Protokoll der Sitzung vom 18.07.2014

Beschlussempfehlung Ältestenrat - Drs. 6/3273

Der Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Gürth. Bitte schön, Herr Präsident.

Herr Gürth, Berichterstatter des Ältestenrates:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema würde eine sehr lange Einbringung und auch eine größere Aussprache verdienen. Aber wir haben zum Thema Parlamentsreform, schon allein um der Anforderung der Transparenz zu genügen, die Ergebnisse nach langen Beratungen auch in einer Pressekonferenz vorgestellt.

Uns liegt jetzt ein Bericht der Unterkommission des Ältestenrats als Unterrichtung in einer Drucksache vor. Es wird, um es vorwegzunehmen, in der Sommerpause als Schlussfolgerung aus dem Bericht der Unterkommission das, was an Gesetzesänderungen bis hin zur Verfassungsänderung zu tun ist, erarbeitet und im Herbst das Haus wieder erreichen, sodass wir dann erneut über das Thema sprechen.

Ich möchte deswegen die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses und der Öffentlichkeit auf wenige Schwerpunkte lenken.

Wir haben allesamt über die Fraktionen hinweg mit unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen und Stellungnahmen sowie mit unterschiedlichen Ansätzen, um das Land zukunftsfähig machen zu können, hart über verschiedene Vorschläge über Jahre hinweg diskutiert und Entscheidungen getroffen, die manchem in Sachsen-Anhalt manches zugemutet haben. So gab es kommunale Neugliederungen, wurden Behördenstrukturen verändert und waren Haushaltsdebatten mit Einsparungen verbunden.

Bei all diesen Entscheidungen, die zu treffen waren und getroffen wurden, war klar, dass es im Land Sachsen-Anhalt immer eine größere Anzahl von Personen geben wird, die von dem betroffen sind, was hier mit bester Absicht und oft auch nach strittigen Diskussionen entschieden wurde.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass viele Entscheidungen des Landtages von Sachsen-Anhalt mit der Tatsache zu tun hatten, dass wir uns der demografischen Entwicklung nicht verschließen können und diese bei allen Entscheidungen, die die Strukturen des Landes betreffen, berücksichtigen müssen, war es folgerichtig, dass wir gesagt haben, das gilt für uns als Parlament auch.

Nun stand die Frage: Wie können wir im Jahr 2014 unseren Beitrag leisten, um den Verfassungsauftrag, den ein Parlament hat, so umzusetzen, dass wir die Mandatswahrnehmung effizient, aber auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Transparenz so organisieren, dass der Verfassungsauftrag angemessen erfüllt werden kann?

Ich will zu Beginn allen Fraktionen und insbesondere den vier parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen im Hause von Herzen danken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das, was wir heute verabschieden können, ist im Wesentlichen ihr Verdienst. Es ist nicht irgendetwas; vielmehr ist diese Parlamentsreform die größte Parlamentsreform, die seit der Gründung des Landtages im Jahr 1990 zur Entscheidung ansteht. Dass dies möglich ist, ist das Verdienst insbesondere der parlamentarischen Geschäftsführer und der Fraktionen.

Wir haben zu Beginn Vertraulichkeit vereinbart. Wir haben auch vereinbart, dass wir selbstverständlich keine Tabus zu den Themenstellungen aufbauen werden, die der Landtag im Einsetzungsbeschluss vorgegeben hat.

So haben wir uns - anders als es vielleicht öffentlich diskutiert wurde - in einem ersten Schritt der Frage gewidmet, wie die Mandatswahrnehmung, die Mandatsausstattung, die Organisation der parlamentarischen Tätigkeit und die Wahlkreisarbeit sowie die Parlamentsgröße angemessen zu betrachten und künftig zu organisieren sind.

Wir haben uns in diesem Zusammenhang auch sehr umfangreich die unterschiedlichsten Wahlrechtssysteme angeschaut, die es in ganz Europa gibt. Das hat in der Öffentlichkeit noch keine Rolle gespielt. Das steht jetzt auch nicht im Vordergrund.

Wir werden in dem System des personalisierten Verhältniswahlrechtes bleiben. Aber wir haben uns natürlich angeschaut, wie andere Länder, demokratisch verfasste Rechtsstaaten, das dort geltende Wahlrecht begründen.

Wir konnten feststellen, dass auch in Deutschland - anders als wir es annahmen - ganz unterschiedliche Wahlrechtssysteme existieren, angefangen im Saarland bis hoch nach Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg usw.

Das Ziel war es zu prüfen, ob wir eine Wahlrechtsänderung im System hinbekommen, die die

schwierige Problematik der Überhang- und Ausgleichsmandate besser löst, als es derzeit bei uns, beim Deutschen Bundestag oder in anderen Ländern der Fall ist.

Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass aus allen vier Fraktionen Vorschläge hierzu unterbreitet wurden und man sich am Ende in einer sehr ausführlichen und detaillierten Diskussion darauf verständigt hat, dass nicht eine Mehrheit eine Wahlrechtsänderung zulasten einer Minderheit im Haus beschließt, weil jegliche Änderung schlichtweg dazu führt, dass sich die optionierten Wahlchancen der politischen Gruppierungen und Parteien verändern. Am Ende haben wir uns darauf verständigt, im System zu bleiben und nur Details zu verändern.

