Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Nunmehr wird entgegen dem Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 3. Juni 2014 oder zumindest unter Nutzung eigener Interpretationen wiederum der Griff in bestehende Gebietsänderungsverträge angeordnet. Einnahmeseite:

Grundsteuer A und B, Hebesatz auf mindestens 100 % über dem gewichteten Durchschnittshebesatz der jeweiligen Gemeindegrößenklassen anzuheben.

Gewerbesteuerhebesatz um mindestens 50 % über dem gewichteten Durchschnittshebesatz der jeweiligen Gemeindegrößenklassen anzuheben.

Kostendeckungsgrad bei leitungsgebundenen Einrichtungen der Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung sowie Abfallentsorgung von 100 % zu gewährleisten.

In diesem Zusammenhang sehen wir einen Verstoß gegen § 99 Abs. 2 Satz 2 KVG SachsenAnhalt in Verbindung mit den Regelungen der §§ 5 und 6 KAG sowie des Kreislaufwirtschafts-, des Wasser- und des Umweltschutzgesetzes.

Zu der Erhebung kostendeckender Gebühren im Bestattungswesen. Bereits jetzt zahlen Städte

- Sie können sich das in Magdeburg ansehen - die Kosten für sozial Schwache aus eigener Tasche. Nachhaltig ist das nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Zwang zur kostendeckenden Erhebung von Verwaltungsgebühren ist ein weiterer Punkt. Auf meine Information hin, dass in Egeln Bescheide über 90 Cent mit Einschreiben herausgeschickt worden sind, deren Kosten diese 90 Cent bei weitem überstiegen, hat mir die Kommunalaufsicht geantwortet, sie sei nicht zuständig. Bagatellgrenzen scheinen hierbei offensichtlich nicht zur Anwendung zu kommen. Man gibt 1,60 € aus, um 90 Cent zu ziehen.

Weiterhin müssen die Kommunen ihre Kreativität zur Definition weiterer neuer Einnahmequellen verstärken. Parkgebühren und Gebühren für Sondernutzungsrechte werden in diesem Zusammenhang angeführt. Vielleicht sollen auch noch Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Luftraums, wie in Bayern der Fall, oder Eintrittsgelder für Veranstaltungen der Kommunen erhoben werden. Wir denken dagegen bereits darüber nach, bei Veranstaltungen überhaupt eine Kartenkontrolle durchzuführen; denn die Aufwendungen für die Personalkosten sind weitaus höher als die zu erzielenden Einnahmen.

Inwieweit zukünftig kommunale Mandatsträger für die Durchführung ihrer Rats- und Ausschusssitzungen Eintritt bezahlen müssen, scheint offensichtlich nur eine Frage der Kreativität der Verwaltung zu sein.

Im Übrigen reiht sich in diesen Kanon der zentralistischen Ausprägung auch der gestern eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften ein, mit dem der Versuch unternommen werden soll, entgegen dem Grundsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013, noch bis zum 31. Dezember 2015 nach mehr als 15 Jahren Satzungen zu erlassen, um entgangene Einnahmen aus unterlassener Verwaltungstätigkeit und fehlender kommunalaufsichtlicher Kontrolle in Euro und Cent von den Bürgern einzutreiben.

Nun zu den Einsparungen. Wen wundert es, wenn der Herr Minister in erster Linie Personalkosten in den Blick nimmt? Anders als auf der Landesebene, wo man erhebliche Aufwendungen für sogenannte Organisationsuntersuchungen getätigt hatte, sieht das Ministerium die Realisierung von Einsparungen bereits im Verzicht auf unnötige freiwillige Aufgaben. Ist dies nicht ausreichend, soll dies durch den Einsatz von Technik, die auch nicht zum Nulltarif zu haben ist, oder durch kommunale Gemeinschaftsarbeit erfolgen.

Wenn diese Erkenntnis jetzt schon gereift ist, frage ich mich, warum der Kreis- und Gemeindegebiets

reform bis heute kein schlüssiges Konzept zur Funktionalreform zugrunde gelegt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Welche Aufgabenbestände sind es denn, die über das GKG LSA noch zu regeln wären, die nicht von den Regelungen des Kommunalverfassungsgesetzes zur Einheitsgemeinde und Verbandsgemeinde erfasst sind?

Bei der Festsetzung des Personals für Bauhöfe von 1 VBE pro 1 000 Einwohner wird wiederum der örtliche Bezug vollkommen ausgeblendet und offensichtlich ein Einheitswert, der, nach welcher internen Benchmark auch immer festgelegt, bestimmt. Auch dies ist wiederum ein unzulässiger Eingriff in die Satzungs-, Personal- und Finanzhoheit der Kommunen.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE, und von Frau Zoschke, DIE LINKE)

Wie man auf die Umlage für Zweckverbände Einfluss nehmen kann, um diese zu vermeiden oder gar zu reduzieren, erschließt sich aus dem Text überhaupt nicht. Eine Vermeidung einer solchen Umlage würde nur möglich sein, wenn der Zweckverband aufgelöst wird. Das steht jedoch im Widerspruch zu Nr. 2.1.1 des Erlasses. Die vollständige Abwälzung der Umlage steht im Widerspruch zu den §§ 5 und 6 KAG LSA, die die Art und Weise der Inanspruchnahme regeln, und des § 99 des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt.

