Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

Durch Projekte wie zum Beispiel „SiKomFan“ - „Mehr Sicherheit im Fußball - Verbesserung der Kommunikationsstrukturen und Optimierung des Fandialogs“ - sollen die Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessert werden. Der HFC, die Stadt Halle und die Polizeidirektion Süd sind Teilnehmer dieser Studie.

Da die Kommunikation mit Teilen der gewaltbereiten und Gewalt suchenden Fanszene jedoch bisher nicht zielführend war, werden außerdem in den länderübergreifenden Gremien auch Möglichkeiten zur Intensivierung der polizeilichen Maßnahmen gegenüber Gewalttätern geprüft und konzeptionell erarbeitet.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage und das von mir eben Vorgetragene machen deutlich, dass Gewalt im Fußball, insbesondere von Fans ausgehende Gewalt, auch in Sachsen-Anhalt ein Thema darstellt. Wir gehen davon aus, dass weiterhin ein intensives Bemühen aller Netzwerkpartner erforderlich ist, um der Gewalt beim Fußball zu begegnen. Hierbei sind der Sport, die Gesellschaft und die Politik gemeinsam gefordert. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Webel. - Für die SPDFraktion spricht nun der Herr Kollege Born. Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN soll Anlass zur Besorgnis hinsichtlich des Ausmaßes an Gewalt und Diskriminierung geben und zielt darauf ab, Maßnahmen hinsichtlich der Verhinderung bzw. Eindämmung festzulegen und zu ergreifen.

Die Antwort der Landesregierung beschreibt auf 47 Seiten sehr umfänglich und differenziert die Tatbestände hinsichtlich der angefragten Problematik in unserem Bundesland und vermittelt dem Betrachter das ausdrückliche Gefühl, dass dieses Reizthema in Sachsen-Anhalt angemessen Beachtung findet und entsprechende Gegenmaßnahmen erfolgen.

Solange es sportlichen Wettstreit gibt, so lange ist er begleitet von Konkurrenzdenken, und solange es Konkurrenz gibt, ist diese begleitet von Fairness und Unfairness. So wie sich der Sport - oder auch der Fußballsport - verändert hat, so hat sich auch die Art der Menschen verändert, ihren Unmut bzw. ihre Respektlosigkeit gegenüber dem sportlichen Mitstreiter, dem Schiedsrichter oder den gegnerischen Fans auszudrücken.

Somit beschreibt der Inhalt der Großen Anfrage zum Thema Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Gewalt im Fußballsport genau diese nicht neuen Methoden des Ausdrucks von Missbilligung und Respektlosigkeit gegenüber andersdenkenden oder anders handelnden Personen oder Personengruppen in unserer Gesellschaft.

So wie sich unsere Gesellschaft in ihrer Zusammensetzung geändert hat, so haben sich auch handelnde Personen und Personengruppe in und um den Fußballsport herum verändert. Trugen frühere deutsche Fußballweltmeister Namen wie Walter, Rahn, Schäfer, Eckel oder 20 Jahre später Beckenbauer, Müller, Maier, Breitner und wiederum später Matthäus, Klinsmann, Völler, Brehme, so finden wir beim neuen deutschen Fußballweltmeister des Jahres 2014 mittlerweile Namensgebungen wie Jérôme Boateng, Miroslav Klose, Lukas Podolski, Sami Khedira oder Mesut Özil. Manch einer weiß gar nicht, wie diese Namen geschrieben werden. Es sind deutsche Nationalspieler mit ausländischen oder zumindest teilweise ausländischen Wurzeln.

Dieses Phänomen finden wir aber nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern im gesamten Bereich des Fußballsports, von der Kreis- bis hin zur Bundesliga.

(Zustimmung von Herrn Wunschinski, CDU)

Die aktiven Fußballer der Gegenwart entstammen unterschiedlichen Nationen, haben unterschiedliche Hautfarben und haben auch unterschiedliche Neigungen. Was für die aktiven Sportler gilt, gilt auch für den passiven Teil, der am Prozess beteiligt ist, nämlich für die Zuschauer bzw. für die Fans. Auch diese Personengruppe ist anders zusammengesetzt, als sie es noch vor 40 Jahren war.

