Protokoll der Sitzung vom 09.09.2011

Ich konnte mich im letzten Dezember selbst davon überzeugen, wie die Soldaten vor allem aus dem Logistikregiment in Burg und dem Sanitätsregiment in Weißenfels in Mazar-e Sharif ihren schweren Dienst leisten.

Bei allen Diskussionen muss uns klar sein: Nicht die Generäle haben die Soldaten in den Einsatz geschickt, sondern die Politik. Deshalb haben die

Soldaten einen Anspruch darauf, dass wir ihnen den entsprechenden Rückhalt erweisen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- stimmung bei den GRÜNEN)

Ich will zusammenfassen: Wir stehen zu unserer Bundeswehr in Sachsen-Anhalt, zu den Standorten, zu den Soldatinnen und Soldaten sowie den zivilen Arbeitnehmern, die in Sachsen-Anhalt ihren Dienst versehen. Ich hoffe, dass das an vielen Stellen in unserem Land so bleibt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön für die Einbringung. Der Kollege Köck möchte Ihnen eine Frage stellen.

Herr Erben, ich habe eine Frage zu der Berechnung der Stationierungsdichte. Bezieht sich die Zahl von 3,5 Soldaten je 1 000 Einwohner auf die Feststationierten? Wie gehen Sie mit den zum Beispiel in der Altmark zeitweilig zusätzlich anwesenden Militärangehörigen um?

In die Berechnung der Stationierungsdichte werden alle Dienstposten einbezogen. Es geht also nicht nur um die Soldatinnen und Soldaten, sondern auch um die zivilen Mitarbeiter an einem Standort.

Beispielsweise am Standort Letzlingen, dem Gefechtsübungszentrum, werden nicht die übenden Soldaten einbezogen, sondern die dort fest stationierte Truppe sowie die zivilen Beschäftigten, allerdings nicht die zivilen Beschäftigten, die bei der privaten Firma im Rahmen des Joint Ventures arbeiten.

Danke schön für die Beantwortung der Frage. - Wir fahren fort und steigen in die Debatte ein. Zunächst nimmt der Herr Ministerpräsident das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Die Bundesrepublik Deutschland steht derzeit in einer der wichtigsten Strukturdebatten und -diskussionen und vor einer der wichtigsten Strukturentscheidungen. Die Bundeswehr als inhärenter Bestandteil unseres Verfassungsstaates wird umstrukturiert. In dem gleichen Zeitraum ist die Wehrpflicht formal erst einmal ausgesetzt worden.

Beides geht in der Richtung ineinander, dass wir auf der einen Seite die Bundeswehr mit Blick auf die Bedürfnisse, die auch global, durch Einbindung

in Nato und Uno existieren, zukunftsfähig machen und anpassen, während wir auf der anderen Seite die in den letzten Jahren existente und immer virulenter werdende Ungerechtigkeit aufarbeiten müssen, dass es zu einer adäquaten Beteiligung der jeweiligen Jahrgänge kommt, wenn es darum geht, Dienst in der Bundeswehr zu tun.

Die letztgenannte Problematik hängt auch sehr stark damit zusammen, wie es gelingt, Freiwillige dafür zu interessieren, Dienst in der Bundeswehr zu tun, und auch zu transportieren, welch ein Auftrag für diese Bundeswehr heute, im 21. Jahrhundert, in einem Europa besteht, in dem wir - Gott sei Dank - nur von befreundeten Staaten umgeben sind, während aber viele Brandherde und militärisch schwierige Bereiche in anderen Teilen des Erdballs existieren.

Die Freiwilligenfrage treibt derzeit auch das Bundesverteidigungsministerium um, zumal derzeit auch Planungsunsicherheiten zu Standorten und zu den Strukturen bestehen, die abschließend geklärt werden müssen.

