Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den Ihnen in der Drs. 6/2473 vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der 53. Sitzung am 18. Oktober 2013 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen. Mit der Mitberatung wurde der Ausschuss für Umwelt betraut.

Das Ziel des Antrages ist es, die Landesregierung zu bitten, den Entwurf des Landesenergiekonzeptes für das Jahr 2030, welcher im Rahmen einer Anhörung am 25. September 2013 der Fachöffentlichkeit vorgestellt wurde, zu überarbeiten.

Dabei sollten unter anderem folgende Aspekte berücksichtigt werden: Bekenntnis zur Beibehaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, Senkung des Energieverbrauches, Nutzungszunahme bei erneuerbaren Energien und bei Energiespeichern, Auslaufen der Braunkohleverstromung, kein Neubau von Braunkohlekraftwerken und Festlegung eines konkreten und verbindlichen CO2-Reduzierungszieles pro Kopf.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft nahm in der 29. Sitzung am 28. November 2013 die mündliche Berichterstattung der Landesregierung entgegen und verständigte sich darauf, das Thema erneut aufzurufen, sobald das Landesenergiekonzept der Landesregierung vorliegt.

Da die Landesregierung das Energiekonzept am 8. April 2014 beschlossen hat, kam der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft in der 33. Sitzung am 10. April 2014 überein, sich in der 35. Sitzung am 22. Mai 2014 erneut mit dem Thema zu befassen. Zur Beratung lagen dem Ausschuss ein schriftlicher Bericht des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft sowie ein Beschlussvorschlag der Koalitionsfraktionen vor.

Im Ergebnis der Beratung erarbeitete der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft eine vorläufige Beschlussempfehlung an den mitberatenden Ausschuss für Umwelt. Dem mitberatenden Ausschuss für Umwelt wurde mehrheitlich empfohlen, den Antrag für erledigt zu erklären, da die Landesregierung ein Landesenergiekonzept vorgelegt hat und die Bundesregierung ihre Vorstellungen zum Klimaschutz und zur Fortentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes konkretisiert hat.

Der Ausschuss für Umwelt befasste sich in der 39. Sitzung am 11. Juni 2014 mit diesem Thema und schloss sich der vorläufigen Beschlussempfehlung mehrheitlich an.

Daraufhin befasste sich der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft in der 38. Sitzung am 4. September 2014 erneut mit dem Antrag. Im Rahmen dieser Beratung widersprachen die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einer Erledigterklärung. Die Fraktion DIE LINKE führte in diesem Zusammenhang an, dass in dem von der Landesregierung vorgelegten Energiekonzept konkrete Maßnahmen fehlen, mit denen die Landesregierung ihre Ziele verwirklichen möchte.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN widersprach einer Erledigterklärung ebenfalls und stellte heraus, dass das Landesenergiekonzept keine Angaben dazu enthalte, wie die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Zudem fehle ein Bekenntnis der Landesregierung zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung.

Gemäß § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtages kann ein Antrag nicht für erledigt erklärt werden, wenn dem im Ausschuss widersprochen wird. In diesem Fall ist über den Antrag abzustimmen und dem Landtag eine Beschlussempfehlung in der Sache zuzuleiten. Im Ergebnis beschloss der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft mit 6 : 5 : 0 Stimmen, dem Landtag zu empfehlen, den Antrag in der Drs. 6/2473 abzulehnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Auftrag des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft bitte ich um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. Sie liegt Ihnen in der Drs. 6/3401 vor. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr für die Berichterstattung, Kollege Dr. Thiel. - Bevor wir in die Fünfminutendebatte eintreten, spricht für die Landesregierung Minister Herr Möllring. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erwähnt worden, seit

April 2014 haben wir ein neues Energiekonzept und befinden uns in der Umsetzungsphase. Ich darf in Erinnerung rufen, dass der Kern des Konzeptes eine künftige Energieversorgung ist, die auf erneuerbare Energien abhebt. Sie sind der Taktgeber für unsere technischen Systeme und das Marktdesign. Wir streben für das Jahr 2030 einen Anteil von 26 % erneuerbare Energien am Primärenergieverbrauch an. Ebenso spielt die Energieeffizienz eine gewichtige Rolle.

Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft war daher über die Stoßrichtung des Antrages etwas überrascht. Die meisten Vorschläge waren so oder ähnlich über alle Entwurfsstadien hinweg im Energiekonzept enthalten.

Kurz zur Umsetzung des Energiekonzeptes. Viele der im Energiekonzept beschriebenen Projekte liefen bereits zum Verabschiedungszeitpunkt und werden weiter vorangetrieben. Gerade die Plattform und Dikussionsforen mit Energiefachleuten des Landes haben wir bisher als sehr gewinnbringend empfunden. Unter den Projekten sind auch einige Studien, deren Erarbeitung unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Nach deren Fertigstellung bietet es sich an, diese in den Fachausschüssen zu erörtern.

Zum Beispiel befindet sich die Potenzialstudie zu den erneuerbaren Energien auf der Zielgeraden. Das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt möchte die Studie noch im November 2014 vorstellen. Ein weiteres großes Studienvorhaben ist die Energieeffizienzpotenzialstudie, die von der Landesenergieagentur Lena koordiniert wird. Hierbei stehen wir allerdings noch am Anfang.

Schlussendlich sind die Positionierungen im Energiekonzept unser Wegweiser in der Tagespolitik. Wenn es im Bund um die Neugestaltung des EEG oder des Strommarktdesigns geht, sichern wir eine aus der Sicht des Landes Sachsen-Anhalt konsistente und zukunftsorientierte Gestaltung des Energiesystems.

Wie vom Kabinett beschlossen, werden wir im April 2016 ausführlich über den Umsetzungsstand des Landesenergiekonzeptes berichten. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Herrn Rosmeisl, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte ein. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Landesenergiekonzept wurde von der Landesregierung Anfang 2014 beschlossen. Seine Er

arbeitung ist legislatives Handeln und somit Aufgabe der Landesregierung. Insofern war der Antrag der GRÜNEN, in den Erstellungsprozess einbezogen zu werden und Inhalte einzubringen, ein legitimes Unterfangen.

Heute geht es vordergründig darum, diesen formal laufenden Prozess zu beenden - aus gutem Grund. Die Landesregierung hat das Landesenergiekonzept beschlossen, daher ist die Grundlage für den Antrag nicht mehr vorhanden, der Antrag ist erledigt.

Nicht erledigt sind jedoch die Themen, die das Landesenergiekonzept betreffen. Dazu kann ich Ihnen, Frau Frederking, versichern, dass wir hier im Hause noch oft darüber reden werden.

Meine Damen und Herren! Man kann trefflich darüber streiten, wie bestimmte Passagen und Aussagen im Landesenergiekonzept zu bewerten sind. Dass wir hier im Hause unterschiedliche Meinungen zum Beispiel zur Braunkohle haben - übrigens nicht nur zwischen den Fraktionen -, dürfte hinlänglich bekannt sein.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, welche Aufgabe hat ein Landesenergiekonzept? Welche Aufgabe hat unser Landesenergiekonzept? - Es ist ein strategisches Papier, das alle Belange, die das Zukunftsthema Energie in unserem Land tangieren, zusammenbringen muss. Es soll die Schwerpunkte definieren, die für unser Land zukünftig von Bedeutung sind. Die wesentlichsten sind Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit.

Diesen Anforderungen hat sich die Landesregierung gestellt und hat sie in das Landesenergiekonzept einfließen lassen. Auch wenn ich persönlich nicht mit allen Einzelheiten mitgehe, bleibt mir, nachdem das Konzept durch die Landesregierung beschlossen wurde, Folgendes festzuhalten. Dabei bediene ich mich gern bei Frau Kollegin Hunger, die im Wirtschaftsausschuss am 22. Mai 2014 der Landesregierung ein Lob dafür ausgesprochen hat, dass eine wirkliche Überarbeitung des Konzepts erfolgt sei.

Es würde mich wahrlich freuen, wenn wir das Thema der Energiegewinnung und -versorgung weiterhin an geeigneter Stelle und mit der nötigen Tiefe erörtern würden. Möglichkeiten dafür tun sich regelmäßig auf, allein schon wenn man sich die dynamische Entwicklung sowohl auf der Gesetzes- als auch auf der Entwicklungsseite ansieht. So werden beispielsweise Änderungen im Zuge der letzten EEG-Novelle in den Ausschüssen thematisiert werden.

