Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion fordert - um das gleich am Anfang der Rede zusammenzufassen - mit dem vorliegenden Antrag die Erarbeitung eines Aktionsplans zur Nachhaltigkeitsstrategie.
Nun werden sich vielleicht einige fragen, warum die grüne Fraktion einen Antrag zu einem Thema einbringt, das bereits ein Bestandteil des Koalitionsvertrages aus dem Jahr 2006 war. Damals formulierte die Koalition - ich zitiere -:
„Sachsen-Anhalt braucht eine Nachhaltigkeitsstrategie in allen Politikbereichen. Die Aktivitäten für eine nachhaltige Entwicklung sind Chance und Grundlage für eine selbsttragende, zukunftsfähige Entwicklung in den Kommunen und Regionen. Sie dienen der Bestimmung von Entwicklungszielen, der Lösung von Problemen und kreieren Maßnahmen in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt.“
- Ja, danke. - Das ist ein guter Text, der sich so durchaus auch in einem Koalitionsvertrag mit grüner Beteiligung wiederfinden könnte.
Die Antwort auf meine Frage, warum wir den Antrag einbringen, wurde eigentlich gestern schon einmal geäußert: Im Koalitionsvertrag steht zwar alles drin, aber bei der Umsetzung hat sich nichts getan.
Es ist festzuhalten, dass Sachsen-Anhalt bis heute keine Nachhaltigkeitsstrategie hat und dass in dieser Legislaturperiode auch keinerlei Aktivitäten zur Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie stattgefunden haben. Deshalb braucht es den klaren Auftrag des Hohen Hauses an die Landesregierung, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen.
Die Landesregierung vertritt auf der Webseite des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt die Auffassung, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie Prozesscharakter hat und immer wieder an aktuellen Herausforderungen, Aufgaben und neuen Erkenntnissen ausgerichtet werden muss. Dem kann nur zugestimmt werden. Aber es reicht schlicht nicht aus, solche hehren Ziele zu formulieren, wenn sie nicht mit Leben gefüllt sind.
Es ist durchaus positiv zu bewerten, dass Sachsen-Anhalt mit dem im März 2011 vorgelegten Bericht einen Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie geleistet hat, auch wenn dieser Bericht kurz vor dem Ende der Legislaturperiode noch hektisch zusammengeschustert wurde. Aber diesem Bericht gingen keine regelmäßigen Arbeiten an der Nachhaltigkeitsstrategie voraus. Es hat, von den Arbeiten an dem Indikatorenset einmal abgesehen, keinerlei Folgeaktivitäten gegeben.
Ich möchte betonen: Eine Nachhaltigkeitsstrategie hat Prozesscharakter. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie sind gemeinsam mit den gesellschaftlichen Gruppen Nachhaltigkeitsziele zu definieren und regelmäßig zu überprüfen. Der vorliegende Bericht der Landesregierung wurde aber weder in einem Dialogprozess erstellt noch nachträglich zur Diskussion gestellt. Er bleibt im Kern sehr allgemein und benennt in den beschriebenen Handlungsfeldern kaum klare und nachprüfbare Maßnahmen.
Des Weiteren veröffentlichte die Landesregierung bis dato keine Zwischenstandsberichte oder Evaluierungen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass selbst die in dem Bericht genannten und sehr allgemein formulierten Maßnahmen auch nur in Ansätzen umgesetzt wurden. Es gab keine ressortübergreifende Abstimmung und keine ressortübergreifende Reflexion des Nachhaltigkeitsprozesses. Es gab vor allem keine Dialog- und Kommunikationsprozesse.
Da also die Landesregierung nicht aus eigenem Antrieb tätig wird, bedarf es eines klaren Auftrags des Hohen Hauses, meine Damen und Herren.
Das gilt auch für den Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dieser wird übrigens explizit in dem aktuellen Koalitionsvertrag erwähnt. Durch eine ressortübergreifende Vernetzung soll laut dem
Stattdessen gibt es immer wieder Irritationen. Erst werden Gelder in den Haushalt eingestellt, dann heißt es plötzlich, dass die EU-Gelder nicht abgerufen werden können. Dann kommt die Information, dass den Bildungsträgern nicht alle beantragten Mittel zur Verfügung gestellt werden können. Das alles ist nicht verlässlich, meine Damen und Herren. Es lässt die im Regen stehen, die sich für die Umweltbildung engagieren.