Diejenigen, die sich melden sollen, um Dienst zu tun - Frauen wie Männer -, aber auch diejenigen, die im Sinne ziviler Beschäftigung davon abhängig sind oder zukünftig sein werden, wollen natürlich wissen, was sie erwartet und unter welchen Rahmenbedingungen und an welchen Standorten sie das erwartet. Deswegen kommt der Entscheidung auf der Bundesebene eine erhebliche Bedeutung über das hinaus zu, was ich vorhin schon anzudeuten versucht habe.

Die personelle und materiell-technische Grundlage für die Bundeswehr muss so gestaltet sein, dass die Bundeswehr in sich attraktiv wirkt und auch aus unserem Bundesland Freiwillige anspricht.

Wir waren, wie Herr Erben zu Recht sagte, überproportional bei der Rekrutierung von Freiwilligen und auch generell von Soldatinnen und Soldaten in der Zeit der expliziten Wehrpflicht beteiligt.

Dieses Thema ist für uns auch vor dem Hintergrund wichtig, dass wir mit der Wiedervereinigung großen Wert darauf gelegt haben, dass die Bundeswehr immer Bestandteil dieser Gesellschaft bleibt - nah an den Menschen, getragen von den Menschen - und dass durch die Verknüpfung der Menschen und der Regionen mit der Bundeswehr gesichert ist, dass keine Abkoppelung entsteht, sondern dass der Friedensdienst immer in die Bevölkerungsgruppen der jeweiligen Regionen rückgekoppelt ist. Deswegen ist es wichtig, dass die Präsenz in der Fläche auch zukünftig gesichert ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Wir haben in Sachsen-Anhalt 13 Standorte. An diesen 13 Standorten sind 6 000 Soldatinnen und Soldaten bzw. Zivilbeschäftigte tätig und tun dort ihren Dienst.

Wir haben versucht, den jetzt laufenden Prozess zu beeinflussen, indem wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Landtagsbeschluss vom Oktober 2010, aus der letzten Legislaturperiode, genutzt haben, um mit den entsprechenden Entscheidungsträgern im Bundesverteidigungsministerium Gespräche zu führen.

Ich persönlich hatte am Anfang dieses Prozesses Gespräche mit Herrn de Maizière. Des Weiteren war ich vor 14 Tagen länger mit Staatssekretär Beemelmans, der die Strukturreform im inhaltlichen Bereich durchführt, zusammen und habe über die sachsen-anhaltischen Standorte und über die Strategien in unserem Land gesprochen.

Vor wenigen Tagen, am Montagabend, habe ich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Schmidt aus dem Verteidigungsministerium anhand der einzelnen Standortdaten und vorliegenden Karten auch vor dem Hintergrund gesprochen, dass er sehr stark versucht, diese politische Steuerungsfunktion mit den Ländern zu handhaben.

Ab dem 20. September 2011 werden Gespräche mit Staatssekretär Wolf geführt. Im Oktober 2011 wird es, wie es Herr Erben ebenfalls schon gesagt hat, die Runden mit den Ministerpräsidenten geben.

Diese Gespräche haben aus meiner Sicht klar zum Ausdruck gebracht, dass die Besonderheit Sachsen-Anhalts, die Investitionen, die getätigt wurden, und auch die Bedeutung, die die Bundeswehr in unserem neuen Bundesland hat, hinterlegt sind.

Ich kann an dieser Stelle zumindest Folgendes vorsichtig sagen: Ich bin verhalten optimistisch, was den Standorterhalt, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten sowie auch der Zivilbeschäftigten in unserem Land anbelangt.

Ich hoffe - ich habe auch gute Gründe, dies hoffen zu können, weil wir die Daten abgeglichen haben -, dass die getätigten Investitionen auch weiterhin von der Bundeswehr an den wichtigen Standorten in Sachsen-Anhalt genutzt werden, sodass auch für zukünftige Katastrophenfälle eine Präsenz der Bundeswehr in der Fläche Sachsen-Anhalts gesichert ist und wir genau auf die Kräfte zugreifen können, die wir schon in vielen Fällen benötigt haben, wie erst vor wenigen Tagen in Riestedt.

