Protokoll der Sitzung vom 27.03.2015

- Wir versuchen einmal, ganz ruhig zu bleiben. Ich nenne zuerst die drei Ausschüsse, in die überwiesen werden soll, und Sie signalisieren mir ganz heftig, wenn jemand gegen eine Ausschussüberweisung ist. Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft? - Ja. Ausschuss für Umwelt? - Ja. Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr? - Ja.

(Unruhe)

Dann lasse ich darüber einzeln abstimmen. Ansonsten hätte ich darüber jetzt insgesamt beschließen lassen. Dann machen wir es einzeln. Wer dafür ist, dass der Antrag in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen wird, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das ist das ganze Haus. Ist jemand dagegen oder enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Das ist somit beschlossen.

Wer ist für eine Überweisung in den Umweltausschuss? - Das ist das ganze Haus. Ist jemand dagegen? - Nein. Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Das ist somit beschlossen.

Wer ist für eine Überweisung in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Überweisung in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr nicht erfolgt.

Wir stimmen jetzt über die Federführung ab. Ich habe anfänglich gehört, dass der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft federführend sein soll. Das ist der Bergbauausschuss, um es einmal so zu sagen. - Gut. Dann frage ich jetzt, wer dafür ist, dass der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft federführend ist. - Das sind die Koalitions

fraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dann hat die Federführung trotzdem eine Mehrheit gefunden. Vielen Dank. Wir haben Tagesordnungspunkt 14 abgearbeitet.

Bevor wir zum Tagesordnungspunkt 5 kommen, begrüßen wir ganz herzlich auf der Gästetribüne Damen und Herren der Freiwilligen Feuerwehr in Wanzleben. Herzlich willkommen im Landtag von Sachsen-Anhalt!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung

Konzept und Maßnahmenplan zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners erarbeiten

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3899

Der Einbringer ist der Kollege Bergmann. Bitte schön, Herr Kollege Bergmann.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Der Eichenprozessionsspinner kommt als Nachtisch heute Mittag und als letzter Antrag. Wir haben in der Koalition seit einigen Wochen und Monaten über das Thema diskutiert und bringen es heute ein. Nach meinem Gefühl kommt der Antrag ein wenig zu spät - ich werde das nachher begründen -, aber nicht zu spät.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir müssen immer wieder feststellen, dass der Eichenprozessionsspinner in der Natur, aber eben nicht nur dort, sondern auch auf Wegen, Plätzen und Feldern, die auch von Menschen stark frequentiert sind, sein Unwesen treibt und letztlich dazu führt, dass es zu allergieähnlichen Auswirkungen auf der Haut kommt, unter denen einige Menschen enorm leiden. Ich habe so etwas selbst schon in der Altmark bei Reitveranstaltungen usw. erleben dürfen. Die Leute standen unter Eichen und sofort oder abends brannten die Arme und die Haut war gerötet.

Wir müssen also konstatieren, dass dieses Tierchen für die menschliche Gesundheit durchaus gefährlich ist. Wir haben uns deswegen dazu durchgerungen zu sagen: Dann müssen wir eine konzertierte Aktion vornehmen. Wir müssen den zuständigen Kreisen bei der Koordinierung bestimmter Abwehrmaßnahmen helfen und das Ganze durch das Land flankieren.

Problematisch sehe ich das natürlich - das werden Sie nachvollziehen können - als umweltpolitischer

Sprecher, weil es auch zu Schäden in der übrigen Natur kommen kann, je nachdem mit welchem Mittel gearbeitet wird. Deswegen wird man beim Nachlesen auf der einen oder anderen Seite im Internet feststellen, dass zum Beispiel der Naturbund gegen den Einsatz bestimmter Insektizide ist und das Ganze eher anders oder gar nicht bekämpft sehen möchte. Ich glaube trotzdem, auch nachdem ich solche Bilder live gesehen habe, dass es notwendig ist.

Jetzt möchte ich auch kurz erklären, warum ich vorhin gesagt habe, dass der Antrag ein bisschen zu spät kommt. Wenn wir dann auch in Naturschutzgebiete, insbesondere in Natura-2000-Gebiete, hineingehen und eventuell Gifte verwenden müssen, die auch auf andere Tierarten schädigend wirken, dann ist damit der Projektbegriff im Sinne der Rechtsprechung erfüllt. Das heißt, dass dann eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Das bleibt dann nicht aus. Das kostet natürlich noch einmal Zeit und ist durch das Land entsprechend vorzubereiten. Natürlich würden mich dann auch die Berichterstattungen dazu interessieren; denn, wie gesagt, wir wollen nicht Tabula rasa in unseren Wäldern machen.

Gleichzeitig möchten wir, dass es für die Bevölkerung Beratungsangebote gibt. Wir möchten also, dass man sich über die Krankheitsauswirkungen und darüber informieren kann, wie man eventuell schon von vornherein Kontakt mit den Tieren vermeiden kann. Wir möchten auch, dass man sich auf der Bundesebene dafür einsetzt, dass dieser Schutz weiterentwickelt und effektiver gestaltet wird. Vielleicht sollte auch an der Entwicklung von Giften gearbeitet werden, die wesentlich selektiver und nur gegen den Eichenprozessionsspinner wirken, um das in den Griff zu bekommen.

