Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon solche Kontingente auflegen, dann sind wir es den Menschen auch schuldig, so nicht mit ihnen umzugehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Warum haben wir noch einen Änderungsantrag auf den Weg gebracht? - Weil wir glauben, dass das, was die Fraktion DIE LINKE gefordert hat, richtig, aber nicht ausreichend ist. Wir haben hier den Punkt „humanitäre Hilfe“ außen vor gelassen, weil wir sagen: Die passiert schon, sie muss aber noch verstärkt werden; das ist völlig klar. Die internationale Gemeinschaft und die UN sind in der Pflicht, mindestens das zu tun und möglichst noch mehr.

Wir meinen, dass es wichtig ist zu erwähnen, was ich eben ausgeführt habe, nämlich die Flüchtlingskontingente so auszustatten, dass die Begünstigten beschleunigt aufgenommen werden können, damit sie auch ausgefüllt werden. Es geht nicht, dass wir ein Jahr nach Auflegung dieser Programme noch immer nicht die Zahlen voll haben, die wir den Leuten dort zur Rettung in Aussicht gestellt haben, meine Damen und Herren.

Der zweite wichtige Punkt ist - Sie haben ja um Ausschussüberweisung gebeten; dann gibt es eine konstruktive Beratung; dem stimmen wir natürlich zu -, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Menschen, die auf dem üblichen Fluchtweg hierherkommen, wenn sie aus Syrien und aus dem Nordirak kommen, weil sie dort vom IS bedroht wurden, nicht aufgrund der Dublin-III-Verordnung, durch eine bürokratische Verordnung, gleich wieder in andere europäische Länder abgeschoben werden, meine Damen und Herren. Das sind wir ihnen

schuldig. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zur Überweisung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herbst. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Abgeordnete Herr Kolze. Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion und ich sind tief betroffen von den schrecklichen Meldungen und Bildern, die uns seit den vergangenen Wochen und Monaten aus dem Irak und aus Syrien erreichen.

Mit dem Islamischen Staat hat sich eine Terrororganisation gebildet, die ein Ausmaß an Grausamkeit hervorbringt, das wir bisher nicht kannten. Nachdem bereits der syrische Bürgerkrieg Hunderttausende Zivilisten in die Flucht getrieben hat, hat sich die Sicherheitslage der Bevölkerung durch den IS noch weiter verschlechtert. Religiöse Minderheiten und all die anderen, die sich den Regeln und Gesetzen der islamistischen Terroristen nicht beugen wollen, werden auf grausamste Art und Weise gequält und ermordet.

Meine Damen und Herren! Nachdem der arabische Frühling zunächst leichte Hoffnung für die Zukunft des Nahen Ostens aufkommen ließ, sind all die daran geknüpften Erwartungen wieder verflogen. Mit dem Vormarsch des IS haben wir erneut eine humanitäre Katastrophe in der Region. Die gezielte Vertreibung der Jesiden war nur der Anfang.

Der Islamische Staat drängt in immer weitere Bereiche vor und bedroht mit dem Vorrücken an die türkische Grenze nun auch einen Nato-Partner. Allein in der Region Kobane hatten etwa 200 000 Menschen Zuflucht vor Bürgerkrieg und Terror gesucht. Mit der Eroberung des Gebietes wird die gesamte Region vor neue Herausforderungen gestellt. Uns allen hier ist klar, dass die Nachbarstaaten diese Probleme nicht allein lösen können.

Die Bundesregierung hat daher die Erweiterung der humanitären Hilfe zugesagt. Der Bund hilft bereits vor Ort mit mehr als einer halben Milliarde Euro. Am 28. Oktober wird außerdem auf einer Konferenz in Berlin mit 40 internationalen Partnern die Erweiterung und Verbesserung der humanitären Hilfe verhandelt. Deutschland ist also keineswegs untätig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derzeit wird bundesweit diskutiert, ein weiteres Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus dieser Region mit einem bestimmten Aufnahmekontingent festzulegen. Ich möchte an dieser Stelle an das besondere Engagement Deutschlands erinnern. Die bundes

weite Aufnahme von syrischen Flüchtlingen wurde in einem dritten Bundesprogramm auf insgesamt 20 000 erhöht. Über 6 000 Flüchtlinge sind bereits eingereist. Bund und Länder arbeiten mit Hochdruck an einer zügigen Umsetzung der bisherigen Verfahren.