Warum soll sich Sachsen-Anhalt überhaupt mit einer Nachhaltigkeitsstrategie beschäftigen? Nachhaltigkeit meint im Grunde nichts anderes, als dass wir die Chancen unserer Kinder und aller nachkommenden Generationen auf ein Leben in Wohlstand und in einer intakten Umwelt nicht schmälern dürfen. Die Nachhaltigkeit ist also eine zentrale Frage der Generationengerechtigkeit, von der wir heute noch sehr weit entfernt sind.
Ich erinnere nur an den sogenannten Earth Overshoot Day, also an den Tag des Jahres, an dem der Verbrauch an natürlichen Ressourcen die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen übersteigt. Im Jahr 2013 war dieser Tag am 20. August. Nach dem 20. August haben wir nach dieser Methodik auf Kosten der nachkommenden Generationen gelebt.
Aber Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema der Generationengerechtigkeit und der Umweltpolitik, sondern es zieht sich als übergreifendes Thema durch alle Politikfelder und Bereiche der Gesellschaft, insbesondere durch die Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Nachhaltigkeit ist damit auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der ökonomischen Vernunft. Nachhaltigkeit ist spätestens mit dem im Jahr 1987 durch die UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung veröffentlichten Brundtland-Report als übergreifende Leitlinie zu einem festen Begriff geworden und dann mit der Agenda 21 im Jahr 1992 in Rio de Janeiro in feste Vereinbarungen gefasst worden.
Dabei ist der Gedanke der Nachhaltigkeit - das wissen wahrscheinlich fast alle - nicht neu, sondern bereits 300 Jahre alt. Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann, so viel Holz wie nachwachsen kann - das reklamierte Hans Carl von Carlowitz schon im Jahr 1713. Ich finde, treffender kann man Nachhaltigkeit kaum kennzeichnen. Seither ist das Prinzip der Nachhaltigkeit als Leitschnur in allen Politikbereichen akzeptiert.
Meine Damen und Herren! Nachhaltigkeit ist der Schlüssel zur Sicherung von Wohlstand und zur Überlebensfähigkeit unserer Gesellschaft. Doch der Begriff Nachhaltigkeit bleibt dann abstrakt, wenn er nicht durch konkrete Ziele und verbindliche Maßnahmen untersetzt wird. Deshalb brauchen wir einen Aktionsplan zum Thema Nachhaltigkeit, der sozusagen als eine Roadmap das zukünftige Handeln der Landesregierung darlegen soll.
Der Aktionsplan soll eben diese Ziele und Maßnahmen klar und messbar definieren, damit sich alle Ressorts an diesen Zielen und Maßnahmen orientieren können. Er soll last but not least auch Vorgaben zu dem notwendigen Dialogprozess machen.
Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, dass sozusagen das Pferd von hinten aufgezäumt wird, nach dem Motto: Wenn Fragen zur Nachhaltigkeit auftauchen - wie das bei meiner letzten Kleinen Anfrage der Fall war -, dann wird eben das zusammengetragen, was im laufenden Geschäft stattfindet und irgendwie zu diesem Thema passt.
So wird es aber nicht funktionieren, meine Damen und Herren; denn wir reden von einem vielschichtigen und komplexen Prozess. Wir reden von einem Prozess, der zielgenau ausgerichtet, kohärent gelenkt und gesteuert werden muss.
Kurz auf den Punkt gebracht: Das Ziel eines zukunftsorientierten Aktionsplans für die folgenden Jahres muss es sein, die erforderlichen Schritte zur Erarbeitung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie festzulegen. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen.
Des Weiteren ist darzulegen, wie diese Ziele und Maßnahmen in die verschiedenen Fachplanungen der Ressorts zu integrieren sind. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die nationale Nachhaltigkeitsstrategie auch als integraler Bestandteil sämtlicher Planungen und Entscheidungen in Sachsen-Anhalt berücksichtigt und etabliert werden kann. Auch hierfür ist Transparenz erforderlich.
