Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

Darf ich Sie nur noch mal daran erinnern, was wir in Deutschland in den Jahren 2008 und 2009 während der Krise gemacht haben? - Wir haben Konjunkturpakete geschnürt, Abwrackprämien gezahlt und das Kurzarbeitergeld eingeführt. Kurzum: Es

war das komplette Gegenteil dessen, was wir den Griechinnen und Griechen zumuten.

Ich prophezeie Ihnen, dass die Kursänderung der neuen griechischen Regierung das Land, Europa und seine gemeinsame Währung stabiler machen wird.

(Herr Leimbach, CDU: Ja, Volkswirtschaft wäre nicht schlecht, nicht nur Populismus!)

Was will die griechische Regierung? - Die Regierung wird erstens Essensmarken verteilen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie; allein das zeigt doch schon, wie sehr Ihr Kurs gescheitert ist.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Sie will Reiche zweitens endlich vernünftig besteuern.

(Frau Feußner, CDU: Da bin ich gespannt! - Unruhe)

Ich frage Sie: Warum hat Ihre Bundeskanzlerin das nicht zur Auflage gemacht? Die Troika konnte genau bestimmen, wie viele Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden und wie stark der Mindestlohn abgesenkt wird. Aber warum konnte nicht ein Steuersatz für die griechischen Oligarchen festgelegt werden? Das ist doch absurd.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU - Unruhe)

Die griechische Regierung will drittens die Korruption, die Steuerhinterziehung und den Schmuggel bekämpfen. Warum muss eigentlich erst die Linke in Griechenland kommen, um das zu erledigen? Was haben Ihre Schwesterparteien eigentlich 40 Jahre lang dort gemacht, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU - Unruhe)

Letztlich will und wird die neue Regierung den Griechinnen und Griechen Würde und Souveränität zurückgeben. Zukünftig wird die griechische Bevölkerung über ihre Geschicke wieder selbst bestimmen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das nennt man Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Weigelt, CDU)

Wer Europa ausschließlich als Währungsunion propagiert, so wie Sie es tun, der trägt Mitschuld daran, dass sich Menschen in ganz Europa von diesem Europa der Institutionen abwenden, von einem Europa ohne Wärme, von einem Europa, in dem Politik den Erwartungen der Finanzmärkte gerecht werden will, aber nicht denen der Bevölkerung.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Rosmeisl, CDU)

Das, was mit Griechenland in den vergangenen Jahren passiert ist, zeigt, dass wir ein massives Demokratiedefizit haben. Wir haben ein Demokratiedefizit, wenn nicht demokratisch legitimierte Institutionen in einzelnen Staaten Programme gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchdrücken können.

Wir haben ein Demokratiedefizit, wenn jede Regierung ökonomisch erpressbar ist, die eigene Wege ausprobieren möchte, die sich nachweislich untauglichen Rezepten verweigert.

(Herr Rosmeisl, CDU: Das ist jetzt unter Ih- rem Niveau!)

Über die von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, gepredigte Alternativlosigkeit haben die Menschen in Griechenland abgestimmt. Das ist zuallererst ihr demokratisches Recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Chaos und Gefahr entstehen daraus allerdings erst, wenn diese demokratischen Entscheidungen vor undemokratischen Strukturen keinen Wert mehr haben.

Syriza und die Linke in Europa setzen dieser Gefahr eine Vision entgegen, die Hoffnung auf einen demokratischen und ökonomischen Aufbruch in Europa. Nur mit einem solchen Aufbruch ist auch daran zu denken, dass Schulden überhaupt wieder zurückgezahlt werden können.

Diese Diskussion mag ja an weiten Teilen der Konservativen vorbeigehen, die öffentliche Debatte ist längst weiter. Ich möchte ein Beispiel dafür nennen. Ein Aufruf, den mittlerweile Tausende unterschrieben haben, lautet: Griechenland nach der Wahl - Keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa. Zu den Erstunterzeichnenden gehören die Spitzen von DGB, ver.di, IG BAU, EVG, NGG, GEW, IG BCE, IG Metall, führende Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, GRÜNE, Wissenschaftler und natürlich LINKE. Das Zitat erspare ich mir aus Zeitgründen. Lesen Sie es nach; Sie werden darin Ähnliches finden wie das, was Sie eben von mir gehört haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, mehr Demokratie, mehr Gerechtigkeit - das ist nichts, wovor man Angst haben muss, nicht in Europa, nicht in Deutschland und auch nicht in Sachsen-Anhalt.

