Zunächst werden die Anträge eingebracht. Danach werden wir eine verbundene Debatte führen. Als Einbringer zu dem ersten Antrag erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Herbst von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.
Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist im Internetzeitalter noch nicht angekommen. Dieser Verdacht drängt sich schon auf, wenn man mittels einer Lesehilfe versucht, durch die digitale Bleiwüste der Landeswebsite zu navigieren und man den Eindruck bekommt,
Hier könnte man aber noch den Eindruck gewinnen, die Landesregierung folge einer spleenigen, aber geheimen Strategie, um sich dann plötzlich mittels der Veröffentlichung einer völlig zweckfreien App doch noch als digitale Bohème zu profilieren.
Aber einmal ganz im Ernst: Niemand verlangt von Ihnen, Herr Ministerpräsident, dass Sie plötzlich ein Internet-Nerd werden.
Dazu müssten Sie auch eine andere Brille aufsetzen. Aber was die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes von Ihnen verlangen dürfen, Herr Haseloff, und auch zu Recht einfordern, das ist, dass Sie sich um die grundlegenden Bedürfnisse kümmern. Dazu gehört längst auch, dass im Land neben einer guten Straßen- und Schieneninfrastruktur ein leistungsfähiges Datennetz zur Verfügung steht.
Und hier zeigt sich wirklich, dass Sachsen-Anhalt leider digitale Diaspora ist. Ihre Breitbandpläne, bis Ende 2010 eine flächendeckende Versorgung mit der minimalen Bandbreite von 1 Mbit/s zu erreichen, sind gescheitert.
Sachsen-Anhalts Bevölkerung bleibt weiterhin zu großen Teilen vom Internet abgekapselt; nicht weil sie zu alt, zu arm, zu ungebildet oder zu frau ist, Herr Robra, sondern weil ihr der Zugang zum Internet verwehrt wird. Das ist nicht allein Ihre Schuld. Aber Sie und Ihre Regierung tragen dafür zumindest eine hohe Mitverantwortung.
Wenn sich der Zugang zu leistungsfähigen Internetanschlüssen nicht bald verbessert, dann wird Sachsen-Anhalt weiter abgekoppelt und sich in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht von anderen Bundesländern entfernen. Unsere ostdeutschen Nachbarn sind längst an uns vorbeigezogen.
Thüringen verzeichnet einen Zuwachs von 5,6 % bei den Nutzerinnen und Nutzern des Internet. In Sachsen liegt der Zuwachs bei 4,7 %. Selbst das weitläufige Mecklenburg-Vorpommern weist eine Zuwachsrate von 5,2 % auf. Mit einem Wert von 1,3 % hingegen weist Sachsen-Anhalt einen Zuwachs auf, den man kaum noch als solchen bezeichnen kann.
In dieser Situation wäre es angebracht, sich einer Fehleranalyse zu widmen. Stattdessen kapriziert sich Ihre Regierung auf die abwegige Position, die Bürgerinnen und Bürger seien selbst schuld an dem Dilemma. Der Bildungsstand, die sozialen Probleme, die schärfere demografische Entwicklung, die weiten Flächen - da halte man sich mit der Nutzung des Internets eben lieber etwas zurück. Einen Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit schneller Internetanschlüsse und der niedrigen Nutzerquote gebe es nicht.
Doch, Herr Ministerpräsident, genau das ist der einfache Zusammenhang. Das werden Ihnen im Land viele der vielen tausend Betroffenen gern bestätigen.
Aktuell haben in Sachsen-Anhalt 64,2 % der Menschen Zugang zum Internet. Ein Drittel bleibt zwangsweise offline. Der Abstand zum Bundesdurchschnitt beträgt damit mehr als 10 Prozentpunkte.
Gerade in wirtschaftlicher Hinsicht bahnt sich hier eine gefährliche Situation an. Breitbandinternetanschlüsse sind ein Muss für Ansiedlungen. Kein Unternehmer kann und will es sich heute leisten, darauf zu verzichten.
Dabei betrifft dies, anders als andere Medien, alle Formen von Unternehmen, unabhängig davon, ob es sich um einen Ein-Mann-Betrieb oder um einen Großbetrieb handelt. Für viele Freischaffende und Einzelunternehmer ist das Internet mittlerweile der wichtigste Kommunikationskanal und der Hauptvertriebsweg für Produkte und in zunehmendem Maße übrigens auch für Dienstleistungen.
Gerade für diese Größen ist Sachsen-Anhalt doch sonst ein attraktiver Standort, Herr Haseloff. Gerade für Berufseinsteiger, Absolventen oder Startups brauchen wir nicht mehr Autobahnen, sondern wir brauchen mehr Datenautobahnen.
In ihrem Alternativantrag sprechen die Koalitionsfraktionen - das nehme ich positiv zur Kenntnis - von Breitbandversorgung als einem modernen Element der Daseinsvorsorge. Das ist neu. Das nehmen wir erfreut zur Kenntnis; denn diese Einsicht ist die Voraussetzung für das, was das Netz in Zukunft für unsere Gesellschaft bedeuten wird und mit welchem Stellenwert Ihre Regierung diese Entwicklung begleiten und fördern muss. Ich hoffe nur, dass Sie es ernst meinen mit der Daseinsvorsorge.
