Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

Natürlich gibt es viele Vergleiche. Diese haben Sie in Ihrer Darstellung auch angeführt. Ich habe mir die fachlichen Hinweise zu den §§ 11 bis 11b des SGB II, die auf das zu berücksichtigende Einkommen Bezug nehmen, ausgedruckt. Das ist ein dicker Wälzer. Das ist eine komplizierte Sachlage und es sind viele verschiedene Fälle dabei zu berücksichtigen.

Unser Leben ist bunt und die verschiedenen Fassetten werden dort berücksichtigt. Aber es soll doch eine klare Abgrenzung der Erwerbstätigkeit von der ehrenamtlichen Tätigkeit gesehen werden.

Mit Blick auf die Anrechnung der Pauschale von 200 € erlaube ich mir den Hinweis, dass mit dem neuen Erlass des Innenministeriums gerade die Aufwandsentschädigung und die daraus resultierenden Pauschalen im kommunalen Bereich - in Ihrem Antrag sind die ehrenamtlichen Bürgermeis

ter und Stadträte genannt - angehoben worden sind, um das politische und kommunale Ehrenamt entsprechend zu würdigen.

Die Grenze von 200 € ist schnell überschritten. Ich denke dabei an die ehrenamtlichen Bürgermeister und Ortsbürgermeister, die ganz schnell über diese Schwelle von 200 € kommen. Über diese Schwelle hinausgehende Beträge sollten nicht per Beleg exakt nachgewiesen werden müssen; denn es gilt der Grundsatz, dass die Erstattung von Auslagen und der Ersatz des Zeitaufwandes pauschal vergütet und nicht spitz abgerechnet werden sollten; damit der Verwaltungsaufwand reduziert wird.

In Anbetracht der wirklich komplizierten Gesetzeslage, die Grundlage einer solchen Darstellung ist, denke ich, dass das Thema wirklich diskussionswürdig ist. Wir werden darüber heute nicht abschließend entscheiden können. Ich bitte deshalb darum, diesen Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales und zur Mitberatung an den Innenausschuss zu überweisen. Vielleicht können wir die Differenzen im Ausschuss beseitigen und gemeinsam eine Lösung finden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Schindler. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Meister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, beim Lesen des Antrages als Antragsziel eine Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in unserem Land zu erkennen, insbesondere im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Darüber hinaus werden die Bereiche Sport, Feuerwehr und Katastrophenschutz erwähnt.

Einer aktuellen Studie zufolge sind in Deutschland insgesamt rund 13 Millionen Menschen ehrenamtlich aktiv. Der Anteil freiwillig Engagierter variiert allerdings in den Bundesländern erheblich. In Baden-Württemberg betrug der Anteil freiwillig Engagierter im Jahr 2009 rund 41 %; in Sachsen-Anhalt lag er leider nur bei 26 %. Wir haben in diesem Bereich die rote Laterne und sollten versuchen, sie loszuwerden.

Ich glaube, über alle Fraktionen hinweg besteht Einigkeit darin, dass bürgerschaftliches Engagement elementar für unsere Gesellschaft ist und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt.

In unserem Alltag begegnet uns das Engagement auf Schritt und Tritt. An der Spitze steht der Einsatz im sportlichen Bereich. Ein Anteil von 16 % der Ehrenamtlichen ist als Übungsleiter tätig. Im kirchlichen und religiösen Umfeld sind 13 % der Ehrenamtlichen tätig. Im Bereich Kultur und Musik

sind 10 % der Ehrenamtlichen tätig. In politischen Initiativen - hierzu gehören auch Gemeinderäte - sind 9 % der Ehrenamtlichen tätig. Ein Anteil von 8 % engagiert sich im Rahmen von sozialen Tätigkeiten.

Selbstverständlich wollen wir auch das ehrenamtliche Engagement von Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II, von ergänzendem Arbeitslosengeld II, von Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Grundsicherung im Alter. Der Zeitaufwand für ehrenamtliche Aufgaben ist laut dem Statistischen Bundesamt bei nicht erwerbstätigen Erwachsenen mit insgesamt knapp 5,5 Stunden sogar am höchsten; allerdings liegt die Beteiligung dieser Personengruppe mit einem Anteil von 16 % klar unter dem bei den Vollzeitbeschäftigten und insbesondere bei den Teilzeitkräften. Eine Stärkung der Attraktivität des Ehrenamtes kann also hilfreich sein.

Im Bereich der Tätigkeiten in Stadt-, Kreis- und Gemeinderäten ist darüber hinaus in besonderer Weise auf die Arbeitsfähigkeit der Gewählten zu achten. Die Begründung des Antrages schildert entsprechende Probleme.