Eine Reduzierung des Anteils auf 2 % der Einzahlungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit der betroffenen Haushaltsjahre steht im Widerspruch zu Artikel 28 des Grundgesetzes und führt einseitig und damit rechtswidrig zur Fokussierung auf die sogenannten pflichtigen freiwilligen Aufgaben.

Bei den Regelungen zu den Investitionen im pflichtigen eigenen Wirkungskreis wird der Bock zum Gärtner gemacht. Die Festsetzung entspricht faktisch dem Verzicht auf alle anderen Investitionen im Zeitraum der Haushaltskonsolidierung, mit Ausnahme der Ziele im Programm Stark III. Mit dieser Regelung wird die Kommune gezwungen, gegen die Regelungen der §§ 112 und 113 des Kommunalverfassungsgesetzes zu verstoßen; gleichzeitig wird der Werteverzehr kommunalen Eigentums billigend in Kauf genommen.

Aber auch dafür bietet der Runderlass eine weitere Regelung, nämlich die unverzügliche Veräußerung von Immobilien. Auch hierbei verkennt das Ministerium die Regelungen von § 115 Abs. 1 des Kommunalverfassungsgesetzes. Was mit dieser Regelung im Erlass betrieben wird, ist die bewusste Verschleuderung öffentlichen Eigentums und die langfristige nachhaltige Reduzierung der Kre

ditfähigkeit der Kommunen durch Verkäufe unter Wert.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ein besonderes Schmankerl enthält der Runderlass bezogen auf die Aufwandsentschädigungen. Der Minister ging darauf ein. An dieser Stelle wird eine Untergrenze definiert, die es im Runderlass des Innenministeriums für Mandatsträger gar nicht gibt. Die Untergrenzen für Entschädigungsleistungen beziehen sich nur auf die ehrenamtlichen Bürgermeister, Oberbürgermeister und Ortsvorsteher. Wenn eine Untergrenze zu unterschreiten ist, wäre die Untergrenze in dem Fall null. Eine Unterschreitung von null ist minus. Das entspricht dann fast dem Leitzins der Europäischen Zentralbank.

(Herr Borgwardt, CDU, lacht)

Was soll das? In § 35 Abs. 2 Satz 4 des Kommunalverfassungsgesetzes steht, dass der einzelne Mandatsträger einen Anspruch auf Auslagenersatz hat. Sie können nicht mit einer untergesetzlichen Regelung in einem Runderlass gesetzliche Regelungen aushebeln. Das geht überhaupt nicht. Das ist ein Bruch innerhalb dieser Landesregierung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ja, ich weiß, das Land kann sich aus dem kommunalen Bereich im FAG seine Deckungsquellen erschließen. Folglich wird es nach dem Willen der Landesregierung und der Koalition keine Haushaltskonsolidierung im Land geben, sondern nur bei den Kommunen.

Mit dem Runderlass überträgt das Finanzministerium den Kommunen weitere Aufgaben, wie das aktive Förderungsmanagement, die detaillierte Liquiditätsübersicht und die Rückzahlungsbedingungen - Zeitpunkt und Höhe. Diese Aufgaben sind jeden Monat durch die Verwaltungen zu erbringen.

Letztendlich, und dabei möchte ich es erst einmal bewenden lassen, gewährt das Finanzministerium den Gemeinden die Möglichkeit, die Kreisumlage für ein Jahr zu stunden; wie gnädig! Wer zahlt den Kreisen aber den Ausgleich für diese Stundung? Sollen sie dieses Defizit über weitere Kassenkredite - Entschuldigung, es heißt ja jetzt Liquiditätskredite - ausgleichen?

Doch wie soll dies geschehen? Auch die Landkreise befinden sich in der Haushaltskonsolidierung. Sollen die Landkreise im Gegenzug die Abfallentsorgung privatisieren, Umlagen an die einzelnen Verbände auf null reduzieren oder kostendeckende Gebühren und Entgelte für den ÖPNV verlangen? Welche weiteren Veräußerungen kämen darüber hinaus in Betracht, vielleicht die Privatisierung der Immobilien, Brücken, Straßen oder Tunnel?