Bis zum heutigen Tage jedenfalls schien das Breitbandinternet in Ihrer Prioritätenliste nicht den entsprechenden Stellenwert eines Elements der Daseinsvorsorge zu haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass die Zuständigkeiten für dieses Thema auf drei Ministerien und die Staatskanzlei verteilt sind.
Jeder andere Bereich der Daseinsvorsorge hat doch eine ganz klare Zuordnung zu einem Ministerium. Wir meinen, dass die Verantwortung für die Datennetze deswegen auch in einem Ministerium gebündelt werden muss. Weil es sich eben nicht um eine kurzfristige Maßnahme der Wirtschaftsförderung handelt, sondern um eine bleibende Aufgabe der physischen Infrastruktur, sollte dies das Verkehrsministerium sein.
Auf diese Weise erreichen Sie eine klare Zuständigkeit. Sie können die Kompetenzen aus allen Bereichen bündeln und Sie setzen dazu noch das richtige politische Signal.
Bisher können wir weder hinsichtlich Ihrer Ziele noch hinsichtlich der Struktur erkennen, dass Ihre Regierung das Heft des Handelns wirklich in die Hand nimmt. Stattdessen setzen Sie neben dem Kleinreden der Problematik auf das Verschieben der Verantwortlichkeiten auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die Bundesregierung und wahrscheinlich auch auf die Opposition. Letztgenannte jedoch macht sich Gedanken und nimmt die prekäre Lage
Wir fordern Sie mit unserem Antrag auf, ambitionierte Ziele zu setzen. Bis Ende 2012, also immerhin mehr als zwei Jahre nach Ihrer ursprünglichen Zielsetzung, sollen Sie eine Breitbandversorgung größer als 2 Mbit/s flächendeckend im Land sicherstellen. Das ist wohlgemerkt nicht viel, aber es ist eine realistische Zielmarge, die erreichbar ist und die den Bürgerinnen und Bürgern eine digitale Perspektive gibt.
In einem weiteren Schritt bis Ende 2014 sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Bevölkerung nahezu flächendeckend wirklich schnelle Anschlüsse bekommt, nämlich im Bereich von 50 bis100 Mbit/s. Das ist die Voraussetzung für die anspruchsvolleren Anwendungen, deren Nutzung heute immer mehr Verbreitung findet und die sich in den nächsten Jahren extrem schnell ausbreiten werden.
Was die schwieriger zu erschließenden Gebiete angeht, sollen bis zu diesem Zeitraum, also Ende 2014, Anschlüsse mit mindestens 16 Mbit/s zur Verfügung stehen. Das ist in etwa die Bandbreite, ab der multimediale Angebote in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen und nutzbar sind.
Natürlich wird es auch dann noch weiße Flecken im Land geben - das ist uns klar -, aber sie müssen wirklich die Ausnahme bleiben. Heute sind diese Offlineareas im Land noch weit verbreitet, und das nicht nur in den ländlichen Regionen, sondern auch in den Städten. So gibt es mehrere Stadtteile hier mitten in Magdeburg, in denen es überhaupt nicht möglich ist, einen DSL-Anschluss zu bekommen. Das ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit!
Keinen DSL-Anschluss zu bekommen, ist heute für jeden Unternehmer, der sich in der Mitte unserer Landeshauptstadt ansiedeln möchte, ein Ausschlusskriterium. Da müssen Sie politisch ran, Herr Haseloff. Es ist nicht vermittelbar, wenn die Netzbetreiber im Jahr 2011 einem Menschen, der in einem Oberzentrum in Sachsen-Anhalt wohnt, keinen DSL-Anschluss zur Verfügung stellen können.
Nicht zuletzt führen Sie Ihre eigene Heimatrückholaktion völlig ad absurdum, wenn Sie jemanden zu einer Ansiedlung bewegen wollen, nach der er sein Geschäft aufgeben kann. Es wäre interessant, einmal mit den angeblich 3 000 von Ihnen nach Sachsen-Anhalt bereits Zurückgeholten zu spre
(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Die fühlen sich hier sehr wohl!)
Noch einige Bemerkungen zum Thema LTE, dem schnellen Mobilfunkstandard, Long Term Evolution, dem Sie ja große Aufmerksamkeit widmen und der in der Debatte häufig als Heilsbringer genannt wird. LTE kann in der Tat hilfreich sein - das ist richtig -, einen mobilen und schnellen Internetzugang zu bekommen. Aber hierbei kann es sich immer nur um eine Übergangs- oder Ausweichlösung handeln; denn wer über LTE online geht, teilt sich die Bandbreite mit allen Nutzerinnen und Nutzern, die in der gleichen Zelle eingeloggt sind.
Deshalb ist die theoretisch zu erreichende hohe Bandbreite eben nur unter optimalen Bedingungen erreichbar. Aber für viele Anwender reicht das nicht aus. Unternehmer, Ärzte und andere professionelle Anwender sind darauf angewiesen, dass ihnen das Internet zu jeder Zeit mit nahezu gleichbleibender Kapazität zur Verfügung steht. Sie können keine Surfsticks anstöpseln und darauf waren, dass das Internet schnell läuft. Deswegen kann LTE nur eine ergänzende Lösung sein und ersetzt den Breitbandausbau mit Festnetzanschlüssen im Land nicht.
„Heimische Braunkohle unverzichtbar“ steht seit vorgestern auf der Startseite des Webauftritts von Sachsen-Anhalt.