Unter dem Strich bin ich also guten Mutes, dass wir schon jetzt helfen können, diesen Prozess mit zu steuern. Dabei zählen Fakten. Natürlich ist das Militärische, was zu entscheiden ist, in der Prioritätenliste ganz oben anzusiedeln.

Aber es sind auch die anderen Dinge, wie die Stationierungsdichte je 1 000 Einwohner, das besondere Verhältnis der Bundeswehr in den neuen Bundesländern zu der Bevölkerung, zu den Freiwilligen sowie zu den potenziellen Soldatinnen und Soldaten, mit zu berücksichtigen.

All das ist mit entscheidend dafür, dass es, so hoffe ich, zu einer für uns akzeptablen und vertretbaren Entscheidung kommt und wir als SachsenAnhalt weiterhin ein ganz deutlicher Bundeswehrstandort bleiben.

Ich wünsche mir das. Sie wünschen sich das, wie ich weiß. Wir sollten gemeinsam weiterhin in den nächsten Wochen und Monaten daran arbeiten, dass das auch zu einem guten Ergebnis führt.

Ich nehme das Daumendrücken, Herr Erben, gern mit und sage Ihnen zu, dass wir versuchen werden, alles, was wir als Landesregierung an Kräften aufbieten können, mit Ihnen gemeinsam mit dem Ziel einzubringen, dass wir abschließend sagen können: Die Strukturreform war eine Strukturreform, die wir grundsätzlich mittragen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Herr Ministerpräsident. - Es folgt eine Fünfminutendebatte. Es wurde folgende Reihenfolge vorgeschlagen: DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/GRÜNE und SPD. Es spricht nun für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man über die Auswirkungen der Bundeswehrstrukturreform auf Standorte spricht, muss man nicht nur über die Auswirkungen, sondern auch über die Ziele sprechen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

In der Begründung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen steht Folgendes:

„Die größte Strukturreform in der Geschichte der Bundeswehr ist insbesondere zur Verbesserung der internationalen Einsatzfähigkeit für Frieden, Freiheit und Sicherheit notwendig.“

Das klingt zwar gut, ist aber nur ein Teil der Wahrheit.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

In Dokumenten aus dem Bundesverteidigungsministerium wird davon gesprochen, dass Deutschland als Exportnation und Hochtechnologiestandort in besonderem Maße auf Ressourcensicherheit, freien Welthandel, den Schutz kritischer Infrastruktur und Computersicherheit angewiesen ist. Für solche Äußerungen musste vor Kurzem noch ein Bundespräsident seinen Hut nehmen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Weiter heißt es: Schließlich hängen auch Sicherheit und Wohlstand in stärkerem Maße als früher

von den Entwicklungen in der übrigen Welt ab. Sicherheit für Deutschland bedeutet auch, Auswirkungen von Krisen und Konflikten möglichst auf Distanz zu halten bzw. ihnen aktiv vorzubeugen bzw. sie einzuhegen. - So die Sprache der Militärs.

Aber die beste Art, Konflikten aktiv vorzubeugen und diese einzuhegen, ist nicht der nachträgliche militärische Einsatz, sondern vor allem die Bekämpfung der Ursachen für solche Konflikte.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Diskussion um die Rolle der Bundeswehr im Ausland fing eben mit den rot-grünen Einsatzbefehlen zum Einsatz in Jugoslawien an und reicht bis hin zu den aktuellen Einsätzen in Libyen.

Hätten Rüstungsexporte in die arabische Welt und politisches Wohlwollen zugunsten von Öllieferungen nicht stattgefunden, so hätte sich mancher Krisenherd schon vorbeugend mit friedlichen Mitteln beseitigen lassen.

Für DIE LINKE hat eine Bundeswehrreform kurzgefasst folgende Hauptziele: die Zahl der Streitkräfte halbieren, die defensive Ausrichtung der Bundeswehr und die Auslandseinsätze beenden. Das ist unser Credo für eine Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland.