Protokoll der Sitzung vom 27.03.2015

(Beifall bei der LINKEN)

Können Sie sich noch daran erinnern, was passierte, als die Polizeigewerkschaft gesagt hat: Wir wollen bei Versetzungen im Zuge der Polizeireform eine 40-km-Begrenzung haben? - Sie wurde ausgelacht. Es wurde gefragt: Was haben die denn für Vorstellungen?

Was meinen Sie, was passiert, wenn ich die Leute permanent durch die Gegend schicke? - Das macht einer aus einer Familie noch mit, aber der andere muss sich um die Kinder kümmern. Sie sind nämlich leider nicht so flexibel und nicht so omnipräsent.

Deswegen brauchen wir die Umgestaltung der Arbeitswelt. Wir haben eine Million Arbeitsverhältnisse in Sachsen-Anhalt und wir können für 950 000 nur beschränkt etwas tun. Das stimmt. Wir können mit Transparenz arbeiten. Wir können auch mit der

Verbesserung von Tarifverträgen arbeiten. Wir können auch mit der Stärkung von Betriebsräten arbeiten, damit sich Transparenz und Lohngerechtigkeit durchsetzen, aber wir haben 50 000 Menschen, die in diesem Land im öffentlichen Dienst arbeiten. Und an der Stelle können wir einmal anfangen.

Ich sage ausdrücklich: Das Personalentwicklungskonzept dieser Landesregierung verschärft die Auseinandersetzung zwischen Männern und Frauen und verschärft die Gerechtigkeitslücke. Immer weniger Menschen müssen immer mehr arbeiten. Höhere Arbeitsverdichtung, höhere Omnipräsenz, höhere Flexibilität - das ist das, was wir von den Leuten verlangen. Das macht irgendwann nur noch ein Teil mit, weil sich einer um die Familie kümmern muss, um die Kinder genauso wie um die Älteren.

Wer steigt aus diesem Rennen aus? Wer verzichtet im Schnitt auf Karriere? - Das sind die Frauen. Deswegen ist unsere eigene Politik in diesem Land nicht nur auf dieser Bank symbolisiert, sondern auch die Personalpolitik in diesem Land etwas, das die Gerechtigkeitslücke verstärkt und nicht verringert. Das ist auch in dieser Legislaturperiode das Problem.

(Beifall bei der LINKEN - Frau Brakebusch, CDU: Was macht denn Ihre Frau? Das wür- de ich gern mal wissen! - Herr Kurze, CDU: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

- Was meine Frau macht? - Das kann ich Ihnen sagen: Sie ist Professorin der Fachhochschule in Magdeburg-Stendal und wir teilen uns die Dinge zu Hause auf.

(Zurufe von der CDU)

Ich kann Ihnen noch etwas sagen: Sie hat zehn Jahre lang in diesem Bereich gearbeitet und sie hat mir die Dinge zu Hause erklärt: Das war nicht immer angenehm. Das können Sie mir glauben.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich kann Ihnen sagen: Auch Männer könnten lernfähig sein. Ich weiß, sie sind in einer Umgebung, in der man dieses Bild vielleicht nicht unbedingt gewinnen kann.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Zu- ruf: So ein Blödsinn!)

Ich möchte Ihnen noch etwas anderes sagen. Es stellt sich immer die Frage: Was können wir als Land hierbei tun? Frau Ministerin hat ja gesagt: Wir als Land können kaum etwas tun. - Nein, das ist falsch. Wir müssen uns zum Beispiel einmal anschauen, wie öffentliche Mittel eingesetzt werden und wie öffentliche Mittel die Gerechtigkeitslücke verstärken oder verringern. Dafür gibt es übrigens ein Instrument: Gender Budgeting.

Man kann überlegen: Welche Mittel wirken wie auf das Geschlechterverhältnis? Sind Wirtschaftsmittel, die wir ausgeben, denn wirklich etwas, das auf Geschlechterverhältnisse wirkt? - Herr Möllring würde garantiert abwinken, klar. Aber sie tun es, und zwar deshalb, weil es ganz entscheidend ist, wo ich zum Beispiel Wirtschaftsfördermittel einsetze, ob ich sie für typische Männerarbeitsplätze oder für typische Frauenarbeitsplätze einsetze.

