Protokoll der Sitzung vom 24.04.2015

Gleichzeitig wächst auch bei uns im Bundesland der Fachkräftebedarf. Deutschland ist das beliebteste Einwanderungsland der Welt nach den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Chance, diese Beliebtheit müssen wir nutzen.

Doch wir machen, glaube ich, als Bundesland selbst noch nicht genug daraus. Wir müssen offensiver um Menschen werben, optimale Bedingungen für ihren Verbleib bei uns schaffen und vor allem im besten Sinne des Wortes weltoffen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier, meine Damen und Herren, hat sich auch gestern während der Aussprache zur Regierungserklärung recht deutlich gezeigt, dass Teile des Parlaments noch immer nicht verstanden zu haben scheinen, dass als weltoffen und modern nur angesehen und gelobt werden kann, wer auch weltoffen und modern ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Allein von einer Willkommenskultur zu reden, bringt uns diesem Ziel nicht wirklich näher. Nur wer bereit ist, aus der Landkartenmetapher des Ministerpräsidenten auch die richtigen Schlüsse zu ziehen, der wird damit erfolgreich sein.

Von Willkommenskultur zu sprechen und diese mantraartig nur für Teile der zu uns kommenden Migranten gelten zu lassen, schließt sich meines Erachtens aus.

(Herr Jantos, CDU: Wieso das?)

Für Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland einzutreten und gleichzeitig häufig gut ausgebildete Asylsuchende schneller abschieben zu wollen, schließt sich aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Seenotrettungsmission auf dem Mittelmeer zu befürworten und gleichzeitig eine „Das Boot ist voll“-Rhetorik an den Tag zu legen, schließt sich aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer ein Einwanderungsland Sachsen-Anhalt will, das zum Ankommen einlädt und an die Spitze will, der muss bereit sein, auch seine Einstellung zu ändern.

Der Ministerpräsident hat das, glaube ich, erkannt, Teile der CDU-Fraktion - den Eindruck habe ich

nach der Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden gestern gehabt - noch nicht. Das ist schade; an der Stelle müssen Sie sich bewegen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalts Zukunft wird sich auch an der Einwanderungsfrage entscheiden. 2,5 % Ausländeranteil sind zu wenig, nicht zu viel. Dieser Wert ist eigentlich lächerlich gering, und er wird lächerlich gering bleiben, wenn wir nicht systematisch daran arbeiten, ihn zu erhöhen.

Daher brauchen wir Konzepte für gezielte Einwanderung. Ein Einwanderungsgesetz auf Bundesebene kann ein solches gezieltes Konzept sein, von dem auch wir als Bundesland erheblich profitieren können.

Es kann ein solches gutes Konzept sein, wenn alle Regelungen für die arbeitsmarktbezogene Einwanderung zusammengefasst werden und dabei auch die Säulen der Einwanderung, wie ich sie einmal nennen will, zusammengeführt werden. Diese Säulen sind der Familiennachzug für schon hier lebende Migrantinnen und Migranten, die Einwanderung aus Drittstaaten, die Einwanderung aus EU-Ländern, die schon recht gut funktioniert, die natürlich auch keinerlei Probleme mit der Arbeitsaufnahme haben, aber eben auch die Einwanderung von Asylsuchenden und die Nutzung von deren Qualifikationen und deren erleichterte Arbeitsaufnahme.

All das soll in einem Gesetzespaket zusammengefasst werden. Von einem solchen Einwanderungsgesetz würde Sachsen-Anhalt ganz erheblich profitieren; denn bisher sind die Hürden für alle vier Gruppen noch zu hoch.

Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, die Bundesratsinitiative „Einwanderung gestalten - Einwanderungsgesetz schaffen“ zu unterstützen. Unsere bündnisgrünen Forderungen gehen teilweise noch deutlich über die Vorschläge dieser Bundesratsinitiative hinaus.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Aber dennoch beinhaltet diese Initiative die richtigen Schritte, um den Umfang der Einwanderung nach Deutschland und Sachsen-Anhalt systematisch zu erhöhen.