Meine Damen und Herren! Uns ist bewusst, dass wir damit, dass wir den Antrag für erledigt erklären, keine Einigkeit mit der Opposition erzielen, gerade was die einzelnen Punkte im Ursprungsantrag der

GRÜNEN betrifft. Abschließend ist jedoch festzuhalten, dass der Ursprungsantrag mit dem Beschluss des Landesenergiekonzepts erledigt ist. Deshalb haben sich sowohl der Wirtschaftsausschuss als auch der Umweltausschuss zu der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung entschlossen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu eben dieser. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Mormann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Frederking.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Ermahnung beginnen

(Herr Mormann, SPD: Oh!)

- ja - und uns die dramatischen Folgen des Klimawandels noch einmal vor Augen führen.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist aber nicht neu!)

- Neu ist aber, dass der Westantarktische Eisschild auseinanderbricht. Das ist neu. Davor hatten Klimaforscher seit den 70er-Jahren gewarnt. Der Eisschild ist instabil geworden und der unaufhaltsame Zerfall hat begonnen. Das ist ganz dramatisch; denn das wird den Meeresspiegel deutlich steigen lassen. Das ist ein historischer Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. Und das ist neu.

Im Jahr 2013 wurde wieder ein neuer Rekord beim CO2-Gehalt in der Atmosphäre gemessen. Aber noch gravierender ist: Bei der CO2-Zunahme von 2012 zu 2013 ist ebenfalls ein neuer Allzeitrekord aufgestellt worden. Noch nie hat der CO2-Gehalt in der Atmosphäre derart schnell zugenommen.

Auch die Versauerung der Weltmeere ist eine Bedrohung. Das, Herr Borgwardt, mag vielleicht nicht neu sein. Aber neu ist vielleicht auch für Sie, dass diese Versauerung mit hoher Geschwindigkeit voranschreitet - wie ein schleichendes Gift und hochgefährlich.

Und was passiert hier? - Laut Energiekonzept der Landesregierung soll der heutige CO2-Ausstoß pro Kopf von 11,7 t auf 12,5 t im Jahr 2030 steigen. Von ambitioniertem Klimaschutz kann also überhaupt keine Rede sein. Die CDU in Sachsen-Anhalt beschwört vollmundig die Renaissance der Braunkohle und lobt das Energiekonzept der Landesregierung, das von einem Kraftwerksneubau ausgeht und dafür die Kohleversorgung sicherstellen will, sprich einen neuen Tagebauaufschluss gestatten will - und das, obwohl es im Energiekonzept der Landesregierung an mehreren Stellen

durchaus kritische Aspekte zur Braunkohlenutzung gibt.

In dem Konzept wird darauf hingewiesen, dass Braunkohlekraftwerke nicht ausreichend flexibel sind, einen hohen Must-Run-Anteil haben und die Integration der erneuerbaren Energien erschweren. Außerdem wird die Klimaschädlichkeit der Braunkohle anerkannt. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus dem Energiekonzept.

Das dürfen Sie auch ohne meine Erlaubnis tun.

Ich dachte, ich muss nach der Geschäftsordnung danach fragen. - Ich zitiere von Seite 64:

„Bei Einpreisung der externen Kosten, beispielsweise des negativen Einflusses auf das Klima über CO2-Zertifikate, schwindet auch der finanzielle Vorteil der Braunkohle merklich.“

Ich halte fest: Richtige Analysen, doch die Schlussfolgerung ist katastrophal.

Der BUND hat in der letzten Woche eine Liste mit Braunkohlekraftwerken herausgegeben. Diese Kraftwerke sollen bis 2020 geschlossen werden, nur dann kann das CO2-Einsparungsziel von 40 % gegenüber dem Jahr 1990 noch erreicht werden.

Die grüne Bundestagsfraktion hatte schon ein ähnliches Konzept in den Bundestag eingebracht. Ich möchte jetzt nicht auf die Details eingehen. Aber so viel sei an dieser Stelle gesagt: Das wird der Weg sein, den wir gehen müssen; denn das ist die Zukunft: ein Ausstiegsplan für Braunkohlekraftwerke. Darauf sollten wir uns hier auch einstellen.

(Herr Borgwardt, CDU: Und was machen sie in Nordrhein-Westfalen? Was machen sie da? Da machen sie Kohle!)