Wir haben vor Jahren in Brandenburg festgestellt, dass man dort durch eine große Aktion eine weitestgehende Eichenprozessionsspinnerfreiheit erreicht hat. In den Grenzbereichen zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg wird dann immer gesagt: Jetzt tut ihr endlich auch einmal etwas, ansonsten schwappt das bald wieder herüber. Auch aus diesem Grund halten wir es eben für vernünftig, einmal eine große Aktion zu machen. Diese soll aber auch mit all den Vorsichtsmaßnahmen geschehen, auf die ich hingewiesen habe. Ich hoffe, dass Sie uns dabei folgen können.

Natürlich möchten wir, dass in den Ausschüssen für Umwelt, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Arbeit und Soziales sowie für Inneres und Sport im zweiten oder dritten Quartal über die Punkte 1 bis 3 des vorliegenden Antrages berichtet wird. Ich hoffe bei diesem Thema auf maximale Unterstützung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank für die Einbringung des Antrages, Kollege Bergmann. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Aeikens. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist zielführend, dass ich Ichnen zunächst den Eichenprozessionsspinner vorstelle.

(Heiterkeit)

Ich unterstelle nicht bei allen Mitgliedern des Landtages so detaillierte Kenntnisse über Forstschädlinge, wie sie der Abgeordnete Herr Bergmann mit seiner Einbringungsrede an den Tag gelegt hat.

Es handelt sich um einen Schmetterling, der vorwiegend in Eichenwäldern, aber auch an einzelnen Eichen lebt und dessen Raupen nach dem Schlupf Eichenlaub fressen. Der Eichenprozessionsspinner ist vor 20 Jahren in Sachsen-Anhalt spürbar geworden. Ein erstes massives Auftreten gab es im Raum Genthin. In den letzten zehn Jahren hat er sich massiv ausgeweitet. Mittlerweile sind die Eichen in einem breiten Gürtel von der Annaburger Heide bis über die gesamte Altmark stark befallen. Stark betroffen sind auch Brandenburg und Niedersachsen.

Je nach Befallstärke können Wälder kahlgefressen werden. Bei mehrjährigem Kahlfraß können Wälder absterben. Das ist besonders dann der Fall, wenn der Eichenprozessionsspinner in Vergesellschaftung mit anderen Schmetterlingsarten, der sogenannten Eichenfraßgesellschaft, auftritt.

Der Eichenprozessionsspinner ist nicht nur eine Gefahr für den Bestand von Eichenwäldern und einzelnen Alteichen. Die giftigen Haare der Raupen werden bei den Häutungen abgestoßen und verbleiben bis zu fünf Jahre toxisch im biologischen System. Diese Haare können beim Menschen zu gesundheitlichen Problemen führen, angefangen bei Hautreizungen über Hautausschläge bis hin zu Atemnot und anderen schweren allergischen Reaktionen. Diese Situation ist gerade in besiedelten Bereichen sehr ernst. Wir haben Fälle, in denen nicht nur die heimische Bevölkerung schwer leidet, sondern auch Auswirkungen auf den Tourismus festzustellen sind.

Aus den genannten Gründen ist es nachvollziehbar und verständlich, dass sich die Regierungsfraktionen mit dem Thema Eichenprozessionsspinner befassen. Mit dem vorliegenden Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, in einer interministeriellen Arbeitsgruppe ein Konzept zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners zu erarbeiten und auch die Bekämpfung in Natura-2000-

und Naturschutzgebieten zu berücksichtigen, zu prüfen, wie Information und Beratung der Bevölkerung verbessert werden können, auf der Bundesebene dafür zu sorgen, dass Mittel für die Bekämpfung bereitstehen und die Forschung in diesem Bereich gestärkt wird, und bis Ende des zweiten Quartals über die Umsetzung in den Ausschüssen zu berichten.

Gern werden wir uns unter der Federführung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Ministerium für Inneres und Sport unter Beteiligung der betroffenen Landkreise Wittenberg, Anhalt-Bitterfeld, Jerichower Land, Stendal, Altmarkkreis und Börde der Frage einer Bekämpfungsstrategie widmen.

Es hat zu diesem Problem bereits in der Vergangenheit zahlreiche Besprechungen zur Unterstützung der Kommunen gegeben. Die Landesregierung hat zu dem Thema ein entsprechendes Merkblatt erarbeitet und zur Verfügung gestellt, das ich hier noch einmal zeigen darf. Aber wir werden prüfen, wie Information und Beratung der Bevölkerung weiter verbessert werden können.

Zu Fragen des Mitteleinsatzes: Im Forst kommt nur eine Bekämpfung mit Luftfahrzeugen infrage. Hierbei konnten wir erreichen, dass die Bundesbehörden die beide infrage kommenden Mittel bis 2018 bzw. 2021 mit vertretbaren Auflagen grundsätzlich zugelassen haben. Die Zulassung erstreckt sich nach sorgsamer Prüfung auch auf Schutzgebiete. Damit sind wir zunächst handlungsfähig. Gleichwohl ist die nachhaltige Bereitstellung geeigneter und möglichst schonender Mittel ein dauerhaftes Problem. Hierzu sind wir mit Bundesministerien und Bundesbehörden im Gespräch und werden die chemische Industrie einbeziehen.

