Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Ein Punkt, bei dem wir als Koalition natürlich nicht mitgehen können, ist das Bashing gegen die Landwirte. Deswegen wollten wir auf jeden Fall einen Änderungsantrag formulieren. Daher haben wir auch nicht „Landbewirtschaftung“ in unseren Änderungsantrag geschrieben, sondern „Lebensbedingungen“.

Man darf aber natürlich nicht unter den Tisch kehren - der Kollege Weihrich hat es schon gesagt -, dass auch andere Fragen bei der Erhaltung des Rotmilans eine Rolle spielen, unter anderem die Frage der Windkraftanlagen.

Man muss dazu vielleicht wissen - das sage ich für die Kollegen, die das im Ausschuss nicht verfolgen konnten -, dass von den 90 toten Rotmilanen, die in den Jahren von 2002 bis 2007 an Windkraftanlagen gefunden wurden, allein 28 in SachsenAnhalt gefunden wurden. Das ist ein negatives Zeichen für die Verbreitungsdichte, die wir hier

haben. Das wirft natürlich einige Fragen auf. Das darf aber nicht dazu führen, dass der schwarze Peter jetzt der Regionalplanung zugeschoben und gesagt wird, jetzt muss die Regionalplanung an den Rotmilan angepasst werden. Ich glaube, das ist ein etwas weiteres Feld.

Ich möchte darauf verweisen, dass wir eine Strategie zum Erhalt der Artenvielfalt im Land haben. Darin sind als Verantwortungsarten 19 Arten festgeschrieben. Ich glaube - ohne dass ich das jetzt hier näher begründen kann -, es sind einige Arten dabei, denen es mindestens genauso schlecht geht wie dem Rotmilan, die aber nicht so vorzeigbar wie der Rotmilan sind, wenn ich zum Beispiel an den Stengellosen Traganten denke.

Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Wir werden das Thema weiterhin behandeln. Wir unterstützen auch das Vorgehen nach dem Bundesforschungsprogramm und wollen uns die Ergebnisse im Ausschuss ansehen, um anschließend darüber zu beraten, welche Schlussfolgerungen wir daraus für die Art Rotmilan ziehen können. Wir wollen das dann in einem Kompetenzzentrum umsetzen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch daran erinnern, dass wir noch 18 andere Arten haben, mit denen wir uns beschäftigen müssen und für die wir besondere Verantwortung tragen, und natürlich auch noch weitere Arten, die ebenfalls gefährdet sind und bei denen wir uns künftig um den Artenschutz kümmern müssen. Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stadelmann. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Dr. Köck. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Damit ich den Rotmilan nachher nicht vergesse, stecke ich ihn lieber gleich in die Tasche. - Danke.

(Herr Dr. Köck, DIE LINKE, hält einen auf dem Rednerpult liegenden Karton hoch und steckt ihn in seine Jackentasche - Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn SachsenAnhalt einen Wappenvogel brauchte, dann könnte es nur der Rotmilan sein. Das hat Herr Weihrich bereits gesagt. Er wäre zudem viel schnittiger als der brandenburgische rote Adler oder der dicke Bundesadler.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das stimmt!)

Die beiden entspringen auch nur der Heraldik, der Rotmilan dagegen dem wahren Leben. Er ist aus

Fleisch und Blut und hat wie Sachsen-Anhalt ein demografisches Problem.

Es ist nicht neu, dass sein Bestand seit Jahren immer mehr zurückgeht. Setzt sich der Abwärtstrend auf der Bestandskurve fort, dürfte der Rotmilan etwa um das Jahr 2025 in Sachsen-Anhalt ausgestorben sein.

Der Rotmilan ist ein ausgeprägter Zugvogel, er kehrt aber regelmäßig in sein Brutgebiet zurück, im Gegensatz zu den meisten Landeskindern, die weggezogen sind.

(Herr Borgwardt, CDU: Das sind Vergleiche! Mensch, Leute!)

- Ja, ja. - Neben den Gefahren auf dem Zug, wo ihm im Mittelmeerraum noch immer illegal mit der Flinte nachgestellt wird, fordern auch Windräder und der dichter gewordene Verkehr mehr Opfer als früher. Der Rotmilan ist ein ausgeprägter Suchflieger. Er patrouilliert auf der Suche nach Verkehrsopfern an den Straßen und gerät dann selbst unter die Räder. Hinzu kommen sich vermehrende Raubsäuger.