Zum letzten Bereich, dem Parlament. Meine Damen und Herren! Repräsentative Demokratie heißt nicht Abwesenheit von Demokratie, auch wenn satte Mehrheiten oftmals der Versuchung unterliegen, sich die Realität zurechtzubiegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Städte und Gemeinden haben in ihrer über 2 000-jährigen Entwicklung nachgewiesen, dass sie sehr wohl ohne ein Land, ohne eine Landesregierung und ohne einen Fürsten auskommen können. Den Beweis, dass ein Land ohne Kommunen auskommen kann, gibt es nicht.

Nicht auf der Landesebene spiegeln sich die Lebensinteressen, soziale Bindungen, die Lebensgrundlagen der Bürger wider, sondern zuallererst in ihren Städten und Gemeinden. Für die Bedingungen, die dafür sorgen, dass die Kommunen auch zukünftig ihren Aufgaben gerecht werden können, Entwicklungsperspektiven aufbauen können sowie zukünftigen Generationen eine Heimstatt bieten können, trägt der Landtag Verantwortung. Der Landtag muss sich diesen Herausforderungen stellen und hat die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen.

Wir fordern die Landesregierung auf, den besagten Runderlass zurückzunehmen und umgehend zu überarbeiten. Im Rahmen der Neugestaltung des FAG sollen eine Verordnungsermächtigung eingefügt, die Bedingungen zur Nutzung des Ausgleichsstocks verbindlich und abschließend geregelt sowie der Landtag quartalsweise über den Antrags- und Gewährungsstand informiert werden. Gleichzeitig sind die gesetzlichen Normen und Regelungen einzuhalten und nicht über Erlassregelungen, die keinerlei Rechtssetzungskompetenz haben, auszuhebeln. - Ich bitte um die Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Hövelmann. - Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Herr Kollege Grünert, ich kann viele Anregungen und Kritikpunkte, die Sie vorgetragen haben, durchaus nachvollziehen. Aber an manchen Stellen finde ich es völlig überzogen.

An einer Stelle möchte ich konkret nachfragen. Sie haben gesagt, wenn an die Kommune die Auflage erteilt werde, Grundstücke oder gemeindliches Vermögen zu veräußern, das nicht zur Erfüllung der gemeindlichen Zwecke benötigt werde, dann sei dies eine Verschleuderung von Gemeindevermögen unter Wert. Ich habe Sie an dieser Stelle zitiert.

Sind Sie, wenn Sie durch das Land fahren und schauen, auf welchen, mit Verlaub gesagt, Klabachen die Kommunen manchmal sitzen,

(Herr Borgwardt, CDU, lacht)

nämlich auf Grundstücken und auf Gebäuden, die sie nicht mehr benötigen, ernsthaft der Auffassung, dass die Kommunen einen höheren Erlös aus dem Verkauf erzielen würden, wenn sie diese Immobilien zu einem späteren Zeitpunkt verkaufen würden, wenn sie in einem noch schlechteren Zustand wären? Ist das ernsthaft Ihre Auffassung?

(Zustimmung von Herrn Güssau, CDU - Herr Hoffmann, DIE LINKE: Die haben keine Gelder!)

Herr Hövelmann, danke für die Frage. Ich möchte darauf wie folgt eingehen: Natürlich regelt auch der Grundstücksmarkt das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Nach der Gemeindeordnung muss zum Verkehrswert, also zum vollen Wert, veräußert werden. Das heißt, es gibt gar keine Alternative.

Wenn ich es also verkaufen muss, dann muss ich hinnehmen, dass ich es unter Wert verkaufen muss. Das führt zu einer Einschränkung der Kreditfähigkeit der Kommune, auch wenn Sie insofern Recht haben, als es im Einzelfall durchaus eine Klabache sein kann, bei der ich im Prinzip für die Unterhaltungskosten mehr ausgebe, als ich derzeit durch den Verkauf einnehme. Aber wer erstellt denn die konkrete Definition dafür?

Also auch in dem konkreten Fall ist der Runderlass des Finanzministeriums überhaupt nicht hilfreich, weil er nämlich das ganze Spektrum anheimstellt, das ich ziehen muss, um den Zugang zu einer Hilfe zu erhalten, die normalerweise das Land denjenigen gewähren sollte, die tatsächlich in Notlagen sind.

Da macht es wenig Sinn wie zum Beispiel im Bereich der Stadt Oberharz am Brocken, wenn ich sehe, dass es auf der einen Seite eine Haushaltskonsolidierung gibt, und auf der anderen Seite alles das, was eigentlich die Einnahmen der Kommune sicherstellen soll, für die nächsten 20 Jahre beschneide. Ich erinnere an die Freibäder, an die Sportstätten usw. Wenn ich die Infrastruktur abbaue, dann kann ich nicht erwarten, dass es mehr Einnahmen gibt, es sei denn, es gibt einen Massentourismus der Landesregierung, weil sie dort oben immer ihre Kabinettssitzungen machen will. - Das war jetzt ein bisschen polemisch. Ich gebe es ehrlich zu.