Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

(Herr Schröder, CDU, lacht)

- Wie bitte?

(Herr Schröder, CDU: Das hat er gerade ge- sagt, Herr Barthel! Das Thema hatten wir gerade!)

- Ich habe das nicht gehört. Ich wollte es ohnehin ansprechen. - Also, ich werde dem Finanzausschuss jetzt schon einmal im Vorfeld die Belege für den Ausgleichsstock für das laufende Haushaltsjahr und für die Jahre 2015 und 2016 zeigen. Eigentlich müsste ich noch mehr verlangen.

Aber weil ich die Debatte kenne und weiß, woher der Ausgleichsstock kommt, werbe ich für die Zuführung von 50 Millionen €; denn dahinter verstecken sich auch bestimmte Vorleistungen aus

verschiedenen Programmen. Umso weniger Mittel darin sind, umso weniger können wir helfen.

Das ist kein Geheimnis. Ich werde Ihnen die Zahlen und die Belastungen im Finanzausschuss gern zur Verfügung stellen. Dann können wir darüber reden, ob es sinnvoll ist, etwas herauszunehmen. Es engt dann schlichtweg die Handlungsfähigkeit ein. Aber diesbezüglich will ich nur soweit Überzeugungsarbeit leisten, wie mir gefolgt wird. Man muss jedoch im Vollzug mit den Konsequenzen leben, wenn das nicht gelingt.

Zur Aufwandsentschädigung zu Konsolidierungszwecken. Ich weiß, dass das hier besonders kritisch gesehen wird. Ich werbe aber auch an dieser Stelle dafür, dass das, was wir gemacht haben, nicht ohne Sinn und Verstand gemacht wurde. Aber es wird politisch sehr zugespitzt darüber diskutiert.

Es ist richtig, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Liquiditätshilfen und Bedarfszuweisungen verschärft worden sind. Die Kommune muss bereits vor der Antragstellung alle verfügbaren Einnahmequellen ausschöpfen und alle Möglichkeiten zur Ausgabenreduzierung nutzen.

Ich kann mich an Debatten im Finanzausschuss erinnern, in denen das gerade auch von vielen Fraktionen gefordert worden ist - das ist keine Erfindung einzelner Leute aus dem Finanzministerium -, weil dort schon der Eindruck entstand, übrigens auch bei Spitzenpolitikern auf der kommunalen Ebene in Sachsen-Anhalt, dass sich einige ganz doll mühen und andere den Eindruck erwecken, sich nicht ganz so doll zu mühen.

Ich werde der Debatte nicht folgen. Ich kenne das ja auch auf der Landesebene. Ich habe darüber gestern ausführlich geredet. Aber der Eindruck hängt da fest. Es gibt auch Oberbürgermeister, Landräte und andere, die mir sagen: Du solltest schon bei der Hilfe etwas mehr hinschauen; denn ich komme in diesen Genuss ohnehin nicht. - Das hat nichts mit Neid zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass wir einmal genauer hinschauen.

Es gibt Kommunen, denen wir seit Jahren Briefe schreiben - das taten vor mir schon andere - und die diese Briefe weglegen. Es sind ja viele hier auch in Kommunalparlamenten vertreten.

Früher war es gang und gäbe - ich weiß das noch; ich war nach 1990 im Kreistag -, dass als Erstes eine Resolution geschrieben wurde. Das hat sich, Gott sei Dank, ein bisschen gegeben, auch dass sich alle sofort einig waren, es braucht mehr Geld.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Sie lesen nur nicht mehr!)

Dem steht übrigens auch die Systematik des geltenden FAG entgegen. Bei einer Quotierung hatte ich gar keinen Bezugspunkt zu dem, was wirklich

an Geld gebraucht wird. Deswegen wurde schon oft der Eindruck gestärkt, dass die Bescheide und das, wozu darin aufgefordert wurde, ins Leere laufen.

Ich kann Ihnen auch jetzt einige aktuelle Fälle nennen, über die wir gerade streiten. Die regionalen Abgeordneten, die ich hier sitzen sehe, wissen auch, dass ich dieser Diskussion nicht aus dem Weg gehe.

Bei manchen Gemeinden merke ich auch, dass es klappt, wenn man sagt: Du bekommst mehr Geld, wenn … - Dazu sage ich, das schließt auch die Aufwandsentschädigung ein.

