Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

gonnen haben. Ich begrüße diese Bemühungen. Schon im Jahr 2013 hat mein Ministerium zur Unterstützung dieser Aktivitäten für die Förderperiode 2014 bis 2020 Mittel des Europäischen Sozialfonds beantragt, um zukünftig sogenannte niedrigschwellige Sprachkurse zur Vermittlung von Sprachgrundkenntnissen für typische Alltagssituationen fördern zu können.

(Zustimmung)

Das operationelle Programm unseres Landes, in dem diese Mittel beinhaltet sind, wurde im Dezember 2014 von der EU genehmigt. Eine endgültige Mittelfreigabe der EU ist aufgrund der andauernden Designierungsprüfung noch nicht erfolgt. Ich hoffe, dass die Freigabe schnellstmöglich erfolgen wird, um in den Aufnahmekommunen entsprechende Unterstützung leisten zu können.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch das mit ESF-Mitteln zu fördernde Projekt Willkommensbehörden meines Ministeriums. Mit diesem Projekt sollen alle Ausländerbehörden des Landes bei der Weiterentwicklung zu Willkommensbehörden unterstützt werden. Dies beinhaltet insbesondere die Verbesserung des Servicegedankens sowie die entsprechende Ausrichtung der Personalentwicklung, unter anderem im Hinblick auf die interkulturellen Kompetenzen.

(Zustimmung)

Was die dezentrale Unterbringung im Land angeht, so hat das Land bereits im Jahr 2013 in den Leitlinien für die Unterbringung und soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern die Empfehlung verankert, Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind frühzeitig und andere Personen nach Ablauf von drei Jahren in Wohnungen unterzubringen. Der Durchschnitt im Land liegt mittlerweile bei 60 %. Das ist eine unglaubliche Leistung, die wir bei der dezentralen Unterbringung gemeinsam geschultert haben.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Das zeigt, dass das Land die Kommunen bereits in vielfältiger Weise nachhaltig unterstützt. Es zeigt aber auch, dass die Kommunen, in diesem Fall die Landkreise, gemeinsam mit den Gemeinden und den kreisfreien Städten eine sehr gute Arbeit leisten.

Viertens. Unsere im Vergleich zu vielen anderen Staaten sehr weitreichende Praxis der Schutzgewährung lässt sich nur dann auf Dauer aufrechterhalten, wenn wir Fehlentwicklungen wirksam entgegentreten. Hierzu gehört, dass Menschen, bei denen das Asylverfahren ergeben hat, dass sie keinen humanitären Schutz benötigen, Deutschland regelmäßig wieder verlassen müssen und dass bestehende Ausreisepflichten notfalls, wenn keine freiwillige Ausreise erfolgt, auch konsequent durchgesetzt werden müssen.

Und das hat nichts mit Rassismus zu tun. Genau das ist die politische Dimension: Der Versuch, diejenigen, die auf der Straße fordern, dass das Recht konsequent angewandt wird, am Ende dadurch mundtot zu machen, dass man sie in die rechte Ecke drängt und desavouiert, ist es, der zu Frust innerhalb der Bevölkerung führt.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Leimbach, CDU: So ist es!)

Diese Gefahr besteht auch - gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte -, wenn man Menschen in zwei Klassen einteilt, wie Sie, Herr Gallert, es übrigens vorhin versucht haben, als Sie von - das ist nicht Ihre Meinung - nützlichen und nicht nützlichen Zuwanderern sprachen. Diese Diktion, Menschen in nützliche und nicht nützliche einzuteilen, halte ich - auch wenn es zum Zweck der politischen Auseinandersetzung geschieht - aufgrund unserer eigenen Geschichte für hochgefährlich.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Genau! Genau das ist das Problem! - Beifall bei der CDU)

Die großzügige Gewährung von Schutz für tatsächlich Schutzbedürftige und die Beendigung des Aufenthalts von Nichtschutzbedürftigen sind eben zwei Seiten einer Medaille.