Nun stellt sich dem neutralen Betrachter die Frage, ob diese Veränderung in der Zusammensetzung von Personengruppen ausschlaggebend dafür ist,

dass sich Gewalt und Diskriminierung auf Sportplätzen und in Fußballstadien wiederfinden, oder ob dies nur bedingt zutrifft. Mit Sicherheit bietet der von mir aufgezeigte Veränderungsprozess genügend Nährboden für Diskriminierung und schafft Raum für die Neuausrichtung dieser Diskriminierung.

Da ich selbst seit fast 40 Jahren Fußballveranstaltungen von der Kreisklasse bis hin zur Bundesliga besuche oder auch im Fernsehen verfolge, teilweise unbewusst, aber in den letzten 20 Jahren auch sehr bewusst diese Entwicklung und auch die negativen Randerscheinungen mitbekomme, erlaube ich mir, festzustellen, dass es Gewalt, Gewaltandrohungen und Delikte hinsichtlich Diskriminierungen gerade im Fußball schon immer gab. Das muss uns nicht beruhigen und damit möchte ich das Thema auch nicht herunterspielen.

Die Quantität hat sich nur unwesentlich verändert und ist nach meinem Dafürhalten mit dem dazu gewonnenen Maß an Freiheit begründet. Aber die Qualität, die Form bzw. die Ausdrucksform der Gewalt hat sich wesentlich verändert. Waren es vor einigen Jahrzehnten hauptsächlich noch Tiernamen oder Tierbezeichnungen, welche verwendet wurden, um im Alltag oder auch im Fußballstadium sein Missfallen auszudrücken, so hat sich der Sprachschatz in der Umgangssprache, aber auch in der Angriffssprache, in der Beleidigungssprache und der Diskriminierungssprache verändert.

Vermehrt werden heutzutage Begriffe aus der Abteilung „untere Schublade“ verwendet, um seinen Unmut zur Situation auszudrücken. Dabei finden sich auch rassistische, antisemitische und homophobe Äußerungen wieder. Aber auch die Verwendung von Bezeichnungen der Sexualorgane spielt keine untergeordnete Rolle. Das, lieber Herr Striegel, haben Sie in Ihrer Großen Anfrage vergessen.

Dass der Fußballsport davon besonders betroffen ist, liegt in der Natur der Sache. Im Fußballsport finden wir eine männerorientierte Milieustruktur. Der Großraum von Fußballfeldern und Fußballstadien bietet die Möglichkeit des Entfaltens. Hier ist Raum für Zusammenrottung und Entfaltung. Keine untergeordnete Rolle spielt hierbei sicherlich auch die Möglichkeit des Genusses von Alkohol, mal mehr, mal weniger, und die damit verbundene Überschreitung von Hemmschwellen.

Damit ich richtig verstanden werde: Ich fordere hiermit nicht das Verbot von Alkohol in Fußballstadien bzw. auf den Sportplätzen unserer Kreisligen, sondern will nur am Rande bemerken und darauf aufmerksam machen, dass dieser Aspekt in dem Bericht der Landesregierung keine Berücksichtigung fand. Aber wir finden das beschriebene Phänomen beim Fußball häufiger vor als beim Schach oder bei der rhythmischen Sportgymnastik.

In meinem persönlichen Umfeld sind rassistische und antisemitische Äußerung eher die Ausnahme, ihre Häufigkeit geht gegen Null. Wenn überhaupt, dann vernimmt man homophobe Wortmeldungen. Ich merkte bereits an, dass derartige Schimpfwörter wie „Schwuchtel“ im alltäglichen Sprachgebrauch verschiedener Personengruppen heutzutage leider tief verankert sind und nicht unbedingt nur bei Sportveranstaltungen zu hören sind.