Die Umsetzung, gemessen an den konkreten Maßnahmen der Nachhaltigkeitsstrategie, soll jährlich in einem Bericht veröffentlicht und den jeweils zuständigen Fachausschüssen und dem Landtag vorgestellt werden. Danach sollte ein solcher Bericht den Bürgerinnen und Bürgern auf den Internetseiten der zuständigen Ministerien zugänglich gemacht werden.
Dazu gehört auch die Durchführung einer Landeskonferenz zur nachhaltigen Entwicklung. Die Landesregierung hat bereits seit Langem und schon
mehrmals angekündigt, eine solche Konferenz durchzuführen. Bisher ist das aber nicht geschehen und ein konkreter Termin liegt noch immer nicht vor.
Damit aber die Absichtserklärung, noch im Jahr 2014 eine solche Konferenz durchzuführen, nicht wie in den vergangenen Jahren ein bloßes Lippenbekenntnis bleibt, wollen wir die Landesregierung hier und heute beauftragen, noch in diesem Jahr eine ressort- und politikübergreifende Nachhaltigkeitskonferenz durchzuführen.
Wir halten es für unabdingbar, den Kommunikationsprozess zur Nachhaltigkeit in Gang zu bringen. Dafür erscheint eine Konferenz mit einer breiten Teilnahme als geeignetes Initial.
Übrigens wird der Nachhaltigkeitsprozess in vielen Bundesländern direkt von der Staatskanzlei gesteuert. Ich würde das auch für Sachsen-Anhalt empfehlen; denn die bisherige Verfahrensweise, nach der die Aktivitäten zum Nachhaltigkeitsprozess in der Kompetenz der einzelnen Ressorts liegen, kann nur als krachend gescheitert betrachtet werden.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Im Jahr 2002 wurde der Schutz der Umwelt als Staatsschutzziel in Artikel 20a des Grundgesetzes aufgenommen. Die Formulierung, dass der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schützt, nimmt den Gedanken der Nachhaltigkeit in dieses Ziel mit auf.
Wenn aber Nachhaltigkeit als Leitlinie die zukünftigen politischen Entscheidungen bestimmen soll, wenn Nachhaltigkeit kein wohlfeiles Lippenbekenntnis bleiben soll, dann müssen jetzt die notwendigen Weichenstellungen erfolgen, die die Handlungsspielräume der nachfolgenden Generationen sicherstellen.
Dazu brauchen wir ein klares Bekenntnis zum Nachhaltigkeitsprozess und eindeutige Vorgaben dahin gehend, wie die Ziele und Maßnahmen zur Nachhaltigkeit umzusetzen sind. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Weihrich. Es gibt eine Frage des Kollegen Graner. Wollen Sie sie beantworten? - Bitte.
überrascht. Sie formulierten - wenn ich das mit meinen Worten wiedergeben darf -: Eine Strategie der Nachhaltigkeit heute ermöglicht Wohlstand auch in Zukunft.
Nach meinem Verständnis von Wohlstand, vielleicht ein sehr landläufiges Verständnis, basiert unser derzeitiger Wohlstand doch wohl auch auf dem übermäßigen Verbrauch von Ressourcen. Wie passt das zusammen? Das ist meine erste Frage.
Ich schiebe gleich eine zweite hinterher. Gibt es im Zusammenhang mit der von Ihnen angedachten Konferenz wirklich einen Erkenntnisgewinn in Sachsen-Anhalt, der zum Thema Nachhaltigkeit nicht schon anderswo erreicht worden ist? - Ich denke nämlich als Mitglied des Finanzausschusses auch an die möglichen Kosten einer solchen Konferenz. - Danke.
Vielen Dank für die Fragen. Zur ersten Frage zum Begriff Wohlstand. Ich habe das ganz bewusst gesagt. Ich verstehe den Begriff Wohlstand nämlich nicht nur als Güterreichtum, sondern sehe ihn viel umfassender: als die Sicherung eines Lebens in Würde und in einem Wohlstand, der die grundsätzlichen Bedürfnisse befriedigt.