Wie ist die derzeitige Regelung? - Wer als Leistungsempfänger in einem Sportverein oder in der Kommunalpolitik eine pauschale Aufwandsentschädigung für sein Amt erhält, kann davon 200 € anrechnungsfrei behalten. Sind die Aufwendungen belegbar höher - meine Vorredner sind darauf bereits eingegangen - können Leistungsbezieher den Nachweis führen, um eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II zu vermeiden.

Nach der aktuellen Gesetzeslage werden gemäß § 11b des SGB II bei Leistungsbeziehern die Einnahmen aus einem Ehrenamt gegenüber den Einnahmen aus einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich privilegiert, da für letztere ein Freibetrag von lediglich 100 € gilt.

Vor diesem Hintergrund blickte ich etwas ratlos auf den vorliegenden Antrag. Mir ist aus der Formulierung nicht klar geworden, was konkret geändert werden soll. Unter Punkt 1 fordern Sie eine bestimmte Anerkennung durch den Landtag. Mir ist nicht klar, welche Rechtswirkung es entfalten soll, wenn der Landtag an dieser Stelle etwas anerkennt.

Die unter Punkt 2 angesprochene Regelung - der Minister ist darauf eingegangen - erfordert meiner Meinung nach eine Änderung im SGB II. Da dies das Bundesrecht betrifft, sind wir nicht der richtige Ansprechpartner. Wenn man den Anrechnungsfreibetrag erhöhen oder sonstige Änderungen im SGB II herbeiführen wollte, dann wäre der Bundestag die richtige Adresse hierfür. Wie Sie sicherlich wissen, gab es diesbezüglich im Jahr 2011 bereits drei Initiativen, sowohl Ihrer als auch meiner Bundestagsfraktion.

Trotzdem habe ich den Ausführungen von Herrn Grünert, die sehr detailreich waren - es ist eine sehr komplexe Materie - entnommen, dass Sie konkrete Vorhaben im Auge haben, die Sie auch in Sachsen-Anhalt umsetzen wollen. Mir ist nur nicht klar, wie wir das mit dem Antrag in seiner jetzigen Form realisieren können.

Insgesamt meine ich auch, dass das Thema „Stärkung des Ehrenamtes“ wichtig ist. Ich freue mich daher, dass auch meine Vorrednerin eine Überweisung des Antrages beantragt hat. Das hätte ich auch getan. Auch ich meine, dass der Antrag an die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Inneres und Sport überwiesen werden sollte, wobei dem Sozialausschuss die Federführung übertragen werden sollte. Wir werden uns den Antrag in den Ausschüssen ansehen und werden sehen, ob wir Verbesserungen erreichen können. - Danke schön.

Vielen Dank, Herr Meister. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion der Herr Kollege Rotter. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe hier als arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher und muss mich mit einem innenpolitischen Thema befassen

(Minister Herr Stahlknecht: Das ist doch et- was Schönes!)

- das ist durchaus etwas Schönes -, das durchaus interessant ist, aber auch recht kompliziert und komplex. Ich musste beim Lesen des Antragstextes der Fraktion DIE LINKE feststellen, dass ich mich des Eindrucks nicht ganz erwehren konnte, für diesen Antrag eine gewisse Sympathie zu empfinden.

(Oh! bei der LINKEN)

Auch der Begründungstext schien mir in weiten Teilen schlüssig zu sein.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Das ist er auch! - Herr Henke, DIE LINKE: Vorsicht!)

Dies begründet sich vielleicht darin, dass ich, wie viele von Ihnen auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitglied in einem Stadt-, Gemeinde- oder Kreisparlament bin. Ich glaube deshalb einschätzen zu können, mit wie viel Aufwand, auch finanzieller Art, diese ehrenamtliche Tätigkeit verbunden ist.

Ich kann mir jedoch schlecht vorstellen, den mit dieser Tätigkeit anfallenden Mehraufwand von den knapp bemessenen Mitteln aus dem ALG-II-Bezug bestreiten zu müssen. Dennoch kenne ich einige Kolleginnen und Kollegen in den genannten Kommunalparlamenten, die das täglich tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie so oft liegt auch bei diesem Antrag der Teufel im Detail. Nach einer intensiveren Beschäftigung mit dieser Thematik kann man feststellen, dass einige der angeführten Punkte bereits einer Regelung unterzogen sind. Andere zur Änderung vorgeschlagene Regelungsinhalte entziehen sich hingegen unserer Regelungskompetenz.