Das Problem der Diskriminierung im Fußball im Amateurbereich liegt auch in der gesellschaftlichen Aufgabe für das Gemeinwesen und der Bildung sozialer Kompetenzen der Sporttreibenden und der Sportler. Es herrscht ein Zwiespalt zwischen Gruppendynamik und Gemeinschaft auf der einen Seite und Abgrenzung von anderen Vereinen, Teams und Fans auf der anderen Seite.

Das erlebte Hochgefühl als Teil einer Gruppe kann schnell, vor allem bei bildungsfernen Schichten, zum Ventil privater und persönlicher Probleme werden und seinen Ausdruck in Gewaltbereitschaft und diskriminierendem Verhalten finden. Der Taumel von sportlichem Erfolg oder von sportlicher Niederlage ist nicht selten Anlass für Emotionen, die leider auch in leidenschaftlichen Äußerungen, wie sie beschieben wurden, enden können.

Hierbei das Maß und die Form einzuhalten gelingt leider nicht Jedem. Das Problem liegt jedoch nicht wirklich beim Fußball oder beim Sport. Fußball ist nur ein gesellschaftlicher Bereich, über den die Abwertung gegenüber Ausländern, Homosexuellen oder auch Juden meines Erachtens überproportional oft in die Öffentlichkeit getragen wird, weil hier der Schutz der Gemeinschaft bzw. das Verweilen unter Gleichgesinnten die Hemmschwelle senkt.

Gewalt, Rassismus und Diskriminierung im Fußball, im Sport und im Alltag sind Ergebnis fehlender Bildung und Aufklärung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Für diese Aufklärung und Bildung sind auch wir verantwortlich, jeder von uns, an jedem Ort, zu jeder Zeit. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Sport frei!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Kollege Born. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun der Abgeordnete Herr Loos. Er hat eine Redezeit von neun Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewaltsamen, antisemitischen, rassistischen und homo

phoben Anfeindungen und Übergriffen, ganz gleich ob nun verbaler oder physischer Natur, gilt es in allen Lebensbereichen entschieden entgegenzuwirken, so auch im Sport.

(Beifall bei der LINKEN)

Bedauerlicherweise kommt es aber gerade im Sport und besonders im Fußball immer wieder zu Ausschreitungen, bei denen Menschen zu Schaden kommen. Dieses Phänomen ist nicht auf Sachsen-Anhalt beschränkt, sondern bundesweit zu beobachten. Dies kann und darf jedoch nicht bedeuten, dass man es als eine dazugehörige Gegebenheit hinnimmt.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Nein, es ist notwendig, zu schauen, wie im Einzelnen und vor allem mit welchem Erfolg in SachsenAnhalt versucht wird, dieser Entwicklung entgegenzutreten und sie aktiv zu bekämpfen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In den letzten Jahren wiesen die Fallzahlen zwischen den Straftaten beim Fußball und denen bei allen anderen Sportarten starke Unterschiede auf. Diese Zahlen sind in der Antwort zur Großen Anfrage nachzulesen. Ich möchte eine Zahl herausgreifen: Im letzten halben Jahr sind beim Fußballverband Sachsen-Anhalt neun Vorfälle von Diskriminierungsdelikten gemeldet worden. Aus diesem Grund sah sich die Polizei dazu gezwungen, die Vorkommnisse im Bereich Fußball gesondert zu erfassen.

Im Rahmen von Fußballspielen kommt es besonders häufig zu Delikten wie Körperverletzung, Raub, Landfriedensbruch, Bedrohungen und Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte. Zu bemängeln bleibt jedoch der Fakt, dass politisch rechts motivierte, rassistische, homophobe, antisemitische und menschenfeindliche Übergriffe dabei nicht separat gelistet werden. Daher ist man bei der Recherche darauf angewiesen, mittels Freitexteingabe im Datenbestand des polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystems nach Zufallstreffern zu suchen. An dieser Stelle besteht nach meinem Erachten Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Es bedarf konkreter Daten, um konkrete Maßnahmen ergreifen zu können. Auch bei der dritten und vierten Fußballliga, bei der Oberliga und bei den Kreisligen sind diese Dinge zu betrachten.