Was passieren kann, wenn sich in einem Herkunftsland die Überzeugung verbreitet, das Asylverfahren lasse sich auch dafür nutzen, zu nicht asylrelevanten Zwecken dauerhaft nach Deutschland zuzuwandern, hat der eruptive Anstieg von Asylantragstellern aus dem Kosovo gerade in den letzten Wochen sehr deutlich gezeigt. Die Menschen sind hierhergekommen, weil sie dachten, nicht asylrelevante Fakten führen dazu, dass sie hierbleiben können.

Diesbezüglich mussten alle Innenminister gemeinsam - egal welcher politischen Farbe - entscheidend gegensteuern, damit wir denen, die wirklich schutzbedürftig sind, auch die Chance geben können hierzubleiben.

(Zustimmung bei der CDU)

Fünftens. Zuwanderung außerhalb eines Asylverfahrens wird immer der Steuerung bedürfen. Jeder Staat der Welt nimmt für sich das Recht in Anspruch, Zuwanderung zu regulieren - jeder Staat der Welt. Es gibt - um dies ganz deutlich zu sagen - auch in Deutschland kein Grundrecht auf Einwanderung. Ein solches Grundrecht gibt es nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Nur durch Steuerungsinstrumente wie das Visumverfahren kann gewährleistet werden, dass Zuwanderung so gestaltet werden kann, dass sie sowohl den wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Interessen als auch der Aufnahme- und Integra

tionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland Rechnung trägt.

Nach einer aktuellen Umfrage der Europäischen Kommission stehen 61 % der Deutschen einer weiteren Zuwanderung aus Drittstaaten ablehnend gegenüber. In anderen EU-Staaten sind die Vorbehalte ähnlich groß oder sogar noch größer.

Auch wenn wir jeder Form - an dieser Stelle sind wir uns einig, Herr Gallert - von Stimmungsmache und unbegründeten Ängsten mit Information und Aufklärung entschieden entgegentreten müssen, müssen wir die Sorgen in Teilen der Bevölkerung ernst nehmen. Wir können uns nicht von 15 000 Bürgern abkoppeln, die auf die Straße gehen. Ansonsten machen wir irgendwann Politik ohne Volk.

Dies schließt ein, dass ich mich mit einer regulierten Zuwanderung im Sinne eines Zuwanderungs- und Bleiberechts auseinandersetze und sage: Ein Bleiberecht für alle gibt es eben nicht.

Gleiches gilt für einen völlig unregulierten, das heißt von Steuerungsinstrumenten wie der Vorrangprüfung und dem Erlaubnisvorbehalt gänzlich befreiten Zugang zum Arbeitsmarkt für alle bereits aufhältigen Asylsuchenden und Geduldeten. Eine andere Frage ist, ob man bei diesen Steuerungsinstrumenten nachjustieren kann.

Ich könnte mir etwa bei der Vorrangprüfung für Asylsuchende und Geduldete Regelungen vorstellen, die es mit einer Länderöffnungsklausel - das ist auch ein Appell Richtung Berlin - ermöglichen, auf regionale Besonderheiten und Bedarfe des Arbeitsmarktes noch flexibler zu reagieren.

Sechstens. Damit komme ich zum Schluss. Sachsen-Anhalt ist und bleibt ein weltoffenes Land. Deshalb unternimmt die Landesregierung alles, um gemeinsam mit den hier lebenden Bürgerinnen und Bürgern eine Kultur des Willkommenheißens und der Anerkennung der Potenziale von Zuwanderern mit Migrationshintergrund zu schaffen. Allerdings dürfen wir im Gegenzug auch erwarten, dass diejenigen, die zu uns kommen, genauso wie wir deren Geschichte akzeptieren und deren Grundwerte akzeptieren, unsere Kultur akzeptieren und unsere Grundwerte akzeptieren und bereit sind, unsere Sprache zu lernen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

- Lieber Herr Striegel, ich höre Ihren Einwand. Ich sage Ihnen: Willkommenskultur und Integration, die mir wichtig sind, sind am Ende keine Einbahnstraße.