Der Minister ist in seinen Ausführungen meiner Meinung nach recht ausführlich darauf eingegangen. Ich möchte deshalb an dieser Stelle auf eine Wiederholung und eine weitere Kommentierung, die mir sicherlich durchaus schwerer fallen würde als meinen Kolleginnen und Kollegen Vorrednern, verzichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von diesen Tatsachen abgesehen, kann ich jedoch feststellen, dass viele der in diesem Antrag und auch in den bereits gehaltenen Redebeiträgen erwähnten Sachverhalte durchaus einer intensiveren Erörterung bedürfen und mit Sicherheit auch einige daraus resultierende interessante Fragen aufwerfen.

Aus den genannten Gründen wäre es nach der Auffassung meiner Fraktion durchaus wünschenswert, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales und zur Mitberatung an den Innenausschuss und den Finanzausschuss zu überweisen, um sich dort intensiver mit dieser Thematik zu befassen. Vielleicht ist es möglich, die eine oder andere Regelung zu finden oder zu verbessern, um es Menschen, die sich im Regelkreis des SGB II befinden, zu ermöglichen, eher oder leichter eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube fest daran, dass es sowohl das Ehrenamt als auch die Menschen in unserem Land wert sind, dass wir uns dieser Aufgabe stellen. Ich beantrage deshalb seitens meiner Fraktion wie auch meine Vorredner die Überweisung des Antrages an die von mir oben genannten Ausschüsse. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Rotter. - Herr Grünert hat noch einmal das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche dem Minister ungern, aber er hat zwei inhaltliche Fehler gemacht. Zum einen bezieht sich die Frage der Anrechnung auf § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Er unterstellt eine Zweckbindung. Da das Sitzungsgeld bisher angerechnet worden ist, wir aber eine Umstellung auf eine Pauschale haben, verkehrt sich das praktisch in

Gegenteil. Die Pauschale wird eben nicht mehr als zweckgebunden angesehen. Damit unterliegt sie der Anrechnung.

Zum anderen gibt es für ALG-II-Empfänger keine pauschale Freistellung. Das heißt: Jeder Euro, den sie durch die Aufwandsentschädigung beziehen, wird faktisch angerechnet. Sie haben keine Steuerfreigrenze. Das ist genau der Punkt. Wenn es eine Steuerfreigrenze auch für ALG-II-Empfänger gäbe, dann hätten sie die Chance, sich mit diesen Mitteln die Grundlagen zu schaffen, damit sie in ihrer Vertretungskörperschaft agieren können usw.

Zum Beispiel sind Parkkosten nicht anrechnungsfähig. Deswegen haben viele Vertretungen gesagt: Okay, wir geben eine Pauschale, dann kann der Mandatsträger damit machen, was er will und auch seine Parkkosten abrechnen, wie er will, solange er diese Pauschale nicht überschreitet.

Das Kernproblem ist Folgendes - deswegen ist es auch so brisant -: Wenn ich also bei der Tätigkeit für die Freiwillige Feuerwehr unterstelle, dass ich, bevor ich ausrücke, prüfen muss, ob ich dem Abzug nach dem Regelsatz des SGB II unterliege, dann stellt sich für mich die Frage nach der Einsatzfähigkeit ganz anders.

Dann überlegt nämlich der Kollege - das machen sie Gott sei Dank nicht -: Gehe ich nun raus? Lasse ich mir den Regelsatz kürzen? Oder mache ich es nicht?

Ich denke, an dieser Stelle greift genau das, was der Landtag beschlossen hatte, indem er sagte, das Ehrenamt ist hoch einzuschätzen, weil es wichtige Funktionen in dieser Gesellschaft übernimmt. Deshalb sollten wir prüfen, ob die Möglichkeit besteht.

Ich sehe noch nicht einmal, dass an der Stelle eine Korrektur des SGB II erforderlich ist; vielmehr sehe ich den Regelungsbedarf auf der Landesebene. Wir müssten sagen, jawohl, mit der Kommunalverfassung regele ich, dass die Aufwandsentschädigung tatsächlich zweckgebunden ist, und zwar für den Mandatsauftrag. Ich glaube nicht, dass sie dann dem Regelsatz unterliegt, weil nämlich dieser Regelsatz im Bereich des § 11a Abs. 3 Satz 1 genau auf diese Zweckbindung abhebt.

Ich bin dafür, dass wir uns im Ausschuss damit sachkundig auseinandersetzen, weil ich denke, dass es die im Hartz-IV-Bezug befindlichen ehrenamtlich Tätigen verdient haben,

(Beifall bei der LINKEN)

dass ihre Arbeit genauso anerkannt wird die Arbeit derer, die einer geregelten Arbeit nachgehen können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Damit kommen wir zur Abstimmung. Es sind klare Wünsche hinsichtlich der Überweisung formuliert worden. Federführend soll der Ausschuss für Arbeit und Soziales und mitberatend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein.

(Zuruf: Und Finanzen!)