Nur ein Beispiel: Wir hatten in der Bundesrepublik zwei große Pleiten vor einigen Jahren. Sie waren fast synchron. Das eine war die Opel-Pleite und das andere war die Schlecker-Pleite. Können Sie sich noch erinnern, wie Gesellschaft und öffentliche Hand bei dem einen mit Fördermitteln zur Rettung und bei dem anderen mit dem Satz reagiert haben, die Frauen mögen sich bitte um ihre Anschlussverwendung kümmern? - Das hätte kein Minister im Hinblick auf die Opel-Arbeitsplätze gesagt. Das sind die gesellschaftlichen Unterschiede.

Mithilfe öffentlicher Fördermittel verstärken wir zum Teil diese Probleme. Deswegen müssen wir erst einmal transparent machen, wie unterschiedlich die Dinge behandelt werden.

Zum Abschluss. Ich habe mich vor drei Wochen mit einer Gruppe von engagierten Akteurinnen aus Frauenorganisationen und -initiativen an einen Tisch gesetzt und habe gefragt: Was können wir tun? - Ich sage Ihnen ganz klar: Die Einschätzung zur Politik des Landes war in all diesen Fragen verheerend. Sie sagen aber, das muss nicht so sein; denn es gibt öffentliche Institutionen, die deutlich besser sind, etwa die Europäische Union. Sie verlangt knallhart die Einhaltung von solchen Kriterien, um auch diese Gerechtigkeitslücke im Interesse von Frauen zu schließen.

Wir erleben auf der Landesebene, dass die Dinge ignoriert und mit dem Bürokratievorwurf weggedrückt werden - siehe Vergabegesetz; wir können uns alle noch daran erinnern - und dass wir sie in diesem Land nicht haben wollen. Die Europäische Union ist in diesem Bereich tausendmal weiter als dieses Land.

Wir wollen die Situation in diesem Land über drei Wege verbessern: Erstens. Wir wollen einen wirklich geschlechtergerechten Einsatz von öffentlichen Mitteln. Zweitens. Wir wollen eine Personalpolitik in diesem Land, im öffentlichen Dienst, bei der Männer und Frauen in der Lage sind, Beruf und Familienarbeit gemeinsam zu realisieren. Drittens. Wir wollen eine Debatte haben gegen den konservativen Rollback, zurück zur Familie des 19. Jahrhunderts, für mehr Sensibilität in der Geschlechterfrage. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Der Kollege Schröder hat eine Nachfrage oder eine Intervention? - Eine Intervention.

Herr Kollege Gallert, natürlich war das erneut der Versuch, eine Debatte zu einem Thema, zu dem es, so glaube ich, einen breiten Konsens in diesem Haus gibt, und zwar zum Thema Equal Pay, zum Thema Entgeltgleichheit, zum Thema „Für gleichwertige Arbeit den gleichen Lohn zahlen“, zu nutzen, um die berechtigte Sorge, inwieweit sich gesellschaftliche Veränderungen auf Bindungen und Gemeinschaften in diesem Land auswirken, sie gegebenenfalls auch bedrohen, zu einem Zerrbild zu diskreditieren, wonach jeder, der ein traditionelles Familienverständnis hat, gleichzeitig die Unterdrückung der Frau predigt.

Dann wird man sehr schnell in die Rollback-Strategie des antiquierten Familienbilds gerückt. Ich weise das für meine Fraktion, für meine Partei als ehrverletzend, krude und böswillig zurück.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der LIN- KEN - Frau Bull, DIE LINKE: Gebell!)

Natürlich kennt der Kollege Gallert längst die Familiendefinition der CDU, die auch im Grundsatzprogramm festgelegt ist, wonach Familie überall dort ist, wo Kinder für Eltern und Eltern für Kinder dauerhaft Verantwortung tragen. Diese stabilisierende Funktion von Ehe und Familie zu betonen, hat nichts mit der berechtigten Forderung von Entgeltgleichheit und hat nichts mit Frauendiskriminierung zu tun.