Wir haben uns aber in der Frage der Größe des Parlaments - das ist eine ernsthafte Abwägung - nach der Reduzierung der Anzahl der gesetzlichen Mandate um acht in der fünften Wahlperiode darauf verständigt, mit der nächsten und der übernächsten Wahl eine weitere Verkleinerung des Landtages in zwei Schritten um nochmals acht Mandate vorzunehmen.

Ein Grund muss genannt werden, der immer als Abwägungsgrund in beiden Waagschalen lag. Wir wissen, dass wir in der Öffentlichkeit eine Debatte haben, die manchmal lautet: möglichst billig und möglichst klein. Wir wissen, dass es so mancher vielleicht auch gern hätte: möglichst wenig kontrollieren und möglichst wenig da sein.

Aber ich sage ganz klar - dafür stehe ich persönlich mit meinem Namen -: Die Billigkeit kann keine ernstzunehmende Frage an ein Parlament sein; vielmehr kann es nur um die Frage der Seriosität, der Ernsthaftigkeit der Wahrnehmung des Verfassungsauftrags gehen.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Insofern ist man zwangsläufig auch bei der Frage der Größe von Parlamenten angekommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte an das erinnern, was der Verfassungsauftrag unter anderem beinhaltet. Es ist so einfach, dass manche das gar nicht wissen. Das macht einen manchmal perplex.

Die Mitglieder des Hohen Hauses werden gewählt, um für die Dauer von fünf Jahren stellvertretend für die 2,3 Millionen Menschen alle wesentlichen und wichtigen Entscheidungen für das Land zu treffen. Die gewählten Mandatsinhaber, die Abgeordneten, die Volksvertreter, tragen damit die Verantwortung für ein jährliches Budget von 10 Milliarden €.

Vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung nach unserer Verfassung haben sie aber auch die Aufgabe, die Regierung zu wählen und die Exekutive zu kontrollieren. Das bedeutet: Wenn man dies

ernst nimmt, muss ein Parlament trotz der unterschiedlichen Funktionen von Regierungsmehrheit und Opposition in der Lage sein, das administrative Handeln der Exekutive zu kontrollieren.

(Zustimmung von Herrn Kolze CDU)

Ansonsten ist dieser Verfassungsauftrag nicht mehr zu erfüllen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wäre er nicht mehr zu erfüllen, wäre das ganze System infrage zu stellen; denn das wäre keine repräsentative parlamentarische Demokratie mehr.

Ich glaube, dass wir mit der gewählten Parlamentsgröße für die Zukunft eine Größe erreicht haben, die die Erfüllung des Verfassungsauftrags noch ermöglicht. Ich glaube aber auch, dass wir dann an der Grenze dessen angekommen sind, was die Veränderung der Zahl nach unten betrifft, und dass dies für Jahrzehnte Bestand haben sollte.

Ein weiteres großes Thema - hierbei haben wir einen riesengroßen Sprung nach vorne gemacht - ist das der Transparenz.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wir haben uns, was die Transparenz für die Zukunft betrifft, große Schritte nach vorn bewegt und können uns im Vergleich mit allen anderen gesetzgebenden Körperschaften, auch außerhalb Deutschlands, sehen lassen.

Die Abgeordneten werden künftig gewährleisten, dass die Wähler und Wählerinnen, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen: Wer sitzt im Parlament? Wer vertritt welche Interessen? Wer nimmt welche Tätigkeiten, Beschäftigungen, Interessenvertretungen neben der Mandatstätigkeit wahr? Wer erzielt welche Einkünfte aus Nebentätigkeiten?

Wir haben festgelegt, dass die Mandatswahrnehmung im Mittelpunkt der Aufgaben eines Abgeordneten stehen muss und dass es nicht die Nebentätigkeiten sein dürfen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wir haben über die Angaben hinaus, die künftig öffentlich zu machen sind, auch Sanktionen vorgesehen.

Dies alles zusammen ist ein großes Paket, das abgerundet wird durch ein Lobbyregister. Wir werden ab dem 1. Januar 2015 ein Lobbyregister einführen, sodass klar ist, wer von außen Einfluss auf die Entscheidungen hier im Hohen Hause, im Parlament nimmt.

Ich denke, all das kann sich sehen lassen. Dass dies trotz der unterschiedlichen Vorstellungen über alle vier Fraktionen hinweg so möglich war, ist ein großer Erfolg.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich möchte auch nicht etwas kleinreden, das man vielleicht kleinreden könnte, weil es von großer Symbolik und deswegen - zumindest aus meiner Sicht - auch von großer Bedeutung ist.

(Zustimmung im ganzen Hause)

Dass wir künftig Kinderrechte in den Verfassungsrang heben, ist mehr als nur eine rechtliche Petitesse. Dies ist von großer Bedeutung. Dafür danke ich allen, die dies möglich gemacht haben.

(Zustimmung im ganzen Hause)

Natürlich ist auch die Frage der Mandatsausstattung eine Frage gewesen, zu der ausführlich diskutiert wurde.