Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

(Zustimmung von Herrn Knöchel, DIE LIN- KE)

Deshalb ist Aufklärung wichtig. Und es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass auch die CDU daran aktiv mitwirkt.

Eines möchte ich noch anmerken: Am 31. Mai 2015 soll die Neuwahl des Stendaler Stadtrates stattfinden. Ich würde mir wünsche, dass die Aufklärung der Vorwürfe, auch durch die Staatsanwaltschaft, nicht bis zu diesem Termin andauert. Es muss Klarheit darüber bestehen, wer kriminell gehandelt hat und wer nicht und wer unschuldig ins Visier geraten ist und deshalb eine Entlastung braucht, um auch wieder ruhig schlafen zu können.

Die Wähler in Stendal - und nicht nur dort - brauchen die Sicherheit vor Betrug und Wahlfälschung. Ansonsten brauchen wir uns nicht über eine geringe Wahlbeteiligung und über Politikverdrossenheit zu wundern.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Demokratische Wahlen sind ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Das Vertrauen darin ist zumindest in Stendal erschüttert. Versuchen wir gemeinsam, es wiederherzustellen. „Ich war doch nur ein Bote“ - dieses Zitat ist symptomatisch für das Verhalten der CDU Ändern Sie Ihr Verhalten! Eine griechische Phrase sagt: Der Fisch stickt vom Kopfe her. - Herzlichen Dank.

(Starker, langanhaltender Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Es liegen zwei Wortmeldungen vor. - Herr Abgeordneter Güssau, möchten Sie eine Nachfrage stellen oder eine Intervention machen? - Außerdem hat Herr Schröder eine Intervention angekündigt. - Herr Güssau, haben Sie eine Frage oder möchten Sie intervenieren?

(Herr Güssau, CDU: Eine Frage!)

- Dann zunächst Herr Güssau mit einer Frage und dann Herr Schröder mit einer Intervention.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Tögel, lieber Tilman, bevor ich meine Frage stelle, möchte ich für das Protokoll erklären, dass mich diese Wahlmanipulation bei der Briefwahl in Stendal tief erschüttert hat. Ich persönlich, aber auch die CDU in Stendal, wir distanzieren uns nachdrücklich von diesen Vorgängen. Ich möchte, dass das auch so zur Kenntnis genommen wird. Wir erwarten eine zügige und lückenlose Aufklärung.

Und ich habe es jetzt in einem zweiten Redebeitrag erfahren, dass die meisten Informationen sie aus der Zeitung entnehmen. Ich habe immer den Eindruck, das haben sie wahrscheinlich bis 1989 verinnerlicht, das stand doch in der Zeitung und dann muss das alles so richtig sein.

(Frau Budde, SPD: Jetzt hört es aber auf hier! - Zuruf: Dann werden wir mal die Bio- grafien heraussuchen! - Herr Gallert, DIE LIN- KE: Aber das können Sie ihm doch nicht vor- werfen! - Weitere Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Nun komme ich zu meiner Frage. Lieber Tilmann, ich weiß, dass du ein lustiger Kerl bist. Das bin ich selber auch. Aber bei dem Thema wird es nicht lustig; denn das ist ein sehr ernstes Thema. Die CDU in Stendal mehrfach so zu betiteln, ob nun bei „Facebook“ oder in der Zeitung, und zu sagen, sie sollte sich umbenennen in - Zitat von dir - die „Camorra von der Uchte“ - du hast es in deinem Redebeitrag erwähnt -, das hat mich persönlich stark erschüttert.

Ich möchte, dass du dich noch einmal dazu erklärst, ob du wirklich ernsthaft meinst, dass Mitglieder der CDU in Stendal zu einer kriminellen Vereinigung zählen, und ob du als Landtagsabgeordneter der ersten Stunde diesen Vergleich aufrechterhältst und meinst, dass das angemessen war, dass das sachgerecht war und dass das der richtige Umgang mit diesem Thema ist.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Das hätte ich gern von dir, lieber Tilman, gewusst.

Lieber Harry, ich habe es mir mit diesem Redebeitrag und mit diesem ganzen Thema nicht leicht gemacht. Das ist ein Thema, das mich sehr bewegt. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass in diesem Landtag irgendwann überhaupt einmal zu einem solchen Thema geredet werden muss und dass sogar ich dazu reden muss. Ich finde das, was dort passiert ist, erschütternd.

Ich fange einmal hinten an, mit dem CamorraVergleich. Ich habe ausdrücklich gesagt und geschrieben - das ist überall nachzulesen -, dass das * Absatz gemäß Entscheidung des Präsidenten nach § 83 Abs. 2 Satz 2 GO.LT geändert

ein Vorschlag ist. Dem muss ja nicht gefolgt werden.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Erkläre mir bitte den Unterschied zwischen einer von mir sarkastisch gemeinten Äußerung, die auch als solche gekennzeichnet ist, und der Aussage von Holger Stahlknecht, in der er Wolfgang Kühnel als „Paten von Stendal“ bezeichnet hat. Ich erkenne darin keinen Unterschied.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich sehe auch keine Notwendigkeit, mich an dieser Stelle von diesem sarkastisch gemeinten Vorschlag zu distanzieren. Ansonsten akzeptiere ich es natürlich, dass sich die CDU von diesen Vorgängen distanziert. Ich hoffe, dass die aufrechten Mitglieder der CDU sich auch tatsächlich dagegen aussprechen und dagegen vorgehen. Aber bis heute ist tatsächlich nicht bewiesen, wer außer dem bisher bekannten Holger G. darin unter Umständen noch verstrickt ist.