(Herr Leimbach, CDU: Schuldenpolitik!)

Sie werden sehen, die Linke in der Regierung wird Griechenland und Europa gut tun.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nicht Ihnen! - La- chen bei der CDU - Herr Wunschinski, CDU: Da müssen Sie selber schmunzeln, Herr Höhn!)

- Wartet doch einmal den nächsten Satz ab. DIE LINKE in der Regierung wird ab 2016 auch Sachsen-Anhalt gut tun. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU - Herr Geisthardt, CDU: Mit der AfD zusammen! - Herr Lange, DIE LIN- KE: Da bin ich sehr gespannt, Herr Geist- hardt! - Herr Leimbach, CDU: Hochmut kommt vor dem Fall! - Herr Lange, DIE LINKE: Das passt in dem Fall! - Frau Dirlich, DIE LINKE: An die Nase fassen, und zwar die eigene!)

Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Erben.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der CDU, als ich am Dienstag zum ersten Mal den Antrag in den Händen hielt, fragte ich mich wie wahrscheinlich viele andere im Hohen Haus auch, was dieser soll.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Denn zur selben Stunde trifft sich in Berlin der Deutsche Bundestag; vielleicht hat er inzwischen auch schon abgestimmt.

(Herr Striegel, GRÜNE: Sachsen-Anhalt ist halt sehr wichtig!)

Er wird mit breiter Zustimmung die Griechenlandhilfen verlängern. Selbst die Fraktion DIE LINKE im Bundestag wird ihre griechischen Freunde diesmal nicht vor den Kopf stoßen und dem sogar mehrheitlich zustimmen.

Umso intensiver habe ich vorhin bei der Einbringung zugehört, um herauszufinden, was denn nun der aktuelle Bezug zu Sachsen-Anhalt ist. Ich weiß es immer noch nicht so ganz.

(Herr Henke, DIE LINKE: Wir auch nicht!)

Aber für mich und für uns als Sozialdemokraten ist eines klar: Sachsen-Anhalt war nicht das deutsche Griechenland; es ist nicht das deutsche Griechenland und es wird auch im Jahr 2016 und in den folgenden Jahren nicht zum deutschen Griechenland werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Frau Brakebusch, CDU)

Wahrscheinlich ging es Ihnen mit dem Antrag um die Feststellung, dass Stabilitätskultur - was das auch immer Detail heißen mag - in Europa wie in Sachsen-Anhalt wahrscheinlich nur durch die CDU

besorgt werden kann und ansonsten griechische Verhältnisse drohen.

(Frau Weiß, CDU: Das stimmt!)

- Frau Weiß sagt es jetzt so deutlich. Also war es offensichtlich auch so gemeint.

Ich glaube, wer griechische Verhältnisse heraufbeschwört, der macht es sich ein bisschen einfach. Denn wir müssen selbstkritisch feststellen - der CDU tut es genauso gut wie uns Sozialdemokraten -: Es waren unsere griechischen Schwesternparteien, die für die griechischen Verhältnisse in Gemeinsamkeit und manchmal auch in schöner Regelmäßigkeit gesorgt haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen, meine Herren! Zum Glück hat sich beim Thema Griechenlandhilfe am Ende auf beiden Seiten die Vernunft durchgesetzt. Denn auch wir Sozialdemokraten stoßen uns an den populistischen und in weiten Teilen unerfüllbaren Versprechen, mit denen Syriza die griechischen Parlamentswahlen gewonnen hat.

Auch wir Sozialdemokraten stoßen uns daran, dass sich Syriza ausgerechnet mit den Rechtspopulisten zusammengetan hat.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Doch die Regierung Griechenlands ist demokratisch gewählt und muss nun erst einmal ihre Chance erhalten, Reformen umzusetzen. Auch die für meine Begriffe etwas halbstark auftretenden Herren von der Syriza können nicht einseitig die getroffenen Vereinbarungen nach ihrem Belieben ändern. Auch die Regierungen in den anderen EULändern haben eine demokratische Legitimation von ihren Bevölkerungen erhalten.