(Herr Striegel, GRÜNE: Dann müssen wir auch Sprachkurse anbieten! Das ist wichtig!)

- Ich habe gerade auf die Sprachkurse hingewiesen. - Das soll es gewesen sein. Zuwanderung ist ein Thema. Davon völlig losgelöst ist das, was

das Thema Asyl betrifft. Dort ist in Schutzbedürftigkeit und Nichtschutzbedürftigkeit zu unterteilen. Bei der Zuwanderung brauchen wir eine Veränderung und eine Anpassung an die Entstehung und an die wirtschaftliche Entwicklung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Frau Quade und Frau Professor Dalbert haben sich gemeldet. - Bitte, Frau Quade.

Herr Minister, Sie sagten Ihrer Rede, dass es aus Ihrer Sicht unzulässig oder nicht richtig sei, die Menschen, die auf die Straße gehen, um die konsequente Anwendung geltenden Rechts zu fordern, in die rechte Ecke zu stellen. Bei welchen Demonstrationen ist dies Ihrer Meinung nach der Fall? Wo gehen Ihrer Meinung nach Menschen auf die Straße, um die konsequente Anwendung geltenden Rechts zu fordern? Wo sehen Sie das?

Frau Quade, unter den 15 000, 10 000 Menschen, die auf die Straße gehen und gegangen sind, sind Menschen aus der bürgerlichen Mitte, ganz normale Menschen, die nichts anderes erwarten, als dass wir denen Schutz geben, die schutzbedürftig sind, aber auch denjenigen, die kein Schutzbedürfnis haben, am Ende sagen: Ihr habt Deutschland wieder zu verlassen. Das ist eine Forderung.

Ich sage noch einmal: Ich teile nicht die Parolen nicht und ich würde dort auch nicht mitdemonstrieren. Aber wenn man politisch Verantwortung trägt - nicht nur als Minister, sondern egal in welcher Fraktion man ist -, hat man eine Verantwortung dafür, sich mit denjenigen auseinanderzusetzen, die da draußen demonstrieren. Dann kann man die Fragen stellen, die Herr Gallert gestellt hat: Wie tue ich das? Rede ich mit denen? - Aber alle über einen Kamm zu scheren - das haben Sie nicht getan -, indem man sie alle in die rechte Ecke stellt, führt uns nicht weiter.

Ich kann Ihnen das auch bildhaft darstellen. Man hätte sich in Dresden theoretisch auch auf die Brühlschen Terrassen setzen können, hätte sich das ansehen können und hätte auf die Demonstranten zeigen und sagen können: Die sind alle rechts und alle doof. Das geht aber an der Lebenswirklichkeit komplett vorbei.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Quade hat eine Nachfrage.

Herr Minister, woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Menschen, die Sie meinen, die Ihrer Meinung nach für eine konsequente Anwendung geltenden Rechts auf die Straße gehen, dies unter der Führung eines Neonazis

(Oh! bei der CDU)

und unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ tun?

(Zurufe von der CDU)

Warum fühlen sich diese Menschen Ihrer Meinung nach in dieser Organisationsform, wie sie Pegida dargestellt hat, gut aufgehoben?

Frau Quade, jetzt gehe ich einmal ähnlich wie Ihr Fraktionsvorsitzender in der Beantwortung der Frage allgemein eine Ebene höher. Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir uns dieses Themas in Deutschland viel zu spät angenommen haben.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich bin der Auffassung, dass wir viel zu lange verneint haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich bin der Auffassung, dass sich Teile der Politik viel zu lange dagegen gesperrt haben, über Veränderungen bei der Zuwanderung und möglicherweise auch beim Asylrecht nachzudenken.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)