Es gibt von mir keine Äußerung, mit der ich irgendeine Person beschuldige, sondern nur Äußerungen, die tatsächlich die Fragen dazu aufwerfen. Diese sind - das ist richtig - zum Teil aus der Zeitung, weil ich den Eindruck habe, dass die Zeitungen diejenigen sind, die im Moment am aktivsten an der Aufklärung beteiligt sind, aktiver als manche kommunale oder Landesbehörde. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Es gibt zwei Wortmeldungen. - Bevor wir jedoch weitermachen: Lieber Tilman Tögel! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nach den 25 Jahren, in denen ich in diesem Haus sitze, wirklich überlegt, ob ich in diesem Amt und von diesem Stuhl aus einen Ordnungsruf erteilen muss. Ich kenne dich und ich schätze dich als Demokraten, insbesondere auch mit deiner persönlichen Biografie.

Aber niemand von uns sollte sich Demokrat und gleichzeitig Organisationen von demokratischen Parteien in einem Atemzug mit kriminellen Banden nennen, die mit Mord, Erpressung und Totschlag zusammenhängen. Das war sicherlich lustig gemeint und hat mit deiner Verärgerung zu tun. Wenn wir uns aber gegenseitig pauschal so titulieren, als kriminelle Vereinigungen - ohne Widerspruch! -,

(Frau Grimm-Benne, SPD: Der Präsident sollte unabhängig bleiben! - Frau Budde, SPD: Genau! Der Präsident sollte unabhän- gig bleiben!)

dann sollten wir vorsichtig sein und hinterfragen, ob das wirklich so gut ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Das gilt für alle.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Ja! - Frau Budde, SPD: Dann hätte er es aber auch schon vorher sagen können!)

Jetzt folgen Herr Schröder und dann Frau Dr. Paschke.

Ich denke, zu dem Zitat von Herrn Tögel hat der Landtagspräsident die richtigen Worte gefunden.

Ich möchte gern für meine Fraktion noch etwas sagen. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns bei einer Aktuellen Debatte zu diesem Thema noch einmal mit der - ich es sage einmal so - geschichtlichen Darstellung zu dem Thema der Rolle von Blockparteien in der DDR auseinandersetzen müssen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Das haben wir ja noch nie gemacht! - Herr Gallert, DIE LIN- KE: Das war Herr Modrow! Das haben Sie verwechselt!)

Ich denke, der Ruf nach Aufklärung hat nichts mit Geschichtsklitterung zu tun. Der Blockflötenlegende ist aus meiner Sicht

(Herr Tögel, SPD: Keine Legende!)

energisch zu widersprechen, und zwar aus folgenden Punkten:

Ich verweise darauf, dass die CDU im Osten Deutschlands in der ersten Funktionärsebene nach der Gründung Verfolgungen, Nachstellungen und Diffamierungen, teilweise bis in den Freitod getrieben, ausgesetzt war und erst dann die Gleichschaltung innerhalb dessen, was man als Nationale Front bezeichnet hat, erfolgte - die erste Funktionsträgergeneration und wie sie behandelt wurde.

Die Gleichschaltung der CDU in der sogenannten Nationalen Front als freiwillige oder ideologisch gewollte Kooperation zu bezeichnen ist eine falsche Darstellung der geschichtlichen Wirklichkeit.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ach ja! - Herr Knö- chel, DIE LINKE: Ist aber praktiziert wor- den!)

Der Machtanspruch der SED in einem Staat, der sich als Diktatur des Proletariats bezeichnete, lässt keinen Platz, die Ost-CDU als Profiteur einer solchen nicht gewollten Gleichschaltung darzustellen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Warum haben Sie es dann ge- macht?)

Nicht selten haben die einfachen Mitglieder der CDU in der ehemaligen DDR ihre Mitgliedschaft als eine Nische empfunden, um in einer DDR leben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihre beruflichen Vorstellungen verwirklichen zu können, ohne eine SED-Mitgliedschaft eingehen und damit eine Verbundenheit mit dem System zum Ausdruck bringen zu müssen.

(Unruhe bei der LINKEN)

Darüber hinaus entstammt die überwiegende Zahl der Mitglieder der CDU in Sachsen-Anhalt Neueintritten nach 1990. Wir sollten es uns gegenseitig nicht antun, immer wieder in diese alte Legende zu verfallen.

(Beifall bei der CDU - Herr Höhn, DIE LIN- KE, lacht - Herr Gallert, DIE LINKE: Das war mir schon immer alles klar!)

Es gibt jetzt noch zwei Wortmeldungen: von Frau Kollegin Dr. Paschke und von Tilman Tögel.

Nach diesen Ausführungen des Vorsitzenden der CDU-Fraktion ist meine Frage sehr lapidar, aber ich stelle sie trotzdem.