Der Familiennachzug soll erleichtert werden. Wenn die Ehepartner hier sind, dann sollen deren Sprachkenntnisse in Deutschland durch intensive Kurse gefördert und auch gefordert werden. Außerdem sollen sie genau wie ihre bereits hier lebenden Partner eine Aufenthaltsgenehmigung und eine realistische Einbürgerungsperspektive erhalten. Mehrstaatlichkeit soll dabei im Regelfall akzeptiert werden. Wir würden uns natürlich wün

schen, einen echten Doppelpass in Deutschland zu bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Einbürgerungen sind übrigens ein Schlüsselthema auch für Sachsen-Anhalt. Wir haben hier natürlich eine Einbürgerungskampagne seit ein paar Jahren, aber immer noch viel zu wenige Menschen, die diesen Schritt gehen wollen. Schuld daran ist nicht, dass die Einbürgerung irgendwie unattraktiv ist, sondern Schuld ist der mangelnde Wille, bestehende Hemmnisse wirklich anzugehen und zum Beispiel die fehlende doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen.

Deutschland hat damit leider noch immer insgesamt einen Wettbewerbsnachteil. So stehen wir bei der Einbürgerung im europaweiten Vergleich nur auf Platz 19. Das ist zu wenig, meine Damen und Herren.

Die Bundesratsinitiative will außerdem die Einwanderung aus Drittstaaten fördern. Dafür müssen wir vor allem die Hürden für kombinierte Aufenthaltstitel und Arbeitsgenehmigungen wie die Blaue Karte EU senken. Die Höhe der Mindestverdienste für diese Titel konterkariert zum Teil deren eigentliche Ziele, mehr Einwanderung zu bewirken.

Das Einwanderungsgesetz richtet sich zudem nicht nur an hochqualifizierte Fachkräfte, sondern berücksichtigt auch die Arbeitsmarkteinwanderung über andere Qualifikationsniveaus. Es soll geprüft werden, unter welchen Bedingungen qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten zeitlich befristete Aufenthaltsmöglichkeiten zum Zweck der Arbeitsplatzsuche eingeräumt werden können.

Asylsuchenden und Duldungsinhabern, die eine Zusage für eine betriebliche Ausbildung in einem staatlich anerkannten und vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf oder einer vergleichbaren schulischen Berufsausbildung besitzen und die Ausbildung bereits aufgenommen haben, ist im Interesse der Sicherung der Fachkräftebasis ein Aufenthaltsrecht für die Dauer der Ausbildung zu erteilen. Bei einem erfolgreichen Abschluss ist ein angemessener Zeitraum einzuräumen, um eine dem Abschluss entsprechende Arbeitsstelle zu finden.

Mit dem Einwanderungsgesetz soll erreicht werden, die Einwanderung in unser Bundesland und nach Deutschland strategisch anzugehen und die Hürden sinnvoll zu senken, damit sie tatsächlich auch stattfinden kann. Kernstück ist dabei, dass die vier Säulen der Einwanderung, die ich geschildert habe, wirklich zusammengedacht werden und damit die Qualifikationen und Bedürfnisse der Einwandernden im Vordergrund stehen und nicht wie bisher qualitätsfremde Kriterien.

Das, meine Damen und Herren von der CDU, ist kein Teufelszeug. Es entspricht einer Notwendigkeit für unser Bundesland.

(Herr Bommersbach, CDU: Das haben wir auch nie gesagt!)

- Doch, das haben Sie schon einmal gesagt.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

- Herr Fraktionsvorsitzender Schröder, der heute leider nicht anwesend ist, hat gestern nach der Regierungserklärung erneut gefordert: Klare Regeln für Zuwanderung.

(Herr Scheurell, CDU: Klare Regeln!)

- Markiger Spruch, kommt immer gut. Als ob diese Zuwanderung in Deutschland keinen klaren Regeln folgen würde. Das tut sie doch längst, meine Damen und Herren. Das ist Augenwischerei. Zuwanderung folgt klaren Regeln oder zumindest Regeln.

(Herr Scheurell, CDU: Klare Regeln! Ja!)

- So wirklich klar sind die leider oft nicht.

(Herr Scheurell, CDU: Doch!)

- Herr Scheurell, sie sind leider oft willkürlich und sie entsprechen weder den Interessen unseres Staates und seiner Bevölkerung noch denen der Einwandernden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Scheu- rell, CDU: Den Gesetzen! - Unruhe)

- Das, was ich Ihnen eben vorgestellt habe, meine Damen und Herren, mit der Initiative für ein Einwanderungsgesetz, das wären klare Regeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das nennt man gesteuerte Einwanderung, wie Sie es auch als Begriff gern verwenden.

(Zuruf von der CDU: Ihre Wünsche! - Un- ruhe)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Bischoff.