Obwohl der Rotmilan in der Kulturlandschaft etwa 25 Jahre alt werden kann, werden nur 75 % der Vögel älter als fünf Jahre. Werden die erhöhten Verluste nicht durch hohe Geburtenraten kompensiert, bricht der Bestand in absehbarer Zeit zusammen. Da nicht zu erwarten ist, dass die Verlustursachen wegfallen werden, bedarf es eines ansonsten optimalen Lebensraumes.

Um diesen zu erreichen, reicht es meines Erachtens nicht aus, sich von einer EU-Förderperiode zur nächsten zu hangeln. Auch ein FünfjahresErsteinrichtungsprogramm für Hecken nützt dem Rotmilan wenig, wenn es nicht verstetigt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Spätestens seit dem Jahr 2000, in dem der Rotmilan zum Vogel des Jahres ausgerufen wurde, werden die aktuelle Bestandsentwicklung und die Lebensraumqualität regelmäßig im Landtag abgefragt. Überwog anfangs das Bagatellisieren von Problemen, scheint sich die Landesregierung etwa seit dem Jahr 2010 des Ernstes der Lage durchaus bewusst zu sein. Vor diesem Hintergrund ist auch der vorliegende Antrag zu verstehen.

Unverständlich sind mir allerdings die Retuschen, die die Koalitionsfraktionen darin vorgenommen haben. So wird der „enorme Handlungsbedarf“, von dem in dem Antrag der GRÜNEN die Rede ist, zum „Handlungsbedarf“ herabgestuft. Der Landtag stellt nur noch Allgemeinplätze fest statt konkreter Sachverhalte. Die Landesregierung wird nicht zum Handeln aufgefordert, nein, man sagt: Bitte, bitte.

Nicht das gebetsmühlenhafte Wiederholen der bisher ergriffenen Maßnahmen ist erforderlich, son

dern eine Analyse dazu, welche Maßnahmen erfolgreich waren und warum, oder aus welchen Gründen sie nicht zum Erfolg geführt haben.

Seit dem Abschluss des Hakel-Projekts sind sieben Jahre vergangen. Ich denke, es wäre höchste Zeit für eine Evaluierung. Der Entwurf eines Managementplans für das EU-SPA und das FFHGebiet Hakel liegt seit dem Jahr 2012 vor. Was hindert an seiner Verabschiedung? - Die Kollegen Bauern, hieß es seinerzeit. Ist das heute noch immer so?

Warum nicht ein Artenhilfsprogramm auflegen, das alle Erkenntnisse zusammenfasst und Maßnahmen bündelt, wie in der Rhön? - Aus meiner Sicht muss nicht die Beratung der Landwirte im Fokus stehen, sondern die Landwirte müssen neben dem Landschaftspflegeverband direkt an den populationsfördernden Maßnahmen beteiligt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das in dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen erwähnte Bundesprogramm läuft bereits seit dem Jahr 2013. Sachsen-Anhalt ist mit zwei Teilprojekten vertreten. Mit welchen? Richtig deutlich war das, was der Minister gesagt hat, nicht. Das Hakel-Projekt wird jedenfalls nicht fortgeführt. Es wird etwas Neues gemacht. Diesmal beackert ein im Elbtal ansässiger Landschaftspflegeverband das Terrain. Mir scheint, die Bewegung ist hierbei das Entscheidende und der Rotmilan nur noch Mittel zum Zweck. Das ist schade. Das hat der stolze Vogel nicht verdient. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Weihrich, GRÜNE)

Danke, Herr Dr. Köck. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Bergmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zur Mittagszeit der Rotmilan. Lieber Herr Kollege Köck, wir müssen erst einmal etwas klären. Zu Beginn Ihrer Rede sagten Sie, der Rotmilan wäre als Wappenvogel viel schnittiger als der brandenburgische rote Adler.

Ich habe im Internet eine Seite geöffnet: „Neues Deutschland“ von 2010. Dort steht ganz klar: Der rote Adler ist gar kein Adler; denn es handelt sich um den Rotmilan, den die Brandenburger meinen, wenn sie vom roten Adler singen. Das müssen wir noch klären.