Zusätzlich zu der Aufnahmeanordnung gibt es Aufnahmeprogramme für Verwandte hier lebender Syrer. Für rund 5 500 Angehörige wurden dabei die erforderlichen Einreisevisa erteilt.

Zunächst einmal sollten die bestehenden Flüchtlingskontingente ausgeschöpft werden. Vergessen wir bitte auch nicht, dass es daneben noch das geregelte Asylverfahren gibt.

Ich sehe derzeit eine Hauptaufgabe darin, die Flüchtlinge vor Ort in der Region zu versorgen. Verschließen Sie auch nicht die Augen davor, dass es bereits jetzt erhebliche Probleme gibt, alle Asylbewerber und Flüchtlinge in den Kommunen unterzubringen. Wer die pauschale flinke Forderung zur Aufnahme von weiteren Flüchtlingen erhebt, der muss auch sagen, wie man die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen will.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Wir nehmen nach Kräften Asylbewerber und Flüchtlinge auf. Es ist aber niemandem geholfen, wenn wir uns durch neue Forderungen überfordern.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Es ist mir auch wichtig zu betonen, dass unser Bundesland keine Alleingänge bei der Aufnahme von Flüchtlingen unternehmen kann, sondern dass hierbei in bewährter Weise in enger Zusammenarbeit mit anderen Ländern und im Einklang mit dem Bund und vor allem auch mit den anderen EU-Mitgliedstaaten agiert werden muss.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Hierzu bedarf es zunächst einer Verständigung über das weitere Vorgehen auf der Ebene der Innenminister und -senatoren in Bund und Ländern. Wir sollten diese zunächst abwarten und uns im Innenausschuss eingehend berichten lassen.

Bitte vergessen Sie auch nicht, dass die Flüchtlingssituation nicht allein durch Deutschland bewältigt werden kann. Deutschland kann nur seinen Beitrag leisten, und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, tun wir auch.

Auch Sachsen-Anhalt leistet dabei seinen Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen, die aufgrund von Aufnahmeaktionen des Bundes und der Länder oder aufgrund von Resettlement-Abnahmen im Rahmen einer Abstimmung auf EU-Ebene hierher gelangt sind, und wird damit seiner humanitären Verantwortung gerecht. Gefordert aber, meine

Damen und Herren, ist die gesamte Weltgemeinschaft.

Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Antrages in den Ausschuss für Inneres und Sport für die weiteren Beratungen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Der Kollege Gallert würde Sie gern etwas fragen oder intervenieren.

Das kann man so oder so sehen. - Ich will mich jetzt nicht um den Kern des Antrages kümmern. Mich hat vielmehr eine Formulierung von Ihnen veranlasst, mich zu melden, und zwar als Sie gesagt haben, dass der IS-Terror jetzt auch die Grenzen eines Nato-Staates bedroht. Das kann man so sehen. Aber dann muss man ehrlicherweise dazu sagen, dass gerade dieser Nato-Staat leider alles dafür tut, diese IS-Terroristen zu unterstützen, und zurzeit die militärischen und politischen Gegner, nämlich die Kurden, bombardiert. Da sage ich jetzt einmal: Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Quade das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, ruhig und gelassen bleibe ich an dieser Stelle und bei diesem Thema nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin ausführlich darauf eingegangen, dass wir uns sehr viel weiter gehende Beschlussfassungsvorschläge hätten vorstellen können und dass wir uns sehr bewusst auf - - Negativ formuliert wären es Allgemeinplätze, die aber zumindest konkrete Schritte möglich machen und zumindest das politische Zeichen aussenden würden, dass wir etwas tun wollen, dass das Land Sachsen-Anhalt die Notwendigkeit sieht, hier humanitäre Hilfe zu leisten, und die Bundesregierung auffordert, dies nicht allein - das hat kein Mensch gesagt, natürlich nicht -, sondern im Verbund mit anderen europäischen Ländern, mit anderen Industrieländern zu tun.