Verantwortung, die wir mit dem Familienbegriff meinen, kann eben nicht staatlich verordnet werden, sondern sie existiert, weil es eine innere Bindung gibt.

(Herr Henke, DIE LINKE: Ihr Debattenbei- trag kommt doch noch!)

Nun kann man das Auseinanderdriften sozialer Lebensformen bewerten; sie zu erkennen ist wohl offensichtlich. Wir meinen, dass der Staat nicht dauerhaft in der Lage sein kann, auf diese inneren Bindungen innerhalb einer Gesellschaft zu verzichten.

Instrumentalisieren wir diese Debatte nicht dafür, Leuten mit einem Zerrbild von Familie zu unterstellen, sie würden der Diskriminierung von Frauen altertümlicherweise quasi das Wort reden, sondern bleiben wir bei dem Debattenthema der Entgeltgleichheit, zu dem es einen Konsens in diesem Haus gibt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Herr Lange, DIE LIN- KE: Dann sehen Sie sich Ihren Evange- lischen Arbeitskreis an!)

Dann hätten Sie dazu auch als Debattenredner sprechen können.

(Zustimmung bei der LINKEN - Unruhe)

Herr Schröder, mir geht es um Folgendes: Es gibt keinen wirklichen Konsens in dieser Gesellschaft, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Diesen Konsens gibt es hier am Mikro als Ziel. Aber wenn man dieses Ziel real umsetzen will, dann müsste man Dinge tun, die wirklich manchmal wehtun.

Können Sie sich noch an die Debatte zum Vergabegesetz und zur Frauenquote erinnern? - Ich kann mich sehr genau daran erinnern. Damals hieß es: Was für ein Bürokratiemonster; das sei auf keinen Fall möglich. Übrigens sagte das die gleiche Partei, die akzeptiert, dass wir ein Bürokratiemonster Maut und ein Bürokratiemonster HartzIV-Kontrollen bekommen. Das ist auf einmal möglich; in diesem Fall ist Bürokratie kein Problem. Wenn es um Frauenquoten geht, dann ist es ein Problem.

(Herr Schröder, CDU: Zurück zum Thema! - Weitere Zurufe von der CDU und von der LINKEN)

- Ich scheine ins Schwarze getroffen zu haben, im wahrsten Sinne des Wortes.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe)

Ich lese Ihnen den Satz einmal vor: Wir wollen wieder zu der solidarischen Gesellschaft werden, in der Familien nicht länger ausgegrenzt werden, nicht länger als von gestern oder als Belastung der Gesellschaft empfunden werden. - Das ist das, was in diesem Papier steht. Jetzt sagen Sie mir doch bitte einmal - Herr Zimmer, Sie haben es mit unterschrieben -: Wodurch wird die Familie in dieser Gesellschaft eigentlich an den Rand gedrängt? Wodurch wird sie bedroht?

(Herr Kurze, CDU: Durch Ihre Argumenta- tion! - Lachen bei und Zurufe von der LIN- KEN)

- Wenn Sie das für den Wahlkampf einschätzen würden, dann habe ich alles erreicht, aber darum geht es nicht. Nein, ich dränge Sie doch nicht an die Wand. Klar gibt es Debatten, die dazu stattfinden,

(Herr Kurze, CDU: Wir sind schuldig!)

zum Beispiel zur Abschaffung des Ehegattensplittings. Das Ehegattensplitting ist etwas, das als traditionell gut empfunden wird. Wer es abschaffen möchte, der bedroht das traditionelle Familienbild. Aber was ist das Ehegattensplitting eigentlich?

(Zurufe von der CDU)

Das Ehegattensplitting ist die Belohnung von Gehaltsunterschieden.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Deswegen sage ich ganz klar: Solange Sie solche Sätze unterschreiben und nicht sagen, durch wen Ihre traditionelle Familie wirklich bedroht wird, müssen Sie sich diese Unterstellungen gefallen lassen. Wenn Sie sich schon dadurch von mir in die Ecke gedrängt fühlen, dann warten Sie mal ab, mein Bester.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächste spricht für die Fraktion der CDU Abgeordnete Frau Gorr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann Ihnen versichern: Es kann auch wehtun, an dieser Stelle zu diesem Thema reden zu müssen.