Dann muss man eben sehen, wie man vor Ort damit umgeht. Wenn man andere Lösungen dafür vorschlägt, wie man zum Beispiel bestimmte Defizite gegenfinanzieren kann, dann ist das nicht unsere Sache und dann wird man nicht so darauf pochen, dass auch das Thema mit angefasst wird. Aber es gibt einige im Land, die es sich zu einfach machen.

Wenn wir das Programm Stark IV einführen, wird es ohnehin noch sehr konkret.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Es ist schlichtweg nicht so, dass alle Kommunen schlecht dastehen. Selbst bei den letzten 23 Kommunen, deren Namen ich mittlerweile fast auswendig kenne, gibt es eine sehr unterschiedliche Betroffenheit bei den Krediten, selbst bei Kassenkrediten. Einige gehen noch einmal nach oben, aber andere gehen selbst bei Kassenkrediten nach unten. Dort lohnt es sich natürlich hinzuschauen.

Es ist ja nicht so, dass wir pauschal bei allen sagen: Du, die Aufwandspauschale muss runter. Wir erkennen es schon an, wenn sich ein Gemeinde- oder ein Stadtrat wirklich quält, indem wir das zeitlich strecken und bestimmte Dinge eben nicht mehr abfordern, wie bei der Frage der freiwilligen Leistungen, was systematisch gar nicht mehr so einfach ist. Deswegen bitte ich Sie zu akzeptieren, dass es nicht Bereiche geben kann, die ausgeschlossen sind.

Ich habe es ja erlebt, dass auch dieser Landtag sehr verantwortungsvoll mit dem eigenen Thema Diäten in diesem wirtschaftlichen Umfeld umgeht. Es gibt Landtage, die sich sehr viel mehr zahlen. Ich glaube, es ist gut, dass man diesen Zusammenhang sieht.

Deswegen: Man kann darüber streiten. Ich bin mir sicher, dass jetzt nicht alle meinen Argumenten folgen werden. Aber ich werde weiter dafür werben. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Die Einbringung des Antrags der Fraktion DIE LINKE wird jetzt Herr Abgeordneter Grünert vornehmen. Es geht um die Überarbeitung des Runderlasses über Zuweisungen aus dem Ausgleichsstock usw.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Kommunalverfassungsgesetz vom 17. Juni 2014 war gerade mit dem Vorwort des Innenministers, dass die kommunale Selbstverwaltung durch dieses Gesetz gestärkt werde, aus der Druckerei gekommen, da erschien bereits der Runderlass des Finanzministers: „Zuweisungen aus dem Ausgleichsstock nach § 17 des Finanzausgleichsgesetzes“, hier: Runderlass des MF vom 15. April 2014, veröffentlicht am 14. Juli 2014.

Liest man dazu die Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes an die Landkreise und kreisfreien Städte vom 13. August 2014, so wird klar, dass der neue Runderlass offensichtlich mit dem Ministerium für Inneres und Sport vor seinem Inkrafttreten abgestimmt wurde, was die Sache jedoch nicht besser macht.

Meine Damen und Herren! Man könnte glauben, das ist ein ganz normaler Akt; dem ist aber nicht so. Mit diesem Erlass greift der Finanzminister aus meiner Sicht selbstherrlich und ohne Berücksichtigung der entsprechenden Rechtsgrundlage erheblich in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes und gemäß den Artikeln 87 und 88 der Landesverfassung ein.

Ich nenne es selbstherrlich, weil der Erlass ohne Erörterung und Rücksprache mit den kommunalen Spitzenverbänden verfasst wurde, obwohl wir das im Rahmen der Geschäftsordnung ausdrücklich normiert hatten.

Selbstherrlich ist es auch deshalb, weil er den Kurs der Landesregierung belegt, entgegen gesetzlichen Bestimmungen ohne Beachtung gefestigter Rechtsprechung und am Parlament vorbei agieren zu können. Ich werde diese Aussagen noch untersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dem Vorwurf der Nichtbeteiligung des Parlaments. Meine Fraktion hat wiederholt bereits seit 2009 gefordert, dass die Vergabe von Mitteln aus dem Ausgleichsstock über eine gesonderte

Rechtsverordnung erfolgen soll, die gewährleistet, dass diese Bedarfszuweisungen nach einheitlichen Maßstäben und nach eindeutig zu bestimmenden Kriterien zur Milderung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen im Haushalt der Kommunen gewährt werden.