Ich hätte eine Beschlussfassung heute für möglich gehalten, da dies - ich habe es erwähnt - auch in Bremen durchaus möglich war. Dort waren sich alle Fraktionen einig, auch SPD und CDU. Ich finde

es schade, dass dieses politische Signal, das ich für sehr wichtig gehalten hätte - im Übrigen auch für die hier lebenden Kurdinnen und Kurden -, heute nicht aus dem Landtag ausgesendet wird. Ich bedauere das.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich verweigere mich aber natürlich nicht der Ausschussüberweisung, wenn das hier mehrheitlich anders gesehen wird.

Zur Hilfe vor Ort und zum Widerspruch zwischen Hilfe vor Ort und Hilfe hier. Ich habe es gesagt: Nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner Fraktion steht das keineswegs in einem Widerspruch. Beides ist notwendig und das eine bedingt das andere. Wer vor Ort helfen will, muss natürlich humanitäre Hilfe leisten, und zwar mit Finanzleistungen, mit Lebensmitteln, mit medizinischer Versorgung, mit Hilfe, die vor Ort geleistet wird. Aber er muss eben auch eine Entlastung über die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa schaffen. Das geht nicht nur in Deutschland. Das geht auch nicht nur in Sachsen-Anhalt. Das geht nur in einem europäischen Verbund; das ist völlig klar. Genau das ist ja das, was der Antrag fordert.

Ich habe ausdrücklich auch das bisherige Engagement und die bisherige Leistung gewürdigt. Ich habe auf die Aufnahmeprogramme hingewiesen. Es ist nicht so, dass mich das nicht interessiert. Ich sagte dies in der ersten Rede, ich sage es noch einmal: Die sind gut, die sind notwendig, aber die reichen eben nicht.

Geregelte Verfahren gibt es in Deutschland. Die gibt es aber eben nur für diejenigen, die es hierher schaffen. Für die Menschen, die in Kobane, die im Irak, die in Syrien, die in der Türkei leben und flüchten mussten, sind die Bezeichnung „geregeltes Verfahren“ und der Verweis auf geregelte Verfahren wohl ein Hohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine kleine Korrektur, weil der Minister noch einmal auf die Aufnahmekapazitäten der ZASt einging. Bei meinem letzten Besuch im Juli dieses Jahres teilte uns der Leiter der ZASt drei verschiedene Berechnungsmodelle mit, was die Kapazität angeht: 663 Plätze bei einem Platzanspruch von 6 m² pro Person, 768 Plätze bei einem Platzanspruch von 5 m² pro Person und 562 Plätze bei einem Platzanspruch von 7 m² pro Person. Auch mit 200 neu geschaffenen Plätzen sind das keine 1 000 Plätze. Dies stellt zudem - das will ich an der Stelle noch einmal deutlich sagen, weil es der Minister ins Feld geführt hat - die Aussage im Innenausschuss, keine weiteren Mittel im Jahr 2015 und 2016 für den Ausbau der ZASt eingestellt zu haben, deutlich infrage.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich sagte es: Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist in unseren Augen völlig in Ordnung. Das sind richtige Punkte und es gehört dazu. Deswegen würde ich ihn schlichtweg übernehmen. Da ja eine Überweisung angekündigt worden ist, haben wir die Chance, darüber zu debattieren und im Ausschuss zu beraten.

Worum ich bitten würde - auch mit Blick auf den vorangegangenen Tagesordnungspunkt und auf bisherige Erfahrungen im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen Antrag und tatsächlicher Beschlussempfehlung -, wäre eine ganz schnelle Beratung im Innenausschuss, sobald es möglich ist, um tatsächlich wirksam werden zu können. Wenn das aber am Ende nicht gewünscht ist, dann legen Sie doch bitte auch die Beschlussempfehlung, die das eben nicht vorsieht, schnell vor. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Quade. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Es hat klar Überweisungswünsche gegeben. Das würde bedeuten, dass wir sowohl den Antrag der Fraktion DIE LINKE als auch den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ausschuss für Inneres und Sport überweisen. Wer stimmt diesem Überweisungsantrag zu? - Das ist das ganze Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit sind die Anträge überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 14 ist damit erledigt.