Mit einer gleichzeitigen Zulassung als Biozid könnte die Attraktivität für die Industrie steigen. Allerdings gibt es sehr lange und aufwendige Entwicklungszeiträume bei geringem Umsatz. Daher fordern die Fraktionen zu Recht Forschungsförderung in diesem Bereich.

Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches ausführen. Wenn der Verlust von Wäldern droht, können wir den Eichenprozessionsspinner auf der Grundlage des Pflanzenschutzrechtes in Wäldern bekämpfen. Dies geschieht mit Hubschraubern. Die Forstverwaltung musste in den Jahren 2009 bis 2013 zum Schutz von Eichenwäldern tätig werden, im Jahr 2012 auf 3 500 ha.

Im besiedelten Bereich dürfte aber ein mechanisches Absaugen der Raupennester mit den dort akkumulierten Nesselhaaren die einzige Möglichkeit sein. Aber dieses Problem berührt einen völlig anderen Rechtskreis, nämlich das Biozidrecht. Für die Bekämpfung zum Schutz der Gesundheit sind die Kommunen zuständig. Die Landkreise treten

als Koordinierungsstelle auf. Das Innenministerium hat einen diesbezüglichen Zuständigkeitserlass bereits im Dezember 2012 herausgegeben.

Es scheint naheliegend, die Anstrengungen zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners in den Bereichen Waldschutz und Schutz der Gesundheit zu bündeln. Allerdings sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch die tatsächlichen technischen Möglichkeiten - Luftfahrzeugeinsatz im Forst, Absaugen in den Orten - sehr unterschiedlich. Die technische Durchführung einer Bekämpfung kann koordiniert werden, wenn beide Bereiche betroffen sind und die Bekämpfung mit Hubschraubern erfolgt. Das haben wir auch in der Vergangenheit so praktiziert.

Eine gute Nachricht möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: In den Jahren 2014 und 2015 hat sich die Waldschutzsituation infolge des Rückgangs anderer Eichenschädlinge entspannt. Auch wenn der Eichenprozessionsspinner nach wie vor in spürbarer Dichte da ist, droht derzeit erfreulicherweise kein Absterben von Wald. Eine Bekämpfung aus Waldschutzgründen ist daher derzeit nicht zu rechtfertigen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Chemieeinsatz im Wald auch andere Organismen treffen kann und daher nur das letzte Mittel ist, wenn schwere Schäden drohen. Das heißt, das Hauptaugenmerk der Bekämpfung wird auf den besiedelten Gebieten liegen müssen.

Das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt wird mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Ministerium für Inneres und Sport unter Einbeziehung der kommunalen Vertreter beraten, was in diesem Jahr erforderlich ist und was verbessert werden kann. Dabei werden uns die gesammelten Erfahrungen nützen. Wir wollen dem Wald helfen, aber wir wollen auch den Menschen helfen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Minister, Herr Kollege Weihrich würde Sie gern etwas fragen.

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe zu der Frage der Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners im Forst schon einige Kleine Anfragen gestellt und dabei immer auch die Frage gestellt: Wie schätzen Sie die Ergebnisse dieser Bekämpfungsmaßnahmen ein? - Dazu war die Antwort auf meine Kleine Anfrage nicht ganz deutlich. Deswegen würde ich die Frage an dieser Stelle gern wiederholen. Wie schätzen Sie die Ergebnisse der Bekämpfungsmaßnahmen des Eichenprozessionsspinners in der Vergangenheit ein?

Herr Abgeordneter Weihrich, ob solche Bekämpfungsmaßnahmen Erfolg zeitigen oder nicht, ist von vielerlei Faktoren abhängig. Vielleicht habe ich Ihnen auch aus diesen Gründen eine Antwort gegeben, die Sie nicht ganz zufriedenstellt. Mir liegt sie jetzt nicht vor; ich habe Sie auch nicht in Erinnerung.

Wie wir beide mit unserer Ingenieurvorbildung wissen - Sie in einem anderen Bereich als ich -, hängt es von vielerlei Faktoren ab, ob derartige Bekämpfungsmaßnahmen wirksam sind. Das hängt von der Ausbreitung der Schädlinge ab, es hängt von den Witterungsbedingungen ab, vorher und nachher. Das heißt, eine Prognose dazu, wie solche Maßnahmen wirken, ist schwierig. Aber Sie können sicher sein: Wir bekämpfen dann, wenn wir der Überzeugung sind, dass wir damit etwas Sinnvolles erreichen. Das ist uns in der Vergangenheit grundsätzlich auch gelungen.

Die Antwort war ausreichend? - Gut. Dann vielen Dank, Herr Minister. - Die vereinbarte Fünfminutendebatte eröffnet jetzt der Kollege Czeke von der Fraktion DIE LINKE aus Genthin.