Fakt ist: Der Rotmilan ist weder ein Adler, noch ist er ein geeignetes Wappentier für Brandenburg - wenn, dann für Sachsen-Anhalt, keine Frage.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Roter Milan!)

Ansonsten ist mir in Deutschland kein Adler bekannt, der in irgendeiner Weise rot ist, außer in dem einen oder anderen Wappen, aber keiner, der draußen herumfliegt. Egal.

(Herr Lange, DIE LINKE: Aber silbern und blau!)

Der Rotmilan ist dennoch ein gutes Beispiel für die Identifikation mit der Region, aus der man kommt. Anders als in der heutigen Gesellschaft, wo viele meinen, wir könnten auf die eine oder andere Art verzichten, konnte man sich früher über die Arten, über eine gewisse Kenntnis der Natur eben auch mit der Region identifizieren, in der man wohnte. So gesehen halte ich die Debatte, die wir heute führen, für völlig korrekt.

Herr Kollege Weihrich, falls es Sie interessiert: Vielen Dank dafür, dass Sie die Debatte hier angestoßen haben, dass Sie den Antrag gestellt haben. Ich halte ihn für berechtigt, aber ich habe natürlich auch bestimmte Kritikpunkte.

Sie selbst haben ausgeführt, dass wir große Probleme mit den Arten in der Agrarlandschaft haben. Es wäre passend gewesen, einen umfassenden Antrag zu stellen, in dem diese Dinge berücksichtigt werden. Gut, Sie haben gesagt, sie machen es plakativ. Ich darf für die Koalitionsfraktionen heute schon einmal ankündigen, dass wir für die nächste Landtagssitzung einen Antrag stellen werden, hier über die Fledermauspopulation in Sachsen-Anhalt insgesamt zu debattieren. Wir halten auch das für ein spannendes und notwendiges Thema.

(Herr Borgwardt, CDU: Und die Brücken, über die sie laufen! Die Fledermausbrücken!)

- Es geht nicht um die Brücken!

(Herr Borgwardt, CDU: Das weiß ich!)

Es geht um den Zustand der Population. Über viele Dinge, die hier - ich muss es leider so sagen, Herr Kollege - oft zur Erheiterung beitragen, muss heute aus der Sicht des Natur- und Umweltschutzes zwingend debattiert werden.

Es ist auch völlig richtig - ich nenne ein paar weitere Aspekte -, dass die Kompensationsmaßnahmen in vielen Bereichen, zum Beispiel bei den Windparks, beim Rotmilan leider gar nicht greifen. Es ist oft schwer, gute und exakte Maßnahmen zu entwickeln. Deswegen haben wir in unserem Konzept den Vorschlag gemacht, ein Großprojekt zu entwickeln, das sich aus verschiedenen Eingriffen speisen könnte, um wirklich etwas für den Rotmilan zu erreichen.

Ich sage Ihnen auch eines, auch wenn das nicht hundertprozentig deckungsgleich ist und nicht unmittelbar miteinander zu tun hat: Ich glaube, dass wir in puncto Windkraft und Rotmilan einiges erreichen könnten, wenn wir den etwas verstreuten

Windkraftanlagenwald in Sachsen-Anhalt ein wenig in bestimmte Bereiche dirigieren würden. Dafür brauchen wir aber - es ärgert mich, dass der Kollege Scheurell nicht hier ist - eine gute Regelung zum Repowering im Landesentwicklungsgesetz.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Frau Weiß, CDU: Ha, ha!)

Dann reden wir auch mit dem Bund Deutscher Rotmilane und tragen ihn in das Lobbyregister ein. Und dann reden wir noch einmal über diese Situation im Großen und Ganzen.

Kompetenz zum Rotmilan ist im Land vorhanden. Den Vorschlag der GRÜNEN, ein Kompetenzzentrum für den Rotmilan einzurichten, wollten wir jetzt nicht unbedingt aufgreifen, weil wir gesagt haben, es gibt ein Kompetenzzentrum. Es gibt das Heineanum in Halberstadt. Dort läuft eine sehr gute Ausstellung zur Thematik Rotmilan. Ich glaube, dass Dietmar Weihrich kein Problem damit hat, wenn wir dies nutzen und das Heineanum dadurch vielleicht vonseiten des Landes unterstützen und stärken können.