Zu begrüßen ist unter anderem ein Projekt des Deutschen Fußballverbandes. Dabei erfassen die Schiedsrichter in den elektronischen Spielbögen in jedem Meldebogen jegliche Vorkommnisse, die sie entweder selbst bezeugen können oder die ihnen gemeldet worden sind. Diese Maßnahme ist sinn

voll und zielführend, wenn es darum geht, unter anderem eine verlässliche Datenbasis zu erhalten, auf deren Grundlage man erkennen kann, ob vorhandene Gegenmaßnahmen greifen und an welchen Stellen gegebenenfalls noch mehr getan werden muss. Dazu ist es entscheidend und zwingend notwendig, das Datenmaterial auszuwerten und explizite Handlungsschritte festzulegen und zu kontrollieren.

Aber auch die Vereine sind gefordert. Sie sollten in ihren Satzungen und Platzordnungen klar Stellung nehmen. Eine Formulierung könnte beispielsweise wie folgt lauten: Der Verein tritt rassistischen, fremdenfeindlichen, sexistischen und homophoben Einstellungen und Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder und Gäste, die dagegen verstoßen, haben die Veranstaltung zu verlassen. - Der 1. FC Magdeburg hat bereits reagiert und seine Stadienordnung umfassend überarbeitet.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Sport vertritt besondere Werte, wie Fairness, Toleranz und Zusammenhalt, und muss die Prävention und Intervention ernst nehmen. Das stellt auch der Landessportbund in seiner Stellungnahme klar. Wie sieht denn aber nun die konkrete Präventionslage im Land Sachsen-Anhalt aus?

Der Landessportbund verweist auf zwei zentrale Projekte: das Mut-Projekt und eine Initiative der Sportjugend Sachsen-Anhalts, die sich insbesondere der Bekämpfung sexualisierter Gewalt widmet.

Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion, und ich hoffe, auch im Namen des gesamten Hauses, für die engagierte Arbeit beider Projekte bedanken.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Das Mut-Projekt wirbt schon per se für das Ziel: Menschlichkeit und Toleranz. Es wurden in den letzten Jahren unter anderem 43 Demokratietrainerinnen ausgebildet. Das Projekt erhält seit dem Jahr 2011 Zuschüsse durch das Land und ist Teil des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Das Projekt wendet sich an haupt- und ehrenamtliche Vereinsmitglieder, die im Rahmen des Projektes geschult und sensibilisiert werden, um antidemokratische und extremistische Tendenzen zu erkennen und darauf entsprechend zu reagieren.

Wenn man sich die Projektinhalte anschaut, dann ist zu erkennen, dass sehr viel Aufbauarbeit geleistet werden muss. Es sollen Netzwerke zur Aufklärung und Sensibilisierung gegen Extremismus im Sport aufgebaut werden. Eine Beratungs- und Unterstützungsstruktur soll etabliert werden. Nicht

zuletzt soll ein verbandsspezifisches Konzeptes für den Fußballverband Sachsen-Anhalt erarbeitet werden. Leider fehlen fundierte Erhebungen darüber, inwiefern das Mut-Projekt bereits Wirkung zeigt bzw. greift.

Schätzungen genügen nicht, um argumentativ arbeiten zu können. Umso befremdlicher ist es, dass die Landesregierung die Mittel der Kofinanzierung für dieses Projekt von 200 000 € auf 150 000 € gesenkt hat, zumal die Wichtigkeit des Projektes, an der auch sicher kein Zweifel besteht, von ihr immer wieder hervorgehoben wird. Hinzu kommt, dass der Förderzeitraum am 31. Dezember 2016 endet. Wird die begonnene Arbeit dann fortgesetzt? - Der Landtag sollte schnellstmöglich ein klares Zeichen zur Weiterführung dieses Projektes setzen.