Die Landesregierung und auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sahen bisher keinerlei Veranlassung, dieser Forderung nachzukommen. Es ist eben sehr öffentlichkeitswirksam, wenn man als Großer mit zehn Entschuldungen Hilfen oder Unterstützung geben kann und gleichzeitig über einen Notgroschen verfügt, den man beliebig einsetzen kann, da eine Beteiligung des Landtages oder klare Kriterien fehlen.

(Beifall bei der LINKEN - Minister Herr Bul- lerjahn: Wir können das gern mal machen!)

So entscheidet der Minister ganz allein, wer sein Wohlwollen bekommen soll. Mit diesem Runderlass geht jedoch das Ministerium für Finanzen einen Schritt weiter.

(Zuruf: Wo denn?)

Es nimmt eine schärfere Unterscheidung hinsichtlich infrage kommender Funktionen bei der Ausreichung von Mitteln aus dem Ausgleichsstock vor, was zumindest noch nachvollziehbar ist.

Warum jedoch die Konditionen zu den einzelnen Formen wie Liquiditätshilfen, Bedarfszuweisungen, Zuweisungen zur Überwindung außergewöhnlicher Belastungen sowie Zuweisungen zum Ausgleich von Härten, die sich im Einzelfall beim Vollzug des FAG ergeben, verschärft bzw. einmalig oder erstmalig eingesetzt werden, kann nur eines deutlich machen: Das Finanzministerium will entscheiden, unter welchen Bedingungen notwendige Unterstützung ausgereicht wird. Und es will den betroffenen Gemeinden, Städten und Landkreisen vorschreiben, was sich diese im freiwilligen und im investiven Bereich noch leisten dürfen.

An die Adresse der Landesregierung richten wir heute die klare Botschaft: Das Grundgesetz und die darauf fußende kommunale Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt sind zu gewährleisten, nicht auszuhöhlen. Sie braucht auch keinen goldenen Zügel.

(Beifall bei der LINKEN)

Notleidende Kommunen brauchen nicht die Kandare des Finanzministers, sondern eine gezielte und nachhaltige Unterstützung.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Zum Eingriff in bestehende gesetzliche Regelungen ohne Befugnisse oder Ignorieren gesicherter Rechtsprechung. In den allgemeinen Grundsätzen des Runderlasses formuliert die Landesregierung, dass eine zwingende Voraussetzung für die Bewilligung der Bedarfszuweisungen und Liquiditätshilfen die Wahrung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Haushaltsführung, hier bezogen auf § 98 Abs. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes, ist. Andernfalls sei die Gewährung von Zuweisungen ausgeschlossen.

Grundsätzlich haben die Kommunen in SachsenAnhalt für ihre eigenen Aufgaben nach dem Kommunalverfassungsgesetz das Satzungsrecht. Sie entscheiden, inwieweit die allgemeinen Haushaltsgrundsätze bezogen auf ihre gemeindlichen Bedingungen konkret angewendet werden. Dabei sollten sie sich auf die in Artikel 88 der Landesverfassung festgeschriebene Konnexität verlassen können.

Nachdem der Finanzminister seine Forderung nach einer Spitzabrechnung der Haushaltskonsolidierungskonzepte im Kommunalverfassungsgesetz nicht verankern konnte, versucht er nunmehr, seine Optionen untergesetzlich durchzusetzen.

Folgende weitere rechtliche Verstöße ergeben sich aus dem Runderlass: zum Ersten die Liquiditätshilfen. Die antragstellende Kommune muss alle verfügbaren Möglichkeiten zur Erhöhung der Einzahlungen und Erträge sowie zur Reduzierung der Auszahlungen und Aufwendungen ausschöpfen; so steht es darin.

Spannend ist diese Aussage vor dem Hintergrund, dass sich über das Stark-III-Programm zur Entschuldung die teilnehmenden Kommunen verpflichten mussten, für einen Zeitraum von zehn Jahren keine neuen Kredite aufzunehmen. Dieser Grundsatz wurde jedoch mit dem Stark-III-Programm aufgehoben, wenn es um die energetische Sanierung von Kitas und Schulen geht. Auch hier erfolgt der Versuch, zentral zu entscheiden, was vor Ort nötig ist.

(Beifall bei der LINKEN)