Protokoll der Sitzung vom 16.07.2014

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Weigelt, CDU)

Es ist nichts Neues, doch ich möchte es wiederholen: Wir brauchen zukünftig einen weiteren Solidarpakt, der das Stichwort Entschuldung berücksichtigen muss und der, wenn es um Förderungen geht, auch berücksichtigen muss, dass wir uns an Stärken und Schwächen und nicht an Himmelsrichtungen orientieren.

Wir in Sachsen-Anhalt und in den ostdeutschen Ländern, aber gerade wir in Sachsen-Anhalt, brauchen das insbesondere auch deshalb, weil wir es für die Investitionsquote brauchen. Ansonsten würde die Investitionsquote in unserem Haushalt ganz schrecklich absinken. Das wäre nicht gut. Also müssen wir Vorsorge treffen und dafür kämpfen, dass das nicht passiert.

Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat fast minutiös die guten Seiten Sachsen-Anhalts und seine Stärken aufgezählt. Ich könnte vieles davon wiederholen, ich könnte auch Zusätzliches nennen, aber ich möchte darauf verzichten.

Stattdessen würde ich Sie gern auf eine gedankliche Reise mitnehmen. Ich habe mich gestern mit Norbert Bischoff über einen seiner Besuche in einer 11. Klasse unterhalten. Er sei überrascht über die Art der Diskussion, über die Offenheit und über die Fähigkeit der jungen Leute, Positionen gegeneinander abzuwägen und gelten zu lassen, sie einfach so im Raum stehen zu lassen; das sei so ganz anders, als wir früher diskutiert hätten, meinte er.

Klar. Die Generation, die dort diskutiert, ist eine Generation, die ohne Schranken im Denken aufgewachsen ist. Wir haben gelernt, ganz anders zu diskutieren, verdeckt, zurückhaltend. Wir haben gelernt, nur so weit zu gehen, dass das Abitur nicht gefährdet ist. Wir haben andere Techniken gelernt: durch die Blume zu sprechen, den Grad der Anpassung auszuloten, bei dem man sich morgens noch im Spiegel anschauen konnte.

Die heutige Generation ist anders - Gott sei Dank. Das macht sie auch aus. Europa ist für sie selbstverständlich. Grenzen haben viele von ihnen, wenn sie sich in Europa bewegen, noch nicht gesehen. Meine Kinder wissen gar nicht, was Grenzen in Europa sind. Sie wollen um Gottes willen nicht, dass das wieder anders wird. Die Welt ist offen; so sehen sie es.

Aber viele von ihnen sagen auch: Wir kommen zurück und wir wollen zurückkommen, weil wir Sachsen-Anhalt, weil wir das Land, aus dem wir kommen, lieben und weil es hier schön ist. Sie sagen: Ich weiß gar nicht, warum ihr immer meckert. Das ist eine ganz andere Generation, die hinaus in die

Welt gehen möchte, die aber auch wieder zurückkommen möchte. Sie versteht unsere Diskussionen zum Teil gar nicht.

Diese Generation mit ihrem Hunger auf das Leben und mit ihrer Aufbruchstimmung müssen wir fragen, wie sie Sachsen-Anhalt sieht. Diese Generation müssen wir fragen: Was ist gut und was muss anders oder besser werden, damit dieses Land euer Land für die Zukunft ist? Für sie lohnt es sich, Sachsen-Anhalt als eigenes Land weiterzuentwickeln und es nicht - entschuldige, Bernward - in einem Mitteldeutschland aufgehen zu lassen, das dann auch wieder 20 Jahre braucht, bis es zusammengefunden hat.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU - Herr Borgwardt, CDU: Richtig!)

Ich glaube, dass es noch ganz viel über SachsenAnhalt und seine Verfassung zu sagen gäbe. Trotzdem möchte ich meine Redezeit, die ich von Ihnen, Herr Ministerpräsident, geschenkt bekommen habe, nicht gänzlich ausnutzen. Ich möchte mit einem Zitat von Martin Luther enden, der aus diesem unserem wunderbaren Kulturland Sachsen-Anhalt kommt

(Minister Herr Bullerjahn: Mansfeld!)

und dessen kleine Tat mit der großen weltgeschichtlichen Bedeutung wir im Jahr 2017 als Höhepunkt feiern werden. Martin Luther hat einmal gesagt:

„Weißes erkennt man besser, wenn man Schwarzes dagegen hält.“

Vielleicht auch Rotes; ich weiß es nicht. - Das gilt auch für Sachsen-Anhalt. Wir stehen gut da im Vergleich, im Vergleich zu früher, im Vergleich zu anderen. Wir wollen noch besser dastehen. Daran arbeiten wir.

Wenn ich jetzt noch immer nicht alle überzeugt habe, dann nehmen Sie doch einfach den Schwung der Weltmeisterschaften und des Sieges, den Deutschland errungen hat, ein bisschen als Antrieb, um mit Lebensfreude und Begeisterung unser Land weiterzuentwickeln. Ich würde mich freuen, wenn wir viel davon gemeinsam tun könnten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- stimmung von der Regierungsbank)

Danke schön, Kollegin Budde. - Die nächste Erwiderung auf die Regierungserklärung hören wir jetzt von der Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Professor Dalbert.

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Unser schönes Land Sachsen-Anhalt, Frau Dal- bert!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, „SachsenAnhalt in guter Verfassung - gemeinsam die Zukunft für unser Land gestalten“ - so der Titel Ihrer heutigen Regierungserklärung.

Erste Frage: Sachsen-Anhalt in guter Verfassung? - Zweifellos ist Sachsen-Anhalt ein großartiges Land, ein wunderschönes Land. Sachsen-Anhalt hat wunderbare Menschen, die seit der friedlichen Revolution viel erreicht haben. Sachsen-Anhalt kann sich sehen lassen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ein kraftvoller Motor der friedlichen Revolution vor 25 Jahren - das war die grüne Umweltbewegung.

(Herr Kurze, CDU: Aber nicht hier, Men- schenskinder!)

Das waren die Bürgerinnen und Bürger, die in tiefer Sorge darüber waren, dass wir selbst unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstören. Das ist so gewesen.

(Unruhe bei der CDU - Frau Budde, SPD: Da war einer nicht in Leipzig!)

- So ist es, Frau Budde, genau so, wie Sie es sagen.

(Unruhe bei der CDU)

Auch diesbezüglich haben wir natürlich vieles erreicht. Wenn wir uns heute die Qualität unserer Flüsse ansehen und sie mit der Qualität vor 25 Jahren vergleichen, dann sieht man, dass hierbei viel in Sachsen-Anhalt erreicht wurde.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Aber wir müssen auch feststellen: Die Dynamik, die zu den Verbesserungen geführt hat, hat in den 90er-Jahren stattgefunden. Wenn wir uns jetzt ansehen, was die Landesregierung beispielsweise mit der Ausweisung der FFH-Gebiete macht, dann muss man sagen: Diesbezüglich ist Fortschritt eine Schnecke.

Wir haben schon im Bericht des Präsidenten des Landesrechnungshofes vor einigen Jahren gelesen: Wenn Sie so weitermachen, dann werden die FFH-Gebiete und damit die 19 Arten, für die wir in Sachsen-Anhalt besondere Verantwortung tragen, vielleicht in 40 Jahren wirklich geschützt sein. Jetzt haben Sie ein paar Stellen hinzugegeben. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dann sind es vielleicht nur noch 30 Jahre.

Dazu sage ich Ihnen: Viele der grünen Bewegung, die mit die friedliche Revolution in diesem Land gestaltet haben, sind über die Naturschutzpolitik dieser Landesregierung bitter enttäuscht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Minister Herr Dr. Aeikens: Dazu besteht kein Anlass! Wir machen das schneller! - Herr Leimbach, CDU: Wir haben auch andere Prioritäten!)

Dieselbe Dynamik beobachten wir im Bereich der Wirtschaft. Offensichtlich haben wir ähnliche Lektüre, Frau Kollegin. Auch ich habe mich mit dem Kollegen Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auseinandergesetzt. Er be

schreibt dort dieselbe Dynamik. Die Dynamik war in den 90er-Jahren zu verzeichnen. Dann sagt er: Jetzt ist die Dynamik - damit zitiere ich ihn - „schleichend“.

Wenn man den Artikel, auf den Frau Budde Bezug genommen hat, zu Ende liest, dann stellt man fest, dass darin noch etwas Drittes steht. Das haben Sie als Vertreterin einer regierungstragenden Fraktion natürlich nicht zitiert. Aber ich als Vorsitzende der Oppositionsfraktion der GRÜNEN zitiere es. Der Kollege Brenke vom DIW sagt: Die staatliche Wirtschaftsförderung ist an ihr Ende gelangt.

Hinzu kommt der demografische Wandel, also die Abwanderung von in vielen Fällen gut ausgebildeten Menschen und die Überalterung unserer Gesellschaft. Dazu sagt er: Es gibt ein zentrales Mittel, wie man dem entgegensteuern kann. Darin sind sich viele Experten - ich könnte hier viele aufzählen - mit Herrn Brenke einig. Am Ende warnt er davor, an den Universitäten zu sparen. Er schreibt - ich zitiere -:

„Sorge macht mir, dass man trotz dieser klaren demografischen Aussichten in Ostdeutschland sehr stark an den Hochschulen den Rotstift ansetzt. Das ist kontraproduktiv.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wissen Sie, Herr Ministerpräsident, wer Schulen schließt, ganze ländliche Bereiche entschulen will, ohne dass dem zumindest eine seriöse Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde liegt, der hat nicht verstanden, was Zukunftsinvestitionen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Überhaupt, Herr Ministerpräsident, ich hätte gern von Ihnen heute mehr über Zukunft gehört. Sie haben einen Blick in die Vergangenheit geworfen und uns wenig darüber erzählt, was Ihre Vision darüber ist, wie Sachsen-Anhalt in 20 oder 30 Jahren aussehen soll, also wo wir langfristig hinsteuern wollen.

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Lesen Sie es noch einmal nach, Frau Dalbert!)

- Ich habe von Ihnen keine Visionen gehört, Herr Haseloff.

Die interessante, die spannende Frage, vor der wir heute stehen, ist die Frage: Haushaltskonsolidierung und Zukunftsgestaltung - geht das zusammen? - Dazu sage ich und meine Fraktion Ihnen: Das geht zusammen, wenn man ein klares politisches Konzept für die Zukunftsgestaltung unsere Landes hat. Und das haben Sie nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Deswegen haben wir auch eine schwarze Null!)

Sie setzen einseitig auf Haushaltskonsolidierung zulasten der Zukunftsgestaltung. Das halte ich in unserem Land für gefährlich. Damit machen wir unser Land eben nicht zukunftsfest, sondern damit führen Sie unser Land an den Rand der Zukunftsfähigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE)