübt, sollte man natürlich auch wohnen. Denjenigen, der nicht dazu bereit ist, werden wir nicht noch mit einem doppelten Bürgerrecht ausstatten.

Wir wollen eine Erleichterung für Sitzungen der Vertretungen und der Ausschüsse, indem künftig kein zweiter Wahlgang bei nur einem Bewerber erfolgen soll. Steht im ersten Wahlgang nur eine Person zur Wahl und erreicht diese Person die

erforderliche Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder nicht, so findet ein zweiter Wahlgang nicht statt.

Es ist nicht einzusehen, dass zum Beispiel ein Beigeordneter als einziger Bewerber im zweiten Wahlgang mit nur drei Stimmen in die Vertretung gewählt ist, während die Hürde für seine Abwahl durch Beschluss von mindestens drei Vierteln der Mitglieder der Vertretungen regelmäßig unerreichbar hoch ist.

Aufgegriffen haben wir den besonderen Wunsch der kommunalen Spitzenverbände bei der Abwahl des Hauptverwaltungsbeamten. Nach der geltenden Rechtslage kann der Hauptverwaltungsbeamte auch für den Fall, dass die Vertretung ein Abwahlverfahren einleitet, nur auf sein Amt verzichten, wenn er seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis verlangt.

Wir wollen die Regelung über die Abwahl des Hauptverwaltungsbeamten um den freiwilligen Rücktritt und Verzicht auf das Abwahlverfahren ergänzen. Hierdurch wird die Durchführung eines mit hohem Verwaltungsaufwand und mit hohen Kosten verbundenen Abwahlverfahrens vermieden, soweit der Hauptverwaltungsbeamte selbst keine Perspektive zur Fortführung seines Amtes sieht.

Künftig kann daher die Durchführung eines Abwahlverfahrens entfallen, wenn der Hauptverwaltungsbeamte keine Grundlage mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht. In solchen Fällen kann nämlich auch ein Abwahlverfahren keine grundsätzliche Änderung dieser Situation herbeiführen, egal wie es ausgeht.

Ich bitte Sie abschließend um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport und zu dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Kolze. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Kollege Striegel. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schaffung eines Gesetzeswerkes in Form einer Zusammenführung von Gemeindeordnung, Landkreisordnung und Verbandsgemeindegesetz mit dem Ziel einer übersichtlicheren Gesetzesanwendung ist geglückt.

Gern hätte ich heute, zehn Tage bevor die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts im ganzen Land ihre kommunalen Vertretungen neu wählen,

auch eingeschätzt, dass wir mehr als nur die Rechtsanwendung vereinfacht hätten. Uns GRÜNEN reicht es nicht, dass in Sonntagsreden die kommunale Selbstverwaltung und die lebendige, weil unmittelbare Demokratie auf lokaler Ebene beschworen werden. Wir hatten und haben die Erwartung, dass wir Demokratie in den Kommunen endlich stärker leben. Wir wollen in den Kommunen mehr Mitmachen möglich machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider bleibt, meine Damen und Herren, die Beschlussempfehlung des Ausschusses deutlich hinter den Erwartungen meiner Fraktion zurück. Von einem großen demokratischen Aufbruch ist in diesem Kommunalverfassungsgesetz nichts zu entdecken. Sie haben nicht den Mut, mehr Demokratie zu wagen.

Die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind weiterhin zu hoch. Es gibt keine echte Reform des Bürgerentscheids. Das Demokratie und echte Bürgerbeteiligung hemmende Quorum von 25 % Zustimmung der Wahlberechtigten für die Annahme eines Bürgerentscheids bleibt weiterhin bestehen. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag zu der Beschlussempfehlung eingebracht.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass der, der in Sachsen-Anhalt lebt, lernt, arbeitet oder Steuern zahlt, auch mitentscheiden können soll. Ein Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten ist deshalb für uns ein konsequenter Weg zur gelebten Demokratie und